Das Bessere ist des Guten Feind, und das liegt in diesem Fall kurioserweise auch am Hauptdarsteller; dabei ist Michael Fitz einer der Gründe, diesen Film zu empfehlen. Aber weil der Münchener nicht aus seiner Haut kann, erinnert der Titelheld des zweiten „Hattinger“-Films nicht nur biografisch frappierend an Hubert Mur, den bayerischen Kommissar in der neuen österreichisch-deutschen ZDF-Krimireihe „Die Toten von Salzburg“: beide Männer alleinstehend, beide tendenziell unleidlich, beide ermitteln in der oberbayerischen Provinz; mit ihren Jeep-artigen Geländewagen fahren sie sogar ähnliche Autos.
Da es grundsätzlich Spaß macht, Fitz zuschauen, wären diese Parallelen zu vernachlässigen, gäbe es nicht ein größeres Manko: Der Film entwickelt viel zu wenig innere Spannung. Richtig interessant wird „Hattinger und der Nebel“ erst nach gut einer Stunde, wenn die Geschichte „Basic Instinct“-Dimensionen annimmt, weshalb man leider auch ahnt, welche Enttäuschung Hattinger noch bevorsteht. Seinem Titel wiederum wird der Krimi nur zu Beginn gerecht, als Kameramann Andreas Doub die schöne herbstliche Landschaft rund um den Chiemsee dank seiner Nebelbilder düster und bedrohlich erscheinen lässt. Dazu passt auch der Auftakt der Handlung: Immobilienmakler Kammler ist in seinem Büro damit beschäftigt, Papiere zu schreddern und bündelweise Geldscheine in seinen Tresor zu packen, als er niedergeschlagen wird. Kurz drauf stirbt er einen grausamen Tod in der Kfz-Werkstatt seiner Schwester Ursula (Anna Maria Sturm). Auch dank der Mithilfe von Kammlers attraktiver Buchhalterin Sarah (Jessica Schwarzer), an der Hattinger recht bald Gefallen findet, brauchen der Kommissar und sein Team Erhard & Bamberger (Bettina Mittendorfer, Gerhard Wittmann) am nächsten Tag nicht lange, um herauszufinden, dass der Mann sein Vermögen mit miesen Geschäften gemacht hat: Wenn in der Region ein Hausbesitzer in Zahlungsschwierigkeiten geriet, hat der Makler von seinem Spezi bei der Bank einen Tipp bekommen und den Menschen Haus und Grund für einen Spottpreis abgekauft; die zusätzlich versprochene Schwarzgeldzahlung ist nie erfolgt. Also verhaften die Polizisten kurzerhand Kammlers letztes Opfer (Lambert Hamel) sowie seinen Bankkomplizen (Hary Prinz). Ursula hat jedoch in der Mordnacht vor dem Haus ein Auto mit Trauerflor an der Antenne gesehen. Diesen Wagen findet sie nun auf dem Hof ihres Ex-Freundes Beni (David Zimmerschied), der seit einem Unfall, bei dem sein Bruder durch die Schuld eines flüchtenden Autofahrers starb und er selbst schwer verletzt wurde, „ein bisschen komisch“ ist. Die Entdeckung kostet sie das Leben. Beni gesteht auch den Mord an Kammler, den er für den Unfall verantwortlich macht. Der Fall ist damit jedoch keineswegs gelöst; endlich wird die Geschichte kompliziert.

Die Romanvorlage stammt von Thomas Bogenberger, die Adaption besorgte dieses Mal André Georgi („Schweigeminute“). Während „Hattinger und die kalte Hand“ von Hans Steinbichler inszeniert worden ist, lag die Regie nun bei Viviane Andereggen, die mit der Tragikomödie „Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut“ (2015) für ein famoses Debüt gesorgt hat. Natürlich lassen sich die beiden Arbeiten schon allein wegen der völlig unterschiedlichen Genres nur schwer miteinander vergleichen, aber „Simon…“ ist ein in jeder Hinsicht ungewöhnlicher Film. Der zweite „Hattinger“ reiht sich jedoch im Vergleich zur TV-Premiere des Ermittlers ins übliche Krimi-Niveau ein. Das Handwerk ist solide, aber derart unauffällig, dass eine Parallelmontage optisch bereits ins Gewicht fällt. Ein echtes Kinobild ist allerdings eine Einstellung, in der sich ein Gesicht in einem Fleischermesser spiegelt. Sehenswert ist auch die Führung der Darsteller, zumal gerade die sich anbahnende Liebschaft zwischen dem Kommissar und der Buchhalterin schön erzählt und gespielt ist. Für die Szenen mit Hattinger und seiner erwachsenen Tochter Lena (Hanna Plaß) gilt das nicht minder. Allerdings verliert sich der Film immer wieder in episodisch eingefügte Nebenschauplätze, die nett anzuschauen sind, aber weder der Wahrheitsfindung dienen noch den Handlungsfluss beschleunigen, allen voran Bambergers Eheprobleme oder Lenas Besuche bei einem zweifelhaften Therapeuten.
Trotzdem belegen diese Momente Andereggens Talent in der Arbeit mit den Schauspielern; bestes Beispiel dafür sind die kleinen Gesten, mit denen deutlich wird, wie angetan Hattingers junger Kollege Wildmann von einer hübschen Zeugin (Natalia Rudziewicz) ist. Golo Euler sorgt ohnehin für einige komödiantische Kleinodien: Die Zeugin will er mit einem kleinen Zaubertrick beeindrucken, in der Bank setzt er seine Füße in die Fußspuren, die zu Werbezwecken auf den Boden geklebt sind. Umso unerfindlicher, dass Hattinger ihn regelmäßig abkanzelt. Davon abgesehen hat der Kommissar vom ersten zum zweiten Film deutlich sympathischere Züge bekommen; vielleicht, um ihn stärker vom Grantler Mur aus der „Salzburg“-Reihe abzuheben. Andererseits muss er natürlich auch liebenswert sein, sonst wäre die Romanze mit der Buchhalterin nicht plausibel; auch wenn Krimifreunde wissen, dass es nur selten gut endet, wenn sich Polizisten verlieben. Der letzte Akt ist mit seinen überraschenden Wendungen ohnehin raffiniert eingefädelt. Allerdings bleibt der Film die Antwort schuldig, wer denn nun den Bruder von Beni auf dem Gewissen hat.