Sie ist der Vorbote der Midlife Crisis: die Mittdreißiger-Krise, die heutzutage deshalb grassiert, weil man früh sehr viel erreichen kann und man auch früher als vorangegangene Generationen erste Lebensbilanz zieht. Die eigenen Ziele werden überprüft: Wo hat mich die Karriere hingeführt? Wie sieht es mit meinem Liebesleben aus? Will ich das Leben, das ich führe, überhaupt? Bin ich glücklich? Mit all diesen Sinnfragen werden die Helden der TV-Komödie „Geile Zeiten“ konfrontiert. Heiraten? Vielleicht Kinder? Anderer Job? Weltreise? Oder gleich alles auf Anfang? Besonders in den Männern arbeitet es. Man müsste noch mal 20 sein.
Es beginnt damit, dass Martin nun schon über ein halbes Jahr arbeitslos ist. Mit dem Crash der neuen Märkte ging es bei dem Ex-Durchstarter auch beziehungsmäßig den Bach runter. Da er keinen Uni-Abschluss hat, beschließt er, sein Examen nachzuholen. Sein Freund Lars, seit Jahren in festen Händen und Anwalt in einer angesehenen Kanzlei, ist ganz angetan von dem Gedanken, aus seiner gesicherten Position heraus ein bisschen mit Student zu spielen. Doch die ersehnte Dauerparty endet für ihn mit einem existenzbedrohenden Kater, bei dem ihm beinah noch seine Langzeitfreundin abhanden kommt. Auch Martin spürt, dass die Universität nicht mehr seine Welt ist. Mehr angetan ist er da schon von seiner Nachbarin.
Mit „Geile Zeiten“ machte Pro Sieben 2006 einen Sprung näher ran an die 30- bis 50Jährigen, eine Zielgruppe, die der Sender eigentlich Sat 1 überlässt. Aus Pennälern werden Thirtysomethings, statt einer Coming-of-Age-Geschichte wird hier eine Selbstfindungs-Story aus dem Leben reiferer Jahrgänge erzählt. Es geht nicht mehr darum: wie krieg ich sie/ihn (ins Bett)? Sondern es geht um die grundlegenderen Fragen der Identitätssuche. Dieses TV-Movie ist aber nicht nur thematisch ernsthafter, es ist auch erfrischend anders gespielt. Der Film besticht durch vier Hauptdarsteller, den man gern zusieht. Wann gab es so etwas zuletzt in einem Pro-Sieben-Film? Da fällt einem zum Beispiel „Mein erster Freund, Mutter und ich“ ein, wo Jasmin Schwiers, Andrea Sawatzki und Herbert Knaup dem Beziehungsaffen Zucker gaben. Nun sind es Sebastian Ströbel („Geht nicht gibt’s nicht“), Stephan Luca („Sie haben Knut“), Ine Paule Klink, bekannt aus „Wilsberg“, und endlich mal wieder Julia Brendler („Dolphins“), die sich sympathisch zwischen Campus, Krise und Kindertheater bewegen.
Foto: Pro Sieben / Dirk Plamböck
Die starke Besetzung beider Filme hat einen Namen: Annette Ernst. Sie führte bei beiden Filmen Regie und sie drückte ihnen ihren Stempel nicht nur beim Cast auf. Wie auch bei ihrem Debütfilm, dem Grimme-Preis-gekrönten „Kiss and Run“, ergeben auch hier Ausstattung, Look und Soundtrack ein stimmiges Ganzes. Allein die Story von Christian Zübert hält dann doch nicht ganz, was sie verspricht. Vernunft obsiegt über den Freigeist, die romantische Komödie über das Selbstfindungsdrama – und bei aller zwischenzeitlicher Selbstironie („wie in einem schlechten Liebesfilm“) ist die Botschaft am Ende doch ein wenig banal: „Das Leben ist viel zu kurz, um in der Vergangenheit zu leben.“ (Text-Stand: 2.3.2006)