Macht der Hausfrauen-Part Viktor unsexy? Könnte schon sein. Ehefrau Alex jedenfalls ist auffallend lustlos in seiner Gegenwart. Davon abgesehen, ist der arbeitslose Journalist aber auch alles andere als einer, der seinen Mann steht. „Warum ich?“, fragt er, als sein neuer Nachbar mit Motorrad, Weib & Gesang die Nachtruhe stört und seine Frau der Meinung ist, dass man ihm heimleuchten sollte. Der Schisser macht dann allerdings ganz auf Kumpel mit dem tätowierten Hünen, der nicht nur aussieht wie ein waschechter Rocker, sondern auch einer ist: Viktor erkennt nämlich in „Herrn Neumann“ den untergetauchten, straffälligen Boss der „Devil’s Brothers“, Rolf Olsen, und er wittert eine heiße Story und sieht die Chance einer Rückkehr in seinen Beruf. Sein Ex-Chefredakteur ist interessiert, macht aber klare Vorgaben: „PENIS“ = Prostitution, Erpressung, Narkotika, Illegales Glücksspiel, Schusswaffen – drei von fünf dieser Kriterien müsse sein Text erfüllen. Und so begibt sich Viktor mit seinem „Freund“ auf nächtliche Tour, raus aus der friedlichen Vorstadt, rein in Hamburgs sündige Meile. Seine Brille wird zur Kamera und die Story kriegt Konturen. Dumm nur, dass Olsen Viktor eine Freude machen will und ihm die Prostituierte vom Vorabend nach Hause schickt.
„Vorstadtrocker“, entstanden im Rahmen der NDR-Nachwuchsfilmreihe „Nordlichter“, ist eine gelungene kleine Mentalitäten-Komödie über die weibliche und männliche Seite im Mann und eine sich aus diesen Polen ergebende Männerfreundschaft. Die Vorhölle Vorstadt, stark ins Bild gesetzt von Kamerafrau Monika Plura und Szenenbildnerin Sabine Pawlik, wird dagegen von den Autoren Paul Florian Müller und Paul Salisbury nur am Rande thematisiert. Das macht vielleicht den Unterschied zu einem professionellen Mainstream-Fernsehfilm aus, der das Milieu (mit Nebenhandlungen) auch psychologisch-narrativ stärker ausformulieren würde. Für ein Debüt allerdings ist die Konzentration auf das Wesentliche der richtige Weg. Und da hatte Jungregisseurin Martina Plura (1985 geboren) mit dieser Geschichte von den ungleichen Männern und einer finalen Bewährungsprobe des halben Mannes, einer Geschichte, die reich an Situationskomik ist, eine nahezu perfekte Vorlage für ihren Erstling.
Dankbar ist auch der Schauplatz und dessen Transparenz. Der Zuschauer ist immer im Bilde, die Psychologie der Handlung ist für ihn ständig nachvollziehbar – was zugleich eine gute Voraussetzung für die Komik ist. Getragen wird das Ganze von drei herausragenden Schauspielern und einer wunderbaren Typen-Besetzung bis in die kleineren Rollen hinein (allein die Chefredakteursfigur und -darstellung dürfte nicht nur für Journalisten ziemlich gewöhnungsbedürftig sein). Fabian Busch („Er ist wieder da“), seit „Liegen lernen“ auf schüchterne Warmduscher prädestiniert, hat mit seiner Kamera-Brille nicht nur Ähnlichkeit mit dem jungen Woody Allen, er verkörpert seinen Hausmann auch mit einer gewissen Nähe zu einem Vorstadtneurotiker. Auch Lisa Wagner („Weißensee“) ist mit ihrem wunderbaren Augen-Spiel eine Traumbesetzung für die Ehefrau, die im „spannenden“ Finale ein bisschen auf Salma Hayek in „From Dusk till Dawn“ machen darf (die hat eine Schlange, Wagner eine Stange). Und Aljoscha Stadelmann ist nach Stefan Krohmers „Riskante Patienten“ und Stephan Wagners „Harter Brocken“ einmal mehr gut für eine große darstellerische Leistung: grandios wie er seinen Rollen-Typus in dem Film zunächst bedient, um ihn dann mehr und mehr zu unterlaufen. Dem entspricht die kluge Wende, die die Geschichte im Schlussdrittel nimmt. Fazit: Gutes, zweckdienliches Drehbuch, Schauspieler der Premium-Klasse, toller Look und eine Regisseurin, von der man noch hören wird.