Ein Krimistar wollte sie nicht werden. Deshalb ist heute Schluss für Jutta Hoffmann als “Polizeiruf”-Kommissarin Wanda Rosenbaum. “Es ist schon ein bisschen traurig”, findet Cooky Ziesche vom ORB. “Aber es war von vornherein so verabredet; mehr als vier Filme wollte Jutta Hoffmann nicht machen.” Und so hat sich das bewährte Ost-Team um Autor Stefan Kolditz und Regisseur Bernd Böhlich noch einmal richtig ins Zeug gelegt. “Wandas letzter Gang” ist ein ganz starker Schlussakkord, ein psychologisches Kammerspiel von höchster Intensität, fein austariert gespielt von Jutta Hoffmann und Axel Prahl.
Ein Vater tyrannisiert seine Ex-Frau und seine Kinder. Betrunken dringt er in ihr Haus ein. Ein Handgemenge entsteht. Am Ende steckt ein Küchenmesser im Bauch der Mutter. Fakt 1: Sie überlebt. Fakt 2: Jener Paul K. kann nur der Täter sein. Und Wanda Rosenbaum will ein Geständnis. Wenige Minuten später hat sie es. Doch während der Verhandlung kommen ihr Zweifel. “Mann schlägt Frau, und Bullenfrau weiß sofort Bescheid, ohne etwas anderes auch nur zu erwähnen.“ Die Kommissarin sieht sich in eine Ermittlungsfalle getappt. “Ich hab‘ ihn zu einem Geständnis gezwungen, einen Mann, der sich praktisch an nichts erinnert.” Rosenbaum will es wieder gutmachen. Doch sie unterschätzt den Leidensdruck von Paul K.
Was folgt ist ein Ausnahme-Psychokrimi. In einer Turnhalle kommt es zu einem Nervenkrieg zwischen dem verdrehten Ehemann, der durch die Ironie des Schicksals zum Kidnapper wird, der nach einer sanften Lösung suchenden Kommissarin, deren Tochter und einem Einsatzleiter, der die harte Tour fahren möchte. “Es ist weniger ein innerer Kampf zwischen dem Kidnapper und Rosenbaum, sondern ein Kampf zwischen ihrer humanen Haltung als Polizistin und der Polizei draußen, der unnachgiebigen Staatsmacht”, so Cooky Ziesche.
Vier Mal war Jutta Hoffmann für die ARD am Tatort. Vier außergewöhnliche Filme. Zuletzt rollte der Castor-Transport durch Brandenburg, und das Produktionsteam um Thomas Wilkening war dabei – dokumentarisch der Ansatz, ein Hauch von DEFA am Sonntagabend. Da war Robert Stadlober, der im Affekt zum “Mörderkind” wurde. Und auch mit “Bei Klingelzeichen Mord” von Grimme-Preisträger Andreas Kleinert bewies man zwei Jahre vor Erfurt ein Gespür für gesellschaftlich relevante Themen jenseits vom Talkshow-Geplapper.
Zeichneten sich schon die ersten drei Filme, die unverständlicherweise bei den diversen Fernsehpreisen keine Berücksichtigung fanden, durch ihre geschlossene Tonlage aus, so ist “Wandas letzter Gang” der absolute Höhepunkt der Rosenbaum-Krimis. Die Herzenswärme und Sprödigkeit, die Jutta Hoffmann und ihre Figur ausstrahlen, atmeten auch die Geschichten. Wie ein ätherisches Wesen schwebte die 61-Jährige mit weiten Schlabberhosen und reichlich Understatement durchs dörfliche Brandenburg. (Text-Stand: 30.6.2002)