Harald Wehmeier war, Andreas Altenburg ist noch immer Comedy-Redakteur beim NDR-Hörfunk. Gemeinsam haben sie die erfolgreiche Radio-Comedy „Frühstück bei Stefanie“ aus der Taufe gehoben, die zusätzlich als Animationsserie im Vorabendprogramm des NDR zu sehen war. Harald Wehmeier war zudem an „Stenkelfeld“ beteiligt. Diese auch von anderen ARD-Sendern übernommenen Radio-Reihen sind mehr als nur die übliche Kalauerparade, stehen vielmehr in der Tradition eines Heino Jaeger, wenn die Autoren Sprach- und Medienparodien nebst Nonsens mit aktuellen politischen Anspielungen verschneiden und dabei weit hinein ins Gebiet der Satire greifen. Ähnlich wie einst Jaeger beweisen Wehmeier und Altenburg ein sensibles Empfinden für die Sprache des Volkes, bei ihnen selbstredend mit typisch norddeutschem Einschlag. Sie nehmen typische Redewendungen auf, adaptieren Argot und Jargon und arbeiten die komischen Komponenten heraus, ohne zu denunzieren.
Diese Arbeitsweise kennzeichnet auch die Dialoge der von Altenburg und Wehmeier verfassten Serie „Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres“. Die 29-jährige Kleinstadtgrazie Jennifer (Katrin Ingendoh) ist eine fähige Friseurin im Salon „Hair & Care“. Dummerweise wurde sie durch ihre pathologische Prüfungsangst bislang daran gehindert, ihren Gesellenbrief zu machen. Den Saloninhaber Sandro hat das nie geschert, aber Sandro erliegt während einer Geschäftsreise einem ziemlich verwickelten, selbst verursachten bizarren Unfall. Gleich nach der Trauerfeier übernimmt sein Lebenspartner Dietmar (Olli Dittrich) die Geschäftsleitung. Und der setzt Jennifer gegenüber Altgesellin Bettina zurück – Mitarbeiterinnen ohne Abschluss dürfen bei ihm nur nachrangige Tätigkeiten ausüben. Jennifer ist beleidigt und wütend und hält fortan eifrig nach attraktiveren Beschäftigungsmöglichkeiten Ausschau. Denn sie sehnt sich nach „was Besseres“. Und nach der Zuneigung des Ex-Fußball-Stars und jetztigen Taxifahrers Ronny Kröhnke (David Bredin), obwohl doch eigentlich längst Schluss ist.
Foto: NDR / Georges Pauly
In den ersten drei Folgen der potenziellen Serie versucht sich Jennifer als selbstständige „Haarverlängererin“ (das geht auch ohne Friseurausbildung), als Eventmanagerin und Maklerin. Alles geht auf gehörige Weise schief, wird aber knapp vor der Katastrophe meist durch Oma Margret (Doris Kunstmann) aufgefangen, die gegenüber dem Friseursalon den Imbiss „Futterluke“ unterhält und mit reichlich Bauernschläue und Mutterwitz gesegnet ist: „Glaub mal ja nich‘, wen du vor dir hast.“
Die Dialoge der Serie sind meisterlich in ihrer Präzision. Alles stimmt – oder klingt zumindest so. Egal ob Salongespräche der Friseure, Fachjargon eines Metallbauers, das gleisnerische Geplapper einer Maklerin: „Die ganze Wohnung ist komplett ausgestattet mit Frischluftfenstern.“ Wie selbstverständlich wird die Komik in diesen Sprechweisen deutlich. Vor der Kamera aber lacht niemand; die Sätze werden nicht auf Pointe deklamiert, sondern von den tollen Schauspielern beiläufig und mit dem angemessenen Ernst serviert. Humortheoretiker bezeichnen diesen handwerklichen Aspekt als Fallhöhe, und wer den studieren will, findet hier erstklassiges Material.
In der Hauptrolle ist die erfahrene Theaterschauspielerin Katrin Ingendoh zu sehen. Der NDR feiert sie als „Neuentdeckung“, hatte sie aber auch schon führend in dem Werkstattfilm „Der Säger – Ein Krimi ohne Leiche“, einer Produktion von NDR-Auszubildenden, beschäftigt. Vordem war sie im Fernsehen in einigen Nebenrollen zu sehen. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, müssten künftig weitere Hauptrollen auf sie zukommen. Laura Lo Zito in der Rolle der Auszubildenden Melanie soll darüber nicht vergessen werden. Mit welcher Hingabe und Überzeugungskraft Melanie ihrem Umfeld nach dem Munde redet, wie sich Melanie bisweilen närrisch gebärdet und in der Darstellung durch die junge Schauspielerin dennoch ihre Würde behält – das verdient mindestens so viel Anerkennung wie die raumgreifenden Auftritte einiger von Kritikern geschätzter Hochleistungsmimen. Charakterkomiker Olli Dittrich („Dittsche“) dürfte sich wohlfühlen in diesem Ensemble. Er bewegt sich hier genau in seinem Fach und vermag in der Rolle des Dietmar auch noch aufs Bezauberndste Fernseh-Erinnerungen an Gisela Schlüter, Ernst H. Hilbich, Anita Kupsch und Mel Jersey einzubringen, wenn er nicht gerade von der Autogrammstunde mit Mireille Mathieu und Patrick Duffy in der Plattenabteilung von Horten in Osnabrück (Geburtsstadt von Ko-Autor Wehmeier) oder von den Heimtextiltagen 1987 in Bad Rothenfelde mit Lena Valaitis schwärmt … Man möchte gar nicht aufhören, zu zitieren. Aber belassen wir es bei einem finalen Satz, der auf die Serie selbst gemünzt sein könnte: „Och guck. Das ist doch auch schön.“ (Text-Stand: 1.12.2015)