Ruth und Peter Fichter haben mit ihrem „Engelchen“ Sandra in einem Freizeitpark eingecheckt. Am Abend geht das Ehepaar allein zum Essen. Wenig später ist das siebenjährige Mädchen verschwunden. Am nächsten Morgen findet man es tot auf dem Gelände. Das Mädchen ist erstickt worden. Die ersten Ermittlungen von Odenthal und Kopper ergeben wenig Brauchbares. Auch die Fichters können kaum weiterhelfen: die Frau wirkt seltsam abwesend, der Mann ist schroff und abweisend. Zunächst rücken zwei Verdächtige in den Fokus: ein wegen sexuellen Missbrauchs Vorbestrafter und ein Anwalt, der einen Tag vor seiner Hochzeit in dem Freizeitparkhotel abstieg. Doch dann verstrickt sich Ruth Fichter mehr und mehr in Widersprüche, sodass Odenthal nicht anders kann und sie verdächtigen muss.
Eine Mutter, der das Gedächtnis zu fehlen scheint, ein Vater, der den Tod seines Lieblings nicht akzeptieren kann und zwanghaft immer wieder den Ort des Verbrechens aufsucht, ein pädophil Veranlagter, dem die Polizei sein Leben zu zerstören droht – es gibt etliche Protagonisten im „Tatort“ aus dem Südwesten, die seelischen Beistand bitter nötig haben. So gut es eben geht, wenn man sich auf Mördersuche befindet, gibt Lena Odenthal die Trösterin, die allerdings ganz genau zuhört, was sich ihr da zwischen den Zeilen so alles offenbart. Sie selbst sondert weniger Weltbewegendes ab. Autor Harald Göckeritz hat sie zunächst dazu auserwählt, laut zu denken – sprich: die Faktenlage zu rekapitulieren. Der Krimi-Unerfahrene mag es ihr danken, für alle anderen heißt es, ein Mal kurz tief durchatmen oder weghören.
Auch sonst ist „Der Schrei“ ein Krimi, der vor allem Fragen aufwirft, der alles ein bisschen „strange“ macht, damit er sich mit drei bis vier Verdächtigen über die 90 Minuten retten kann, ohne dass Langeweile aufkommt. In diesem „Tatort“ hat man es mehr oder weniger nur mit Nebelkerzen und mit Emotionssignalen für den Zuschauer zu tun (immer wieder taucht das tote Kind in der gestörten Wahrnehmung seiner Mutter auf) als mit echten menschlichen Dramen, an denen sich Anteil nehmen ließe. Das macht ihn nicht automatisch zu einem schlechten Film, aber es macht ihn zu einem „Blender“. Spätestens die Auflösung des Falls macht es deutlich. Viel Gewese („brisante“ Themen, ein bisweilen protziges Sounddesign, laute Psychoflashs) um recht wenig. Dann hat man es ja auch schon fast geschafft – und sich doch auch ganz gut bei diesem recht ansprechend inszenierten „Tatort“ unterhalten.
Foto: SWR / Krause-Burberg