Tatort – Die Unmöglichkeit, sich den Tod vorzustellen

Raacke, Aljinovic, Eichhorn, Hobmeier, Preuß, Langmaack & die Mysterien des Todes

Foto: RBB / Hans-Joachim Pfeiffer
Foto Rainer Tittelbach

Der Berliner „Tatort“ startet durch. Nach der originellen Hitchcock-Reminiszenz begeben sich Ritter und Stark ins Kunst-Milieu. Der Mythos vom leidenschaftlichen Künstler wird nicht lange bemüht. Max von Thun liegt bald wie ein Kunstobjekt am Tatort: ein toter Fisch in Aspik. Ein großartig besetzter Film, kriminalistisch und vor allem ästhetisch spannend, voller kleiner, tiefer Wahrheiten und mit zwei nachdenklichen Kommissaren ohne Buddy-Pose.

Wie ein Berserker springt Hanns Helge durch seine neueste Installation. Farbe, Blut, ein Kran, ein Bett, eine schöne Frau – dazu scheucht er seine Galeristin und seinen Assistenten durch den Ausstellungsraum. Ein paar Stunden später ist „der teuerste deutsche Künstler unter 40“ tot. Von der eigenen Kunst erschlagen. Bei dem Geld, das im Spiel ist, sicherlich kein Arbeitsunfall. Oder war es vielleicht Selbstmord? Helge war von Todessehnsucht getrieben, war fasziniert von der physischen Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung der Lebenden. Wollte er endlich eintauchen in das große Mysterium? Oder ist es eine Beziehungstat? Aber keiner will den Egomanen näher gekannt haben. Kommissar Ritter fühlt sich unwohl in der Künstlerszene. Er hat andere Sorgen. Sein Onkel hat sich umgebracht, ist aus dem Leben geschieden, wie er gelebt hat: still & ordentlich. Ritter plagen Schuldgefühle, während Kollege Stark ganz andere Gefühle entwickelt: Die Galeristin hat es ihm angetan. Ihre Locken locken.

Tatort – Die Unmöglichkeit, sich den Tod vorzustellenFoto: RBB / Hans-Joachim Pfeiffer
Patty (Josefine Preuß), die Muse des Künstlers, in Erwartung der Vernissage. Im Hintergrund: Karoline Eichhorn und Max von Thun

Der Berliner „Tatort“ startet durch. Nach der originellen Hitchcock-Reminiszenz begeben sich Ritter & Stark dieses Mal ins Kunstmilieu. Der Mythos vom leidenschaftlichen Künstler wird nicht lange bemüht. Max von Thun liegt bald wie ein Kunstobjekt am Tatort – wie ein toter Fisch in Aspik. Für die weiblichen Fans des Schauspielers sei angemerkt, dass er in Form von Videoeinspielungen noch länger durch den Film geistert. Die Einheit von Tatort und Kunstwerk sorgt für einige launige Repliken zwischen Kriminaltechnik und Kunstbetrieb. Die Kommissare sind wie schon beim letzten Fall mit Ernsthaftigkeit bei der Sache. Mit dem Buddy-Unwesen hat es also langsam ein Ende im Berliner „Tatort“. Die Parallelgeschichte um den Freitod des alten Mannes, in der Ritter der Einsamkeit seines Onkels nachrecherchiert, fügt sich nahtlos in den atmosphärestarken Krimi ein. Schön zu sehen, wie der Film mit dem Tod des Künstlers seine Tonlage verändert. Die Überdrehtheit, das Manische, das Extrovertierte schwindet, bei aller Trauer fällt etwas von den Menschen ab, die sich in Abhängigkeit vom Toten befanden, eine Last, eine Fremdbestimmtheit. Und trotzdem macht dieser konzentrierte Krimi über den Tod aus dem narzisstischen Künstler kein MonstrumSolche kleinen, tiefen Wahrheiten erzählen Krimis im Fernsehen selten. Auch die Darsteller agieren klar im Ausdruck & sind doch mehr als Funktionsträger: Josefine Preuß hat sich hübsch verkleidet als vampireske Muse, Karoline Eichhorn macht auf Lockenköpfchen à la Schygulla und flirtet mit dem kleinen Kommissar in Großaufnahme und Brigitte Hobmeier lächelt viel und gibt eine Heilige-Maria-Ikone von magischer Reinheit. Aus all dem entsteht – passend zum Kunstmilieu – ein Film von einer hohen ästhetischen Spannung, bei dem man aber durchaus auch gespannt darauf ist, wer denn den Künstler platt gemacht hat.

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Reihe

rbb

Mit Dominic Raacke, Boris Aljinovic, Karoline Eichhorn, Brigitte Hobmeier, Josefine Preuß, Bernhard Schütz und Max von Thun

Soundtrack: Imogen Heap

Produktionsfirma: X Filme Creative Pool

Drehbuch: Beate Langmaack

Regie: Christine Hartmann

Quote: 7,62 Mio. Zuschauer (21,2% MA)

EA: 26.09.2010 20:15 Uhr | ARD

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach