20 Jahre Abitur! Das muss gefeiert werden, und diesmal soll auch Sandra kommen, die bei den letzten Klassentreffen immer eine Ausrede hatte; sie hat keine Lust auf ein Wiedersehen mit den einstigen Mitschülern, weil ihr beim Abiball ein böser Streich gespielt worden ist. Aber auch zwei andere sehen dem Termin mit gemischten Gefühlen entgegen: Daniel und Luke haben Erpresserpost bekommen. In der aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzten Botschaft teilt ihnen ein Unbekannter mit, er wisse, was sie damals getan hätten; jetzt sei Zahltag. Der Brief ist ein Drehbuchköder (Martin Wilke, Jochen S. Franken), denn er weckt Neugier: Was mögen die beiden damals wohl verbrochen haben? Es muss sich um eine recht kapitale Tat handeln, denn der Absender, der sich Robin Hood nennt, verlangt 30.000 Pfund.
Zunächst wendet sich „Nie wieder Klassentreffen“ jedoch einem anderen Handlungsstrang zu, wie er in Filmen dieser Art schon tausendfach erzählt worden ist: Die attraktive Sandra (Denise Zich) hat ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Chef, der ihr offenbar schon jahrelang verspricht, seine Frau zu verlassen. Er überredet sie, gemeinsam zum Abi-Jubiläum zu fahren, dann könne er endlich ihre Mutter kennenlernen. Als sie herausfindet, dass die Ehe noch sehr intakt ist, beendet sie die Beziehung; eine blöde Situation, denn sie hat ihrer Freundin Kate (Katja Woywood), die die Klassentreffen seit jeher gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Daniel (Jens Nünemann) organisiert, bereits angekündigt, sie käme nicht allein. Als sie zufällig Luke (Patrik Fichte) begegnet, beschließen die beiden aus einer Laune heraus, sich als Paar auszugeben. Eine pikante Idee, denn vor zwanzig Jahren waren sie, ohne es sich zu gestehen, ineinander verliebt, doch ausgerechnet Luke hat Sandra damals den Streich gespielt. Aber auch die Beziehung des Traumpaars Kate und Daniel wird von einem Geheimnis überschattet.

Buch & Regie verknüpfen diese großen und kleinen Geschichten zu einem Handlungsreigen, in dem auch noch Platz für ein echtes Drama ist: Im Kopf von Sandras Mutter (Diana Körner) wird ein Aneurysma entdeckt. Eine Operation lehnt sie wegen des hohen Risikos ab; sie zieht es vor, mit „einer tickenden Zeitbombe“ im Kopf jeden Tag so zu leben, als ob es der letzte wäre. Die einzelnen Erzählungen sind durchaus interessant, doch der Film hat einige entscheidende Mängel. Größeres Manko als die offenkundige Ungereimtheit, was Lukes Alter angeht – Patrik Fichte, Jahrgang 1965, ist unübersehbar zehn Jahre zu alt für die Rolle – ist ein gewisser Mangel an Ausstrahlung; gerade die beiden Männer, ein grundsätzliches Manko vieler Pilcher-Filme, sind etwas langweilig. Außerdem knistert es zwischen den Darstellern nicht. Das gilt vor allem für Fichte & Denise Zich, bei denen das besonders wichtig gewesen wäre, zumal sich die Schnapsidee mit der gespielten Liebe selbstredend verselbstständigt.
Fehlende Chemie ist das eine, da kann dann selbst ein alter Fahrensmann wie Hans-Jürgen Tögel nicht mehr viel ändern; mangelndes Tempo jedoch fällt in sein Ressort. Der 75jährige Regisseur war an den meisten Straßenfegern des deutschen Unterhaltungsfernsehens der letzten vierzig Jahre beteiligt. Für den verstorbenen Produzenten Wolfgang Rademann drehte er „Schwarzwaldklinik“ und „Traumschiff“, für Helmut Ringelmann Krimiserien wie „Der Alte“, „Derrick“ oder „Siska“. Er hat Hunderte von Filmen und Serienfolgen gedreht; sein erster von rund einem Dutzend Pilcher-Filme ist 1994 entstanden. Bei „Nie wieder Klassentreffen“ erfüllt der Routinier alle Vorgaben des Sendeplatzes, Kameramann Holger Greiß sorgt für schöne Cornwall-Bilder, die zum Stichwort „wie schön es hier ist“ prompt in Form Luftaufnahmen geliefert werden, die Ausstattung ist sorgfältig und hat allerlei Entdeckungen am Rande zu bieten, und auch die flüssige Verknüpfung der diversen Handlungsstränge stellt für einen derart erfahrenen Regisseur keine Herausforderung dar.
Der Gesamteindruck ist jedoch recht betulich. Ist der Film mal etwas flotter geschnitten, dann ausgerechnet an unpassenden Stellen wie etwa einem Beziehungsgespräch zwischen Sandra und ihrem Chef; in Romanzen dieser Art taucht der abgelegte Liebhaber immer gegen Ende noch mal auf. Auch sonst hat gibt es wenig Überraschungen. Das von Kate gehütete Geheimnis ist ebenso vorhersehbar wie die Identität des Erpressers, den nicht zuletzt das Gel im Haar als Antipathieträger verrät. Ähnlich klischeehaft ist die berufliche Ebene: Kate und Daniel betreiben einen Bio-Obstanbau, Luke ist Fotograf und Weltenbummler, beides positiv besetzt; bloß Sandra hat noch nicht gemerkt, dass sie als Unternehmensberaterin im falschen Job ist. Dabei ist der erzählerische Ansatz der Geschichte durchaus interessant: Die vier Hauptfiguren, alle um die 40, haben einen potenziellen Wendepunkt in ihrem Leben erreicht, und nun stellt sich die Frage, wie es weitergeht; wenn Sandra zum Beispiel noch Kinder bekommen will, wird es Zeit. Schade, dass so viele Dialoge aus dem „Herzkino“-Baukasten stammen: „Hören Sie auf Ihr Gefühl“ oder auch „Wenn du dein Glück gefunden hast, musst Du es festhalten“. Die schematische Musik mit Tusch zum Kuss gibt dem Film den Rest.