Von der Inspirationsquelle zur Traumfrau
Ein Pariser Lektor, des Lektorierens müde, versucht sich erstmals selbst an einem Roman. Für einen Augenblick wird eine Köchin, die er nur ein einziges Mal gesehen hat, zu seiner Muse. Inspiriert von ihrer warmen Ausstrahlung, dem Zauber ihrer hübschen Erscheinung und der Liebe, mit der sie die Gäste ihres Lokals bewirtet, beginnt er seinen Roman „Das Lächeln der Frauen“. Ein gutes Jahr später fällt jener Aurelie das Buch durch einen seltsamen Zufall in die Hände. Sie liest es – und ist sich ganz sicher: „diese Sophie, das bin ich!“ Unbedingt möchte sie den Autor kennenlernen. Das Problem ist nur: diesen „Robert Miller“ gibt es nicht. André, jener mit seinem Leben offensichtlich nicht so recht zufriedene Lektor, hat unter Pseudonym geschrieben, ja nicht einmal sein Verlagschef weiß davon und das soll auch so bleiben. Als dann André Aurelie, die in der Sache „Robert Miller“ nicht locker lässt, ein zweites, ein drittes Mal begegnet, ist es um ihn geschehen. Ausgerechnet jetzt kommt „Robert Miller“ nach Paris – sein Freund und Agent Adam hat einen Schauspieler (einen Schmierenkomödianten!) für die Rolle engagiert. Und wo der ist, da ist Aurelie nicht weit.
Der romantischen Liebe ein Denkmal gesetzt?
„Das Lächeln der Frauen“ von Nicolas Barreau war auch hierzulande ein Riesenerfolg – 83 Wochen stand der Roman auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde über eine Million Mal verkauft. Sieht man nun den Film, eine komödiantische Romanze von Gregor Schnitzler, entstanden nach dem Drehbuch von Silke Zertz, ahnt man, weshalb dieser Roman so viele begeisterte Leser (und nicht nur Leserinnen) fand. Der Stoff gibt dem von Beziehungen gebeutelten modernen Weltbürger vielleicht nicht den Glauben an die große Liebe zurück, aber er kann einem die Illusion davon wiedergeben. Die Geschichte ist universal, sie steckt voller Spiegelungen, Projektionen, Phantasien und besitzt ein hohes Maß an Selbstreferentialität. Für einen Stoff, der auf leichte Unterhaltung abzielt, ist „Das Lächeln der Frauen“ überaus vielschichtig, psychologisch ergiebig und offen für alle möglichen Interpretationen, was Rollenbilder und Liebeskonzepte angeht. Wird hier der romantischen Liebe ein Denkmal gesetzt oder steckt hinter der literarischen Schöpfung nicht der pure Narzissmus (ein Mann schafft sich sein weibliches Pendant)? Sind hier zwei Seelenverwandte dabei, sich zu finden, oder ästhetisieren sich hier zwei verlorene Seelen ihre Sehnsucht nach einer anderen Realität? Wenn es tatsächlich ein Begehren gibt zwischen den beiden introvertierten Melancholikern, kann man sich als Zuschauer auch die Frage stellen, ob das denn funktionieren kann: ein sensibler Frauenversteher und diese eigenwillige Romantikerin? Keine dieser Fragen muss man sich stellen, um Vergnügen an Barreaus Roman und jetzt an diesem Film zu haben. Aber man könnte sie sich stellen, weil man spürt, dass hier mehr als nur Genremuster bedient werden.
Soundtrack:
ZAZ („La fée“/„Cette journée“), Guillaume Grand („Toi et moi“), Louis Armstrong („La vie en rose“), Carla Bruni („Chez Keith et Anita“), John Legend („All of me“)
Die Literatur dient als Liebesbote
Aber auch als schöne Illusion, als ein Stück sinnliche Nostalgie, die für gewöhnlich ja nur das Kino zu erschaffen vermag, erfüllt „Das Lächeln der Frauen“ höchste Ansprüche. Alle Produzenten, Autoren und Regisseure, die für das „Herzkino“ produzieren, sollten ihre Augen und Ohren weit aufmachen: So geht Romantik! Der dichte Subtext ist das Herzstück dieses Films, die Charaktere sind sein Atem. Alles zirkuliert in dieser Geschichte um die Liebe. „Man kann nicht so über eine Frau schreiben und nichts für sie empfinden“, sagt Aurelie, „das ist die größte Liebeserklärung, die ich je bekommen habe.“ Und auch André ist hin und weg: „Ich habe mich verliebt in die Heldin meines Romans, die in Wahrheit noch viel entzückender ist als in meiner Vorstellung“, schwärmt er, „sie ist die Frau, die ich immer gesucht habe.“ Die Liebe kennt aber auch andere Varianten: die Liebe zum Kochen, die Liebe zur Literatur. Und da ist die unerfüllte Sehnsucht nach einem Gegenüber, aber auch die Sehnsucht nach einer beruflichen Leidenschaft. Was SIE geschafft hat, war IHM bislang noch nicht vergönnt. Es ist kein Zufall, dass drei männliche Charaktere im Film wenig glücklich sind mit dem, was sie den lieben, langen Tag so tun. Was ist aus ihren Träumen, aus den Visionen geworden? Was andere Drehbücher aus dem Frauenunterhaltungsfach im deutschen Fernsehen gern zum Hauptthema machen und was dann zu den immergleichen (pseudo-alltagsnahen) Selbstfindungsgeschichten führt, ist bei Zertz ein Motiv, das nur am Rande mitschwingt und vielmehr für die erzählerische Dichte sorgt. Die Themen des Films eng miteinander zu führen, ihnen aber deutlich unterschiedliche Wertigkeiten zu geben, sie quasi als konzentrische Kreise um das Kernthema „Liebe“ herumzulegen – das ist das dramaturgische Geheimnis des Films.
Diese Stadt, diesen Film muss man lieben …
Was Zertz’ dichte Narration verspricht, das hält schließlich auch Schnitzlers Inszenierung. Es ist wie eine Grußpostkarte aus einer anderen Zeit. Die totalen Stadtansichten der Seine-Metropole sehen aus, als hätte man die Bilder noch mit visuellen Vintage-Effekten bearbeitet. Ansonsten dominieren warme Farben, den Bildstil kennzeichnet eine gekonnte Mixtur aus altmodischer Eleganz und edler Moderne. Und was für die Optik gilt, das gilt auch für die Musik: von Musette und Tango über Easy Listening-Sound bis hin zum New Chanson von Zaz. Und immer wieder, ob als Wahrzeichen oder als nächtlicher Sinnesreiz, weist der Eiffelturm dem Production Design den Weg, wie es auch die Pariser Architektur insgesamt tut, indem sie das Ganze, Bilder und Geschichte, mit der nötigen Patina überzieht. Liebe, leidenschaftliches Kochen, lustbesetztes Schreiben, die Sinnlichkeit der Tradition (haptisches Buch statt E-Book), eine tiefe Wehmut der Charaktere, die Ikonografie der Schauplätze, der schmucke Zauber der Bildsprache – mehr als „gefühlt“ ist das der stimmigste Wohlfühlfilm, den das ZDF auf diesem Sendeplatz präsentiert hat, seitdem es den Sonntagstermin zum „Herzkino“ gemacht hat (ausgenommen die ernsthaften Frauenporträts über Beate Uhse und Elly Beinhorn). Dieser Eindruck wird unterstützt und gekrönt von zwei Schauspielern, Melika Foroutan und Benjamin Sadler, die mit ihrer psychophysischen Präsenz und wehmütigen Erotik viele Zuschauer(innen) in wahre Verzückung versetzen dürften. „Das Lächeln der Frauen“, mit großer Sorgfalt bis in die kleinsten Rollen top besetzt, ist ein Liebesfilm im wahrsten Sinne des Wortes – eine sinnliche Liebeserklärung an eine Stadt, an die Literatur, an das Medium Film, an eine Frau und an die Liebe an sich. (Text-Stand: 31.10.2014)