Die Handlung erinnert an den Krimi „Pauline“, einen „Tatort“ aus Niedersachsen (2006) von Niki Stein. Ein Dorf, ein Fest, eine Leiche: Im Morgengrauen wird ein Mädchen tot aufgefunden. Hier wie dort beißen die Ermittlerinnen auf Granit: Die Dorbewohner mögen untereinander spinnefeind sein, doch sie sind es gewöhnt, ihre Probleme selbst zu lösen; und gegen Eindringlinge halten sie ohnehin zusammen wie Pech und Schwefel. Und noch eine Parallele gibt es zum Furtwängler-Dorfkrimi: Die Familien pflegen bürgerliche Fassaden, aber dahinter tun sich Abgründe auf. Missbrauch, Drogensucht, schmutzige kleine Geheimnisse: Der kleine Ort an der Ostsee ist, dem Titel entsprechend, ein regelrechter Sumpf. Und weil auch die Jugendlichen ausnahmslos etwas zu verbergen haben, fühlt sich Marion Ahrens (Charlotte Schwab) an den Horrorfilm „Das Dorf der Verdammten“ erinnert.
„Der Sumpf“ ist der zweite Fall für das Duo aus Lübeck in neuer Besetzung, und erneut zeigt sich, dass der Reihe der Wechsel von Ann-Kathrin Kramer zu Lisa Martinek keineswegs geschadet hat. Die Gegensätze zwischen den beiden Kommissarinnen treten nun viel deutlicher zu Tage: hier die abwartende, beobachtende ältere Ahrens, dort die forsche, impulsive, provokative Clara Hertz. Vordergründig hat Martinek auf diese Weise die reizvollere Rolle, was Autor Harald Göckeritz (sien Drehbuch wurde von Regisseur Thorsten Näter bearbeitet) geschickt wieder ausgleicht, indem er Ahrens‘ Mann ins Spiel bringt. Die Ermittlerinnen waren auch auf dem Fest, weil ein früherer Freund von Ahrens mit seinem Sohn hierher gezogen ist. Da die beiden keinen anderen Unterschlupf finden, übernachten sie bei Robert Vandenbrook (Jan-Gregor Kremp), was sich in gleich doppelter Hinsicht als Fehler entpuppt: Ein Nusskuchen, über den sie sich mangels Frühstücksalternativen hermachen, besteht zu einem großen Teil aus Marihuana; und dann findet sich in Roberts Auto just jener Ohrring, der dem toten Mädchen fehlt. Das verleiht dem Verhältnis zwischen Marion und ihrem Gatten, dem Spurensicherer, natürlich eine zusätzliche Brisanz. Der Gute ist ohnehin eifersüchtig auf den melancholischen Robert; da kommt ihm der Mordverdacht gerade recht.
Mitunter fallen die Dialoge allzu bedeutungsschwanger aus, aber selbst das passt in die fast schon unwirkliche Atmosphäre dieses Dorfes, in dem jeder den anderen ständig belauert. Gekonnt streut Näter immer wieder kleine Humoresken ein, wenn etwa Marion Ahrens seufzend feststellt, sie sei „zu alt für diesen Scheiß“, oder ihre hyperaktive Kollegin, gerade noch munter plappernd, von einem Moment auf den anderen einschläft. Die beiden sind ohnehin ein prima Team, und dass sie sich zwar duzen, aber noch keine Freundinnen geworden sind, kann der Spannung nur gut tun. (Text-Stand: 28.10.2006)