Jan Brenner (Benjamin Sadler) steckt in der Klemme. Nach außen gibt er den mit Karriere- und Eheglück gesegneten Kriminalhauptkommissar; das auch schon mal in einer Talkshow, denn seine Frau, die Millionenerbin und aufstrebende Politikerin Kathrin Hagen-Brenner (Jördis Triebel), ist eine Person des öffentlichen Lebens. Doch in Wahrheit hat Brenner seit längerem eine Affäre mit einer ehrgeizigen Journalistin (Katharina Nesytowa), die allerdings weniger Interesse an ihm als an einer polizeilichen Verschlusssache hat, den Akten zum legendären Hochhausmörder-Fall. Die Frau schreckt vor Erpressung nicht zurück. Als Brenners Familie übers Wochenende aus dem Haus ist, taucht jene Vesna Benning in dessen Villa auf. Die beiden haben Sex. Am nächsten Morgen ist die Journalistin tot, erdrosselt mit der Krawatte ihres Liebhabers. Brenner verhält sich wie ein Profi. Er kennt das Metier der Mörder und Ermittler. Er weiß, was er tun muss. Die Leiche vergräbt er in der Nacht im Wald, und er beseitigt alle Spuren, sowohl in seinem Haus als auch in der Wohnung der Toten, die sich ausgerechnet dort eingemietet hatte, wo einst der Hochhausmörder sein Unwesen trieb. Der von seiner Chefin (Leslie Malton) forcierten Beförderung dürfte also nichts mehr im Weg stehen. Doch dann wird Brenner von seinen Kollegen, von Simon Gerlach (Daniel Christensen) und der engagierten Pia Marquardt (Friederike Becht), zu einem Leichenfund geholt: Auf einer Wiese liegt eine tote Frau, nackt, wie aufgebahrt. Es ist Vesna Benning.
Foto: ZDF / Marc Meyerbröker
Der etwas simple Filmtitel „Ein verhängnisvoller Plan“ wird diesem ZDF-Montagsfilm nicht gerecht, denn er ist keiner jener Allerwelts-Thriller, wie man sie im „Zweiten“ seit Jahren regelmäßig zu sehen bekommt. Der Film ist hochspannend in all seinen Szenen und Details, ein unheilvoller Score legt sich über atmosphärestarke Bilder und präzise geschnittene Sequenzen. Die dramatischen Wendungen lassen sich auch retrospektiv noch logisch erklären, es wird verzichtet auf das stereotype Auslegen falscher Fährten, dafür gibt es eine Hauptfigur, bei der man sich nie ganz sicher sein kann, was sie antreibt. Man sieht diesen Mann bei seinem unmoralischen Tun zu, man sieht, wie er die Leiche seiner Geliebten vergräbt, wie er versucht, sich bei den Ermittlungen gegen sich selbst nicht zu verraten. Man wird auch Augenzeuge von Situationen, in denen ihm Hinweise auf den Mord zugespielt werden, das Armband der Toten, eine Packung Schlaftabletten (Vesna wurde betäubt) oder eine nackte, be-schmutzte Barbie mit Krawatte um den Hals. Was Brenner indes über eine Filmhälfte lang nicht macht: sich einem anderen – weder seiner Frau noch seiner Chefin – zu erklären.
Ist dieser Kommissar also ein Mörder? Oder wird ihm heimtückisch mitgespielt? Wenn ja, warum sagt er nicht die Wahrheit? Oder leidet er unter Amnesie, was die Mordnacht angeht? Diese Fragen werden dem Zuschauer zunächst nicht beantwortet. Er muss sich die Motive für Brenners Handeln selber zusammenreimen, er kann sie nur erahnen. Diese „Beteiligung“ des Zuschauers am dargestellten Geschehen erhöht deutlich die Spannung. Und weil die Handlung auf Reduktion setzt, stehen für den Zuschauer, der Zeit findet, das Gezeigte zu hinterfragen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, von Anfang an alle Figuren auf dem Prüfstand, selbst Brenners anfangs wohlwollende Chefin oder die Mitarbeiterin mit dem durchdringenden Blick. Man fragt sich auch, weshalb es in der Eingangsszene mehr um Brenners Ehefrau als um ihn geht. Könnte also hinter allem vielleicht ein politischer Komplott stecken?
Foto: ZDF / Marc Meyerbröker
Um dem Zuschauer nicht die Spannung dieses Thrillers zu nehmen, muss die kritische Würdigung des außerordentlich gut erzählten ZDF-Fernsehfilms etwas unkonkreter, abstrakter und analytischer als gewöhnlich ausfallen.
Dramaturgisch spannend ist es natürlich, dass Brenner – egal, ob Mörder oder nicht – ein moralisch zweifelhafter Protagonist ist. Und so hat denn auch Regisseur Ed Herzog (alle „Eberhofer-Krimis“) besonders die Frage gereizt, „wie weit der Zuschauer bereit ist, mit einer Hauptfigur mitzugehen, wenn dessen Handeln die Grenzen der Moral weit überschreitet“. Sehr weit, muss die Antwort heißen bei einem Hauptdarsteller wie Benjamin Sadler. Da der Film ausschließlich aus der Perspektive seiner Figur erzählt wird, macht man sich als Zuschauer mit ihm zwangsläufig gemein, hält aber doch eine gewisse Distanz zu diesem treulosen Leichenverscharrer. „Mit einer zutiefst ambivalenten Hauptfigur bricht das Fernsehstück mit allen Konventionen klassischer TV-Ermittler“, heißt es in der Jury-Begründung zum Bernd-Burgemeister-Fernsehpreis überaus treffend. „Ein verhängnisvoller Plan“ erhielt bereits vor der TV-Ausstrahlung diesen renommierten Produzentenpreis beim Filmfest München. Offenbar wollte man sich hier, nachdem man jahrelang zeitgeschichtlich „wertvolle“ öffentlich-rechtlichen TV-Dramen ausgezeichnet hatte, jetzt den Genres, die im internationalen Serienboom gefragt sind, zuwenden, um nicht den Anschluss an den Weltmarkt zu verlieren. Und am Ende ist die Formulierung, die vor der Sichtung des Films eine gewisse Skepsis hervorrief, „ein deutscher Fernsehtriller auf Weltniveau“, gar nicht so abwegig, sieht doch dieser Thriller aus wie die auf 90 Minuten komprimierte Fassung einer Mini-Serie, die die Amerikaner oder Briten – mit entsprechend ein paar Nebenplots und einer tieferen Auslotung der Charaktere – wohl aus diesem Stoff gemacht hätten. Der ZDF-Thriller ist ein gutes Beispiel dafür, dass manchmal auch die Essenz ausreicht, ja sogar das rundere Format sein kann, vor allem für Zuschauer, die mit ihren Zeitreserven achtsam umgehen.
Foto: ZDF / Marc Meyerbröker
Bei Thrillern Bezüge zu Hitchcock herzustellen gehört zum guten Kritikerton. In diesem Fall ist ein Verweis tatsächlich angebracht. Schon allein das vordergründig Erzählte hätte dem Meister des Suspense sicherlich gefallen: ein Polizist, der zum Täter wird, ein Professional, der sein Wissen über das Verbrechen missbraucht und sich schuldig macht, die Möglichkeit eines unsichtbaren allmächtigen Dritten. Hitchcock-like sind Rollen- und Perspektivwechsel sowie doppeldeutige Narrationen, die den Geschichten eine Vielschichtigkeit geben, die man erkennen kann, aber nicht muss. Man kann sich auch allein an den vordergründigen Spannungsmomenten erfreuen. Ähnliches gilt für „Ein verhängnisvoller Plan“. Für die „Identifikation“ mit Sadlers Figur ist es wichtig, dass so vieles in dessen Brust wohnt: Jan Brenner ist mal souverän, dann wirkt er ohnmächtig, erst agiert er, dann muss er reagieren, er ist liebender Ehemann und Vater zweier wohlgeratender Kinder, vergisst zwischendurch aber seine familiäre Verantwortung und betrügt seine Frau, er ist Täter, er ist Opfer. Die Handlung unterzieht ihn ständig einer Revision. Charakter & Plot sind dicht miteinander verzahnt: eine weitere Qualität dieses Ausnahmethrillers. Selbst Nebenfiguren werden mit verschiedenen Rollenbildern belegt. So ist die Ermordete zunächst eine attraktive Journalistin, die für eine gute Story die Waffen einer Frau einsetzt und vor Erpressung nicht zurückschreckt. Nachdem sie tot ist, wird sich ihr Bild verändern: von der „Drama-Queen“ zur leidenschaftlichen investigativen Journalistin. Und noch eine Nebenfigur wird ihr Gesicht ganz entscheidend verändern… Während Brenners Charakter im Laufe der Handlung immer kompletter wird, gibt es auch Szenen, in denen durch einen Perspektivwechsel die Wahrheit ans Licht kommt: So rettet Hagen-Brenner in der ersten Szene, eine Vorschau auf das, was den Zuschauer in Kürze erwarten wird, ihren Ehemann vor einer Peinlichkeit, indem sie die an ihn gerichtete Interviewfrage, „Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?“, nach einer langen Pause selbst beantwortet: „Wir lieben und respektieren einander.“ Diese Szene wird später im Film mit einer anderen Kameraposition aufgelöst, bei der Brenners Mimik (plus das Mehr-Wissen über diese Figur) den Satz noch deutlicher als Lüge entlarvt. Ein endgültiges moralisches Urteil über diesen Charakter wird man erst ganz am Ende fällen können.