Tatort – Söhne und Väter

Devid Striesow – als Saarland-Kommissar Stellbrück endlich auf dem richtigen Weg

Foto: SR / Manuela Meyer
Foto Volker Bergmeister

Eine gut gebaute, nicht überfrachtete Geschichte mit Wendungen und Überraschungen, ein Kommissar, der nicht mehr verkrampft anders sein will, ohne auf einen individuellen Ermittlungsstil zu verzichten, eine Reihen-Figur, die endlich angekommen scheint: Der Saarbrücker „Tatort – Söhne und Väter“ ist ein Krimi der eher konventionellen Art, aber klar inszeniert und mit einem stimmigen und stringent durchgezogenen Leitthema: Söhne und Väter – darüber kann man viel erzählen. Dies bringt einem auch den Kommissar näher.

Spektakulärer Einstieg: Die Schüler Karim (Emilio Sakraya), Pascal (Emil Reinke) und Enno (Filip Januchowski) brechen nachts in einem Beerdigungsinstitut ein und treiben ihr Unwesen mit einer Leiche. Es handelt sich um ihren toten Lehrer Dirk Rebmann, Ex-Leistungssportler und Gewinner einer Tour de France-Etappe. Sie stecken ihm ein Ringelschwänzchen zwischen die Pobacken und filmen den Vorgang. Der total betrunkene Enno schläft auf einer Rollbahre ein, seine Kumpels lassen ihn liegen. Tags darauf ist Enno tot  – erfroren in der Kühlkammer. Als Hauptkommissar Jens Stellbrink (Devid Striesow) sich am Tatort auch die geschändete Leiche des toten Radprofis genauer ansieht, entdeckt er Symptome einer Vergiftung. Dabei lautet da die Todesursache: Herz-Kreislauf-Versagen. Und so muss er mit seinem Kolleginnen Lisa Marx (Elisabeth Brück) und Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider) gleich in zwei Mordfällen ermitteln. Unter Verdacht geraten nicht nur die beteiligten Teenager Karim und Pascal, sondern auch der Sternekoch Jean Carlino (Jophi Ries), der auffallend stark um das Wohl Karims besorgt ist. Dessen Stiefvater ist der ermordete Rebmann.

Problematische Vater-Sohn-Konstellationen sind das Leitmotiv des Films. Da ist Karim, der seinen nur leistungsorientierten Stiefvater gehasst hat, da ist Enno, der von seinem Vater geprügelt wird, Trost im Alkohol sucht und auf Veranlassung seines Lehrers Rebmann von der Schule geflogen ist. Da ist Pascal, dessen Vater unter der Fuchtel seiner Frau steht und seinem Sohn nicht einmal beistehen kann, wenn die Mutter mit der Flinte das Motorrad des Jungen in die Luft jagt („Renate, das ist unverhältnismäßig“). Diese Familie muss auch für den lokalen Bezug des „Tatort“ zum Saarland sorgen. Hier wird (noch) Dialekt gesprochen und die Chefin einer Metzgerei symbolisiert die kleinbürgerliche, nach außen orientierte Welt („Wenn man sein Geld mit Schweinefleisch verdient, dann ist ein guter Ruf alles“). Und da ist schließlich Kommissar Stellbrink, der von seinem Teenager-Sohn Moritz (Ludwig Simon) nach Jahren Besuch bekommt und versucht, Nähe zu ihm aufzubauen. Nebenher chattet der Ermittler privat als „Meerkatze“ im Internet und sucht unter dem Motto „Wild auf Bikes“ als passionierter Rollerfahrer eine heiße Braut; das wirkt bemüht und ist von mäßigem Witz.

Tatort – Söhne und VäterFoto: SR / Manuela Meyer
Lehrstunde im Austernöffnen. „Söhne und Väter“ hat so seine Momente. Dieser mit dem Kommissar (Devid Striesow) & dem Koch (Jophi Ries) gehört zu den stärksten.

Seit seinem Debüt als „Tatort“-Kommissar vor fast vier Jahren leidet man mit Devid Striesow als Stellbrink, weil man in Saarbrücken von Beginn an zu viel wollte: eine schräge Figur schaffen, die auf ganz eigentümliche Art die Fälle löst. Doch begleitet von einem erst nur holprig und später langweilig agierenden Team und zum Teil entsetzlich verbauten Drehbüchern hatte Striesow, der zweifelsohne zu den besten und spannendsten deutschen Schauspielern zählt, hier bisher kaum eine echte Chance, zu brillieren. Zuletzt ist man mehr auf dem Boden geblieben, das tut der Entwicklung sichtlich gut. „Der „Tatort – Söhne und Väter“, geschrieben von Michael Vershinin (Autor der beiden „Usedom“-Krimis „Engelmacher“ und „Schandfleck“) und Zoltan Spirandelli, der nach den beiden Folgen „Weihnachtsgeld“ und „Totenstille“ auch hier wieder Regie führt, erzählt eine klassische Krimi-Geschichte. Der Zuschauer folgt den Ermittlungen fast parallel, ist kaum auf einem anderen Wissensstand als der Kommissar. Spirandelli hat die Story sehr nüchtern und routiniert umgesetzt, verzichtet auf Mätzchen bei der Inszenierung (sieht man mal von der aufgrund der Figurenzeichnung unglaubwürdigen Wildwest-Aktion der schießwütigen Mutter ab). Der Film nimmt sich Zeit, hat sehr schöne, intensive Momente – etwa das Gespräch zwischen Stellbrink und dem Sternekoch, der dem Kommissar dabei nebenher zeigt, wie man Austern öffnet („Die sind aus Bordeaux, die besten“). Jophi Ries als Jean Carlino setzt in einem funktionierenden und eher unauffällig agierenden Ensemble einen besonderen Akzent.

Jens Stellbrink scheint jetzt angekommen zu sein in Saarbrücken. Er muss nicht mehr verkrampft anders sein. Und das wird ihm auch nicht mehr von außen durch die Story vorgegeben. Striesow spielt das Anderssein… und das sehr gut. Und dieser Stellbrink ist jetzt deutlich geerdeter, ohne auf seinen ganz eigenen Ermittlungsstil verzichten zu müssen. Das zeigt beispielsweise die Szene, wenn er bei Pascal zu Hause auftaucht, der nicht öffnen will, der Kommissar laut rufend seine Fragen stellt, dass die Nachbarn schon aufmerksam werden, und so der Junge aus Angst um den Ruf doch die Tür öffnet. Und die Balance zwischen privatem und beruflichem Leben des Kommissars stimmt diesmal, sie ergibt sich auch aus dem Leitmotiv. Die Vater-Sohn-Geschichte der Stellbrinks fügt sich gut ein, wirkt keineswegs aufgesetzt. Diese Gefahr besteht ja immer, wenn man versucht, die Krimigeschichte im Privatleben des Kommissars zu spiegeln. Gut gebaut, nicht überfrachtet, mit guten Wendungen und Überraschungen, der „Tatort – Söhne und Väter“ ist ein Krimi der eher konventionellen Art, aber klar und stringent inszeniert. Und die Geschichte greift: Väter und Söhne, Söhne und Väter – darüber kann man viel erzählen. (Text-Stand: 26.12.2016)

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SR

Mit Devid Striesow, Elisabeth Brück, Sandra Maren Schneider, Hartmut Volle, Emilio Sakraya, Jophi Ries, Sanne Schnapp, Emil Reinke, Marie Bendig, Christine Zart

Kamera: Wolf Siegelmann

Szenenbild: Bärbel Menzel

Schnitt: Magdolna Rokob

Produktionsfirma: ProSaar Medienproduktion

Drehbuch: Michael Vershinin, Zoltan Spirandelli

Regie: Zoltan Spirandelli

Quote: 9,65 Mio. Zuschauer (26,2% MA); Wh. (2019): 5,15 Mio. (15,5% MA)

EA: 01.01.2017 20:15 Uhr | ARD

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