Auf den ersten Blick kann es nicht besonders schwer sein, Drehbücher für die ZDF-Sonntagsreihen „Inga Lindström“ und „Rosamunde Pilcher“ zu schreiben, schließlich funktionieren die Liebesgeschichten meist nach einem ähnlichen Muster. Zentrale Figur ist stets eine Frau, die sich in jedem zweiten Film zwischen zwei Männern entscheiden muss. Der erste ist dabei oft der Ex-Freund oder -Verlobte, den zweiten lernt sie „zufällig“ zu Beginn der Handlung kennen. Diese Begegnung findet regelmäßig auf der Straße statt, mit Vorliebe beim Streit um einen Parkplatz. Natürlich haben beide in diesem Moment keine Ahnung, dass sich ihre Lebenswege kurz drauf erneut kreuzen werden. Sind sie sich nach dem Austausch von allerlei Kratzbürstigkeiten nähergekommen, meldet unter Garantie der Ex alte Ansprüche an, weil seine neue Lebensgefährtin mittlerweile ihren Reiz verloren hat.
Die Herausforderung für Autorinnen und Autoren besteht nun darin, dieses Muster möglichst abwechslungsreich zu variieren. Die Stammzuschauerinnen wissen natürlich, dass ihnen immer wieder die gleiche Geschichte verkauft wird, aber das ist offenbar egal; die Umsetzung mit ihren schönen Schmuckbildern von Landschaft und Meer orientiert sich ja ebenfalls an festen Parametern. Immerhin hat sich „Herzkino“-Regisseurin Stefanie Sycholt, die ihre Drehbücher oft selbst schreibt, für den Lindström-Film „Familienfest in Sommerby“ eine halbwegs originelle Variation ausgedacht: Die kleine Milla (Helena Zingel) hat nach einem Fahrradunfall im Koma gelegen. Nun ist sie wieder wach, hat aber einen Teil ihres Gedächtnisses verloren: Das letzte Jahr ist wie ausgelöscht. In diesen zwölf Monaten ist jedoch viel passiert: Mutter Tilda (Jessica Ginkel), eine Fotografin, hat das beschauliche Sommerby und damit auch ihren Mann Robbie (Florian Thunemann) verlassen und ist mit Milla nach Stockholm gezogen; ihre Eltern Nora und Johan (Ulrike Krumbiegel, Max Herbrechter) haben sich ebenfalls getrennt. Um dem Mädchen eine sanfte Rückkehr ins Leben zu ermöglichen, beschließt Tilda, die Zeit zurückzudrehen: Alle Beteiligten sollen so tun, als hätte es das letzte Jahr nicht gegeben. Das ist gar nicht so einfach, denn Robbie ist mittlerweile mit Tildas bester Freundin Astrid (Julia Malik) liiert, und die hat die begründete Furcht, dass das Ex-Paar wieder zueinander finden könnte. Außerdem hat Tildas Vater das gemeinsame Haus verkauft, der neue Besitzer ist kurz davor einzuziehen. Selbstredend handelt es sich dabei um jenen Mann, mit dem Tilda auf dem Weg nach Sommerby aneinander geraten ist, weshalb der Begrüßungssatz „Das ist ja eine Überraschung“ unfreiwillig komisch klingt. Lasse (Ben Ruedinger) entpuppt sich als der neue Landarzt von Sommerby, er hat zuletzt einige Jahre in Uganda gelebt und dort den kleinen Waisenjungen Sibu (Lithemba Maier) adoptiert. Der Arzt ist zwar kein Romantiker, aber ein interessanter Typ, was auch Tilda nicht entgeht, und zum Glück bereit, bei der Scharade mitzuspielen.
Soundtrack: Villagers („Nothing Arrived”), Dean Martin („Memories Are Made Of This”), Lady Gaga („I’ll Never Love Again”), Katie Melua („I Cried For You”), Pink Martini („Splendour In the Grass”, Sarah McLachlan („Answer”), Pink Martini & The von Trapps („Dream A Little Dream”)
Weil relativ rasch klar ist, dass Nora und Johan wieder zueinander finden werden, und Milla irgendwann ihr Gedächtnis wieder erlangt, bezieht der Film seine „Spannung“ einzig aus der Frage, für welchen der beiden Männer sich Tilda entscheiden wird, zumal auch die Besetzung die Antwort offen lässt. Gutes Aussehen liegt im Auge des Betrachters, aber nach landläufigen Gesichtspunkten ist Florian Thunemann der attraktivere der beiden Darsteller; Ben Ruedinger wirkt ein wenig, als hätte Sycholt lieber Tim Bergmann für die Rolle engagiert. Immerhin hat Lasse wegen seines Engagements in Afrika moralisch gesehen die besseren Karten. Damit „Familienfest in Sommerby“ nicht zum Kurzfilm wird, schleicht ständig Astrid durch die Szenerie, weil sie Robbie nicht traut; zu Recht, denn der findet tatsächlich wieder Gefallen am beschaulichen Familienleben. Natürlich kommt es zu jenem unvermeidlichen Moment, den es bei Konstellationen dieser Art immer gibt: Gegen Ende platzt Lasse just in jenem Moment ins Schlafzimmer, als Tilda und Robbie in scheinbar trauter Zweisamkeit im Bett liegen.
Selbst die Zielgruppe wird einräumen müssen, dass die Geschichte dürftig, die Handlung überschaubar und die Figuren wenig überraschend sind; daran ändern auch die amüsanten Dialoge von Max Herbrechter nichts. Gerade das ältere Paar entspricht dem üblichen Klischee, das freitags im „Ersten“ und sonntags im „Zweiten“ mit großer Hingabe gepflegt wird: Sie möchte mit dem Gatten den Ruhestand genießen und auf Weltreise gehen, aber der denkt gar nicht dran, seinen Beruf aufzugeben. Die Dialoge der Kinder klingen nicht immer lebensecht, aber ansonsten passt die Besetzung, auch wenn Ulrike Krumbiegel ihre Nora etwas zu sehr als Jammerfigur verkörpert und Julia Malik zu oft heulen muss. Umso mehr Spaß macht Max Herbrechter: Johan ist überzeugt, dass Nora sich abhanden gekommen ist, und will ihr helfen, sich wiederzufinden. Die Gattin ist aber viel zu sehr damit beschäftigt, aus Tilda und Robbie, den Johan nie mochte, wieder ein Paar zu machen. Jessica Ginkel, zuletzt überzeugend als Hauptdarstellerin ebenfalls unter der Regie von Sycholt in „Dich zu lieben“ aus der ZDF-Sonntagsreihe „Cecilia Ahern“, ist ohnehin grundsätzlich sehenswert; trotzdem wäre es mehr als bedauerlich, wenn sie ihre tolle Rolle als weibliche Hauptfigur der RTL-Serie „Der Lehrer“ aufgegeben hätte, um fortan vor allem in seichten „Herzkino“-Produktionen mitzuwirken.