Die Erkenntnis ist nicht neu, aber immer wieder erwähnenswert: Zeigen ARD oder ZDF eine Dokumentation über ein brisantes Thema, schauen sich das ein oder zwei Millionen Menschen an. Verpackt man das Sujet als Krimi in einer Reihe wie „Tatort“ oder „Stubbe“, erreicht man im Optimalfall knapp neun Millionen. So viele waren es beim letzten „Stubbe“ im Januar 2012; fast jeder dritte Zuschauer hat den Film eingeschaltet. Die enorme Beliebtheit der Samstagskrimis hat viel damit zu tun, dass sie Geschichten aus dem Leben präsentieren, und das gilt nicht nur für die familiäre Ebene, sondern auch für die Fälle.
„Gefährliches Spiel“ erzählt von jungen Mädchen, die sich allzu freizügig auf der Website des Flirtportals „Knuffelzone“ präsentieren. Gerade für Eltern kann das von großem Interesse sein, schließlich wissen sie in der Regel nicht, was ihre Kinder im Internet treiben. Wer sich ein wenig mit der Materie auskennt, der ahnt, welche Flirt-Angebote Markus Stromiedel im Kopf hatte, als er sein Drehbuch schrieb; auch beim ZDF macht man keinerlei Hehl daraus, dass der „Stubbe“-Film ein Anliegen hat. Trotzdem trägt er das Thema nicht vor sich her. Besonders berührt ist man naturgemäß trotzdem, erst recht, wenn man weiß, wie unbefangen und naiv Jugendliche persönliche Daten und intime Fotos preisgeben.
Stromiedel, der auch Jugendromane schreibt, geht äußerst behutsam mit dem Thema um und nähert sich ihm gewissermaßen auf Umwegen: Eine aufreizend gekleidete Schülerin wird tot in einem Hotelzimmer gefunden. Dank ihres Laptops stoßen die Ermittler bald auf die Flirt-Website. Hier tummelt sich auch die beste Freundin des Mädchens, Vanessa (Mascha Gebhardt), und schließlich stellt sich raus, dass beide hinter dem gleichen deutlich älteren Mann her waren, einem Vertreter (Arnd Klawitter), der sich im Internet „Postman“ nennt. Die serienerfahrene Regisseurin Frauke Thielecke, die bei „Stubbe“ ihr Langfilmdebüt feierte, inszeniert den Film ausgesprochen ruhig, fast gelassen. Man merkt der Regie an, dass alle Beteiligten tunlichst vermeiden wollten, womöglichem Voyeurismus Vorschub zu leisten. Für die emotionale Anteilnahme sorgt ohnehin der Hauptdarsteller. Die mittlerweile 17 Jahre alte Reihe ist ja längst so etwas wie eine langlaufende Familienserie, weil die Ereignisse im Hause Stubbe stets nicht weniger wichtig sind als die zu lösenden Fälle. Deshalb genügen Wolfgang Stumph, ohnehin kein Mann der großen Gesten, auch Nuancen, um zu vermitteln, wie es um Stubbe steht. Selbstredend geht ihm als Vater der Tod des Mädchens besonders nahe. Stromiedel und Thielecke gebührt schon allein Lob dafür, dass sie zeigen, wie schwer es Stubbe und seinem Partner Zimmermann fällt, der Mutter die Todesnachricht zu überbringen.

Ungleich besser als in anderen Langlaufreihen (etwa „Bloch“) ist auch die Integration der privaten Erzählebene gelungen, zumal die Ereignisse im Haus hinterm Deich gleichfalls dazu beitragen, dass Vater Stubbe etwas durch den Wind ist: Tante Charlotte (Margret Homeyer) ist in eine Alten-WG gezogen; dafür ist Tochter Chrissie (Stephanie Stumph), die ihr erstes Baby verloren hat, wieder schwanger. Sehr hübsch sind auch beiläufig eingestreuten Details am Rand: wie sich der Sachse Stubbe freut, als er einen Landsmann trifft; oder wie sich die Kollegen des passionierten Radfahrers regelmäßig um sein Fahrrad kümmern. Angesichts des angekündigten Endes der Reihe sollte man ohnehin jede „Stubbe“-Minute genießen…