Lisbeth ist besorgt. Ihre Tochter Fanny, die in Italien Architektur studiert, geht seit mehreren Tagen nicht mehr ans Telefon. Als „Mutti“ aufgeregt in Bella Italia einläuft, erweist sich alles als halb so schlimm. Die junge Frau ist einfach nur verliebt. Ihr Auserwählter Luca, Sohn eines italienischen Vaters und einer deutschen Mutter, gehört zwar durchaus zur Kategorie Schwiegermutterschwarm – aber müssen die zwei denn gleich heiraten?! Lucas verwitwete Mutter, die viel von sich und wenig von den in Deutschland lebenden Deutschen hält, sieht das noch etwas verbissener. Für ihren Überfliegersohn ist keine gut genug! Luca kennt seine Mama – und hat deshalb beschlossen, ohne sie und ohne Lisbeth zu heiraten. Er hat da auch schon eine Idee. Mutter Carla ahnt, was er vorhat. Doch mit der unbedarften Lisbeth im Schlepptau scheint alles schief zu gehen. Was sie während ihrer Höllentour durch das Land, in dem nicht nur die Zitronen blühen, nicht ahnen: Das, was ihnen nicht gelingt, könnten ihre Kinder vielleicht selbst hinkriegen – die Ehe verhindern.
Foto: Degeto / Nicolas Maack
Sich 90 Minuten gut zu unterhalten und am Ende ohne Reue auf einen Film zurückzublicken, das ist für deutsche Fernsehunterhaltungsfilme schon etwas Außergewöhnliches. Bei „Heiraten ist auch keine Lösung“ hält der Spaß sogar noch dem zweiten (kritischen) Blick stand. Der Film von Sibylle Tafel erzeugt darüber hinaus beim wiederholten Sehen in einigen Szenen sogar den wohligen Wiedererkennungswert, der „Kultfilmen“ nachgesagt wird. Es ist die (regressive?) Freude, dass man sich schon einmal darüber gefreut hat. Sicher spielt auch die Ausgehungertheit nach Komödie, nach Schmunzeln, nach Lachen, ein emotionales Grundbedürfnis, das nur selten im Fernsehen nicht infantil befriedigt wird, bei der Lust an diesem Film mit eine Rolle. „Heiraten ist auch keine Lösung“ ist ein fast perfekter Wohlfühlfilm: dramaturgisch makellos – sprich: charakterstark, perfekt getimt, kinoreif die Locations, die Landschaft, das Licht. Eine Handlung wie ein Fluss, ein Film aus einem Guss. Eine Komödie, die sich zum Road-Movie aufschwingt und nicht nur typische Italien-Bilder liefert, sondern gegen Ende auch einen ziemlich amerikanischen Look herbeizaubert.
Foto: Degeto / Nicolas Maack
Und wann sah man im deutschen Fernsehen Frauen – ohne Geld, ohne Handtasche, ohne Karriere(knick) und mit schlechtem Schuhwerk – ihren Weg gehen? Diese Komödie verzichtet auf weibliche Klischee-Utensilien? Tafel stößt zum Menschlichen vor, indem sie das Soziale minimiert. Im Moment der körperlichen Erschöpfung überwindet die Münchnerin ihre klein(bürgerlich)en Ängste und die italienische Deutsche ihre großspurige Neureichen-Mentalität. Was andere über einen denken und die entsprechende Rollenbild-Fixierung, der Humus vieler Sat-1- und Degeto-Komödien, bleibt außen vor. Beide Heldinnen kommen über die Physis zu sich selbst. Nicht das Schlechteste fürs Bildermedium Film. Saskia Vester variiert ihr Muttchen-Rollenfach mit den schuldvoll aufgerissenen Augen und dem Jetzt-meldet-sich-Ihr-Gewissen-Gestus in einen stimmigen Charakter und transzendiert ihn zu einer Frau, die sich verändert und doch treu bleibt.
Dass einem bei Saskia Vester wie auch bei Katja Flint – die ihrer Carla viele kleine typisch deutsche (?) Bosheiten schroff direkt in den Mund legt, die aber auch mit nonverbalen Zwischentönen herrlich ätzend sein kann – partout keine Besetzungsalternativen einfallen wollen, das spricht natürlich auch für den Film. Das vor 12 Jahren geschiedene Mauerblümchen nimmt plötzlich die Dinge des Lebens in die Hand, während sich die schnippische Perfektionistin in Freundlichkeit und mehr Geduld übt. Am Ende macht die lahme Ente der patzigen Ziege sogar richtig Beine. Und auch die Jugend „lernt“ aus der Flucht. Sich von zwei Übermüttern abzulösen ist nicht leicht. Aber Heiraten ist da tatsächlich keine Lösung. (Text-Stand: 20.8.2012)