„Wien ist so eine schöne Stadt – modern, weltoffen und die Leute haben einen tollen Humor“, wirbt Mustafa Öztürk bei seinen Kindern für die neue Heimat. Bei Johann Stanzerl hilft dem Türken mit Ösi-Slang nicht einmal sein österreichischer Pass. „Sie stehen wieder vor Wien, die Osmanen!“, jammert der nur, „nein, sie sind schon mittendrin!“ Und so ruft er den Patron seines Traditionslokals, Prinz Eugen, zu Hilfe, der anno 1697 siegreich gegen die Türken zu Felde zog. Dieser alte Kämpe tritt nächtens aus dem prächtigen Gemälde und gibt Ratschläge für die Schlacht. Dabei ist es doch ein Dritter, ausgerechnet ein blaublütiger Österreicher, der beiden übel mitgespielt hat. Dieser hat mit Stanzerl einen Pachtvertrag gemacht für die Erweiterung seines Cafés. Dem Türken aus Salzburg indes hat er gleich das ganze Haus verkauft – und der will nun mit seiner Frau ein türkisches Spezialitätenlokal eröffnen. Die Rechtslage ist kompliziert. Was den Wiener nicht davon abhält, die Pläne der Öztürks – zumindest für ein Mini-Lokal – massiv zu stören. Dafür holt er sich Rat beim Prinz von Savoyen-Carignan und seinem Stammtisch: „Zuerst schießen, nachher verhandeln – das hat sich immer bewährt, vor allem, wenn nachher keiner mehr da ist zum Verhandeln.“
„Kebab mit Alles“ erzählt von einem absurden Kleinkrieg zweier Kulturen unter einem Dach. Der Durchbruch zwischen den beiden Wirtsräumen, dem bereits existierenden und dem geplanten, etabliert den Grundkonflikt und eine perfekte Szenerie, die die Situation immer wieder aufs Neue bildlich unterstreicht: hier die alteingesessenen Wiener, die mit zünftigem Blech den Türken volkstümlich den Marsch blasen wollen, dort die moderne türkische Familie, die es nicht so hat mit den alten patriarchalen Sitten. Hauptaggressor ist der Österreicher, weil ihm existenziell alle Felle davon zu schwimmen drohen. Angelegt ist jener Johann als chauvinistischer Stinkstiefel, den Andreas Vitásek ein wenig Hans-Wurschtlhaft – sprich: bemitleidenswert – verkörpert. „Die ganze Geschichte ist ein bisschen angelegt wie bei Asterix“, sagt Regisseur Wolfgang Murnberger. Gemeint ist die Situation. Die Sympathie-Verteilung funktioniert anders. Stanzerl ist der politisch unkorrekte Komödien-Querulant („manchmal mag ich mich selber nicht“), ein Ignorant, der auf seine Läuterung wartet.
Ganz plötzlich einig sind sich die beiden Kontrahenten immer dann, wenn es um Dritte geht: köstlich wie die beiden Streithähne in einer Nacht-und-Nebelaktion zunächst jeder für sich und dann gemeinsam einen Wok-Imbiss-Wagen der chinesischen Konkurrenz entsorgen. Auch die finale Lösung der albernen Dauerfehde kommt schließlich zustande, weil sich die beiden gegen die wahren Feinde der kleinen selbstständigen Gastronomen verbrüdern. Das wird nicht groß als moralische Botschaft in den Vordergrund gekehrt, sondern dient allenfalls zur Einläutung des Happy Ends. Fazit: „Kebab mit Alles“ packt alle Vorurteile zwischen Österreichern und Türken auf den Tisch, plädiert auf eine nicht allzu menschelnde Weise für „ein respektvolles Nebeneinander der Kulturen“ (Vitásek) und unterhält dabei – trotz kleiner dramaturgischer Hänger – auf hohem Multikulti-Komödien-Niveau. (Text-Stand: 10.8.2012)