Sisi

Geglättetes historisches Liebes(melo)drama mit einer "verführerischen" Hauptfigur

Foto: ZDF / RAI
Foto Rainer Tittelbach

„Sisi“ bewegt sich im Rahmen seiner Vorgabe souverän. Schwarzenberger & Co haben augenscheinlich Vieles richtig gemacht – zum Beispiel Martina Gedeck als „Gegenspielerin“ zu besetzen. Das Herzstück aber ist: Cristiana „Sisi“ Capotondi. Die emotionale Zurichtung der Dramaturgie auf die Hauptfigur ist das (offene) Geheimnis dieses Zweiteilers, bei dem sich nur Ignoranten fragen werden, ob die Italienerin so gut wie Romy Schneider ist!

Kein Weihnachten ohne die „Sissi“-Trilogie. Sat 1 sendet den Klassiker aus „Papas Kino“ am 23., 25. und 26. Dezember. Das ZDF kommt dem Original mit einer gelungenen Wiederverfilmung zuvor. Der Zweiteiler, koproduziert mit ORF und RAI, beginnt mit der Liebe auf den ersten Blick zwischen dem bayerischen Maderl und dem österreichischen Kaiser. Und er endet mit Elisabeths größtem Triumph: der Krönung zur Königin von Ungarn. Damit gibt die Elf-Millionen-Euro-Produktion „Sisi“ vor, was sie sein will: ein historischer Liebesfilm, ein opulentes Melodram, das die Historie glättet. „Kaiserin Elisabeth ist ein Mythos, und diesen Mythos wollten wir nicht zerstören“, betont Regisseur Xaver Schwarzenberger. Die dunklen Seiten des Lebens der Kaiserin bleiben ausgespart: die Neurosen, der Selbstmord des Erbprinzen Rudolf, das Attentat, dem Elisabeth 1898 zum Opfer fiel.

SisiFoto: ZDF / RAI
Sie liebt es natürlich, menschlich und sozial. Cristiana Capotondi als Sisi, der ewige Mythos.

„Sisi“ bewegt sich im Rahmen seiner Vorgabe souverän. Erzählt wird „die Geschichte vom Mädchen aus dem Wald, das in die große Stadt kommt, an einen der strengsten Höfe der damaligen Zeit“, so Schwarzenberger. Im Zentrum steht das Aufbegehren der jungen Frau gegen die Habsburger Etikette. „Ich fürchte, ich werde mich nie ans Protokoll gewöhnen“, sagt die Kaiserin, die sich viel Sisi bewahrt hat. Immer wieder versucht sie, sich der Kontrolle ihrer Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, zu entziehen. Sie gibt sich volksverbunden, zeigt soziales Engagement und vermittelt im Konflikt zwischen Österreich und Ungarn. Franz Joseph ist hin und her gerissen zwischen dieser Frau, die er liebt, der Staatsräson, die stets vorgeht, und den Konventionen bei Hofe, auf die seine Mutter besteht.

Das Königshaus-Drama wird Seifenopern-like herunter gebrochen auf die Stereotypen der bürgerlichen Familien-Mythologie: die Schwiegermutter als Alptraum, der Ehemann, der immer weniger Zeit für die Familie findet, die Ehefrau, die sich eigene Betätigungsfelder sucht. Die Moderne hält offener Einzug in die Geschichte der Kaiserin als in der Kult-Kitsch-Trilogie der 1950er Jahre – und auch die Postmoderne lässt sich nicht lange bitten: Die Anspielungen auf das Schicksal Lady Dianas sind unverkennbar. Etikette statt Menschlichkeit, Contenance statt Natürlichkeit. Und die Zwänge, denen sich Elisabeth unterwerfen muss, spiegeln sich in der Kleiderordnung mit ihren Korsetts, Reifröcken und Schnürritualen.

SisiFoto: ZDF / RAI
Sie will den Ton angeben im Königshaus. Martina Gedeck als Erzherzogin Sophie

Auch wenn sich Schwarzenberger, der wie immer bei seinen Regiearbeiten selbst die Kamera führte, bei der straffen Dramaturgie keine ästhetischen Extravaganzen à la Visconti erlauben konnte, so besticht doch der Film durch eine optische Opulenz, eine Opulenz freilich, die nicht sinnlos protzt und prunkt. Für das Auge des kritischen Zuschauers steht quasi stets ein Hintertürchen offen, um dem Kostümzauber und Ordengeklimper zu entrinnen. Die Steifheit, die solche Stoffe unweigerlich mit sich bringen, wird in „Sisi“ zum Thema gemacht, da auch die Heldin Vorbehalte gegenüber dieser aristokratischen Maskerade hegt. Dieses entscheidende Plus wird noch veredelt durch das Spiel der Hauptdarsteller. Die Dialoge kommen erstaunlich leicht daher. Auch hier färbt der lockere Tonfall der Hauptfigur ab auf die gesamte Tonlage.

Schwarzenberger & Co haben im Rahmen des Genres Vieles richtig gemacht. Zum Beispiel Martina Gedeck als Sisis „Gegenspielerin“ zu besetzen, eine Schauspielerin, die bei ihren Charakteren gleichermaßen Klarheit wie Zwischentöne sucht. Das Herzstück dieses Films aber ist erwartungsgemäß Sisi / Cristiana Capotondi. Die emotionale Zurichtung der Dramaturgie auf die Hauptfigur ist das (offene) Geheimnis dieses Films, bei dem sich niemand fragen sollte, ob Capotondi so gut wie Romy Schneider ist (ein paar ignorante Kritiker werden es dennoch tun). Capotondi ist Sisi in „Sisi“, sie verschmilzt mit ihrer Figur, sie entführt in eine Zeit, auch wenn man gar nicht in sie entführt werden möchte, und sie verführt zu einem Genre, das sonst oft lächerlich wirkt. Es ist das gleiche Spiel wie vor 50 Jahren: das Frische gegen das Abgestandene, das Neue gegen das Überkommene – und es ist doch anders.

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ORF, RAI, ZDF

Mit Cristiana Capotondi, David Rott, Martina Gedeck, Fritz Karl, Xaver Hutter, Herbert Knaup, Friedrich von Thun

Kamera: Xaver Schwarzenberger

Schnitt: Helga Borsche, Alessandro Lucidi

Produktionsfirma: Sunset Austria, EOS Entertainment, Publispei

Drehbuch: Ivan Cotroneo, Monica Rametta, Christiane Sadlo

Regie: Xaver Schwarzenberger

Quote: 1. Teil: 4,82 Mio. Zuschauer (15,1 % MA); 2. Teil: 4,78 Mio. (12,7% MA)

EA: 17.12.2009 20:15 Uhr | ZDF

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