Die Frankfurter Skyline liegt im abendlichen Dunst. Einem aus der Beletage wird es an den Kragen gehen im neuen HR-„Tatort“. Der kleine Angestellte Rolf H. sieht sich an den Rand seiner Existenz gedrängt. Er benötigt dringend Geld für eine Therapie seines autistischen Sohns. In seiner Verzweiflung spricht er beim steinreichen Kunst-Mäzen Reinhard Staupen vor. Rolf H.’s Ahnenforschungen haben ergeben, dass sich die Stammbäume der beiden Familien im Mittelalter gekreuzt haben. Die Staupens haben seine Vorfahren übervorteilt. Ein Anruf von Staupen bei dessen Stiftung und der Junge würde in ein wichtiges therapeutisches Förderprogramm aufgenommen werden. Rolf H. bittet, wird verhöhnt, sein Kind widerwärtig beleidigt. Sekunden später schleudert er einen Morgenstern in den Rücken des Schlossherren.
Foto: HR / Bettina Müller
„Sie haben mir den größten Gefallen getan“, strahlt Staupens Sohn Balthasar. Die Überwachungs-DVD des Mordabends hat er an sich genommen und auch den Morgenstern vorsichtshalber eingesteckt. Der junge Mann hat noch andere Pläne mit Rolf H., der sich als Rolf im Glück wieder findet. „Ich möchte für meine Tat nicht belohnt werden“, sagt er. Ohne die Verantwortung für seinen Sohn hätte er sich längst gestellt. Und nun wird er befördert, hübsche Therapeutinnen kümmern sich um den Sohn und seine Kollegin mobbt ihn nicht mehr, sondern will mit ihm ins Bett. Balthasar macht’s möglich. Doch dafür wird abermals Blut fließen. Das Blut der Staupens. Will dieser junge Mann die Schuld seiner Vorfahren abtragen? Ist es pure Rache? Ist es der Überdruss an einem Leben, das ihm ein verhasster Mensch geschenkt hat? Oder trägt auch er das Gen des großen Manipulators in sich
„Wir opfern und benutzen Menschen, wie wir wollen“, sagt der entwurzelte Millionärssohn. Er scheint es ernst zu meinen. Keine Spielchen mehr. Spielchen dafür im Polizeipräsidium. Sänger und Dellwo ergehen sich in Ego-Trips – und kommen deshalb nicht weit bei ihren Ermittlungen. Gier und Selbstsucht, Hitchcock und Highsmith, Bob Dylan singt und der klassische „Tatort“-Whodunit wird auf den Müllhaufen der Fernsehgeschichte befördert. „Weil sie böse sind“ ist eine blutige Räuberpistole, ist trotz des Rousseau-Mottos „Wir hassen die Bösen nicht, weil sie uns schaden, sondern weil sie böse sind“ mehr Krimi-Märchen über einen, der von Grund auf gut ist und den die Bösen infizieren, als ein ernsthafter moralischer Diskurs. Man sollte den Fernsehrealismus und das Wörtchen „Glaubwürdigkeit“ für 90 Minuten vergessen – dann wird dieser „Tatort“ zu einem packenden Krimi-Erlebnis. Mit seinen überraschenden Wendungen und aberwitzigen Situationen, mit Milan Peschel als kleinlautem Mörder und Matthias Schweighöfer als großspurigem Racheengel hat er das Zeug zum Kultkrimi, an den man sich sehr viel länger als an andere „Tatorte“ erinnern wird.