Die TV-Highlights im Dezember
Gute, solide Krimis, und es weihnachtet sehr....
14.12.2024
01:25
ARD
Fernsehfilm
Anna Unterberger, Reza Brojerdi, Speidel, Krapoth, Heberlein. Wohlfühl-Realismus
Ein Trennungspaar will noch einmal „als Familie“ mit seinen Kindern Weihnachten feiern. Der Jüngste tut sich schwer damit, dass Papa nach den Feiertagen auszieht. Die „Hilfe“ der Großeltern macht die Situation nicht einfacher. Wer annimmt, „Die schönste Bescherung“ (Bantry Bay) sei eine dieser mit reichlich Zuckerguss überzogenen Weihnachts-Dramoletts unseliger ARD-Degeto-Zeiten, der sieht sich angenehm enttäuscht. Ehrlich zueinander sein und miteinander reden, um die Bedürfnisse aller Beteiligten zu verstehen, das bietet Autorin Sophia Krapoth als Rezept an. Vermittelt wird das nicht als Wohlfühlfilm-Gemeinplatz, sondern mit einer Geschichte, die sich ganz aus dem Alltag entwickelt. Das Konzept dieses final versöhnlichen Weihnachtsfamiliendramas ist ein angenehm realistisches: Das beginnt beim Spiel der sympathischen Hauptdarsteller und der Art, wie und worüber das Ex-Paar miteinander redet. Auch spielt die Arbeit der beiden für die Geschichte und die Psychologie eine entscheidende Rolle. Mit der Idee einer Weihnachtsmarkt-Verkäuferin als Hauptfigur verlässt der Film die typische Konsumenten-Perspektive des Fests der Feste (und seiner Filme). Konsequenterweise sorgt auch die Filmsprache für weitere Realismus-Effekte.
14.12.2024
10:10
rbb
Reihe
Anja Kling, Uwe Janson, die Gebrüder Grimm. Ein Schauermärchen der Extraklasse
Diese Märchenverfilmung von Uwe Janson und David Ungureit ist einer der Höhepunkte der ARD-Reihe „Sechs auf einen Streich“, die 2008 gestartet ist und die es mittlerweile auf 26 Sechzigminüter gebracht hat. Vom Düster-Look geht es kurzzeitig ins vermeintliche Paradies, dann obsiegt das Schreckliche, bevor ein geradezu magisches, bezauberndes Wohlfühlende große und kleine Zuschauer gleichermaßen glücklich aus dem Film entlässt. Märchenhaft aufregend, wunderbar dicht, bezaubernd gespielt, magisch, verführerisch, berührend.
14.12.2024
10:30
BR
Fernsehfilm
Kockisch, Baumeister, Fendel, Gwisdek. Das Degeto-Weihnachtsfilm-Highlight!
„Wenn wir uns begegnen“ ist ein wunderbarer, telegener Pulswärmer, einer der besten Weihnachtsfernsehfilme der letzten Jahre. Eine Vielzahl von Geschichten und Schicksalen treffen am Heiligabend in einer Hamburger Klinik aufeinander. Kameramann Dragan Rogulj taucht die „Großereignisse“ Entliebung, Suizidversuch, Gehirntumor in ein warmes Licht und verbindet sie mit den vermeintlich kleinen Momenten des Lebens: dem Gefühl der Einsamkeit und der fehlenden Erfüllung. Sentimentalität: natürlich! Wahrhaftigkeit: erst recht!
14.12.2024
12:05
BR
Fernsehfilm
Benjamin Sadler, Morreis, Douven, Tiefenbacher. Gut & geschmackssicher erzählt
Ein (un)glücklicher Zufall lässt zwei grundverschiedene Menschen einander begegnen: einen Architekten, der unter Zwangsstörungen leidet, und eine alleinerziehende Mutter mit massiven Existenzsorgen. Liebe auf den ersten Blick ist das nicht. Während aber im Leben meist nur der erste Eindruck zählt, bekommen die ungleichen Charaktere in „Pohlmann und die Zeit der Wünsche“ (Degeto / filmpool) mehrere zweite Chancen. Dieser Film braucht nicht die gönnerhafte Nachsicht, mit der man als Kritiker in der Weihnachtszeit gern mal gefühlvollen Fernsehfilmen begegnet. Dafür ist die psychologische Grundierung der Geschichte zu stimmig und die Narration zu geschickt gebaut. Der kitschfreie Film von Matthias Tiefenbacher besitzt einen süffigen Erzählfluss ohne Redundanz, der dem Alltagsrhythmus nachempfunden ist. Damit bekommt die Produktion einen Sonderstatus am ARD-Freitag – was gleichermaßen auch für die vorzügliche Besetzung mit Benjamin Sadler und Marlene Morreis gilt.
14.12.2024
12:15
One
Fernsehfilm
Schüttler, Koeberlin, Thalbach, Zischler, Horst Sczerba. Lügen aus gutem Grund
Alle Jahre wieder. Ein junges Ex-Ehepaar spielt den Eltern des Mannes noch Jahre nach der Trennung eine glückliche Beziehung vor; und auch die Eltern habe ihre Geheimnisse… Die Lügen in „Stille Nächte“ sagen sehr viel darüber aus, wie die Menschen zueinander stehen: Keiner will den anderen enttäuschen, verletzen, beunruhigen. Horst Sczerbas wunderbare Weihnachtstragikomödie verordnet nicht Besinnlichkeit, sondern er erzeugt mit Hilfe einer reduzierten Ästhetik eine zwischenmenschliche Nähe, die ja der Kern des Weihnachtsfestes sein sollte. Ein nachdenklicher Film mit vier hervorragenden Schauspielern, die ihre Rollen mit Normalität versehen, ihnen aber auch einen mehrdeutigen Eigen-Sinn abtrotzen.
14.12.2024
13:50
One
Fernsehfilm
Strauss, Jaenicke, Niehaus, Bühlig/Nocke, Krohmer. Spiel mit Zuschauererwartungen
„Meine fremde Freundin“ (NDR / Polyphon) ist einer der zugänglichsten Krohmer-Filme, weil er die Zuschauer bei einem „brisanten“ Thema abholt und nah an den Emotionen der Figuren bleibt. Ein Ober-Chauvi gerät am Arbeitsplatz erstmals an die Falsche – und plötzlich steht die Polizei vor seiner Tür. „Keinen pseudoaktuellen Vergewaltigungsfilm“ habe man im Sinn gehabt, so NDR-Fiction-Chef Granderath. Entstanden ist ein Drama der Verfehlungen & der ungeahnten Abgründe, ein Film über eine Frauenfreundschaft und die Macht des Voruteils. Den Diskurs, den der Film anschiebt, darf die Kritik leider nicht führen, um dem Zuschauer eine freie, ungelenkte Seherfahrung nicht vorzuenthalten. Denn in diesem herausragenden Film geht es auch um Wahrnehmung – die der Figuren, aber auch die der Zuschauer. Großes Vergnügen bereitet das mitunter doppelbödige Spiel der wunderbaren Schauspieler, die nicht nur ideal besetzt sind, sondern auch perfekt ihre Beziehungen im Dreieck spielen.
14.12.2024
15:30
ARD
Fernsehfilm
Inka Friedrich, Stephan Zinner, Kathi Liers, Hanno Olderdissen. Zeit des Loslassens
Anderswo wäre das „Empty Nest“-Syndrom Handlung genug: Nach dem Auszug der Tochter fällt eine alleinerziehende Mutter in ein tiefes Loch. Der ARD-Freitagsfilm „Zurück aufs Eis“ hat jedoch noch viel mehr zu bieten, zumal sich die Szenen oft anders entwickeln als erwartet und Autorin Kathi Liers komplexe Charaktere geschaffen hat. Sämtliche Mitwirkenden machen ihre Sache ausnehmend gut (Regie: Hanno Olderdissen), aber Inka Friedrich hat als Hauptfigur das meiste Spielmaterial, das sie auch weidlich auskostet: Streifenpolizistin Maren durchlebt sämtliche Gefühlszustände, die ein Genremix aus Drama, Romanze und Komödie zu bieten hat. Ganz wunderbar sind auch die Dialoge; vor allem das freundschaftlich-kollegiale Streifenwagengeplänkel zwischen Maren und ihrem Kollegen.
14.12.2024
20:15
ZDF
Reihe
TV-Premiere
Heerwagen, Mittermeier, Held, Süß, Kiefersauer. Gender-Fragen für Anfänger
Eine Schülerin ist ermordet worden. Das launige Kellertrio aus der etwas anderen ZDF-Krimi-Reihe „München Mord“ (TV60 Filmproduktion) ermittelt in „Die indische Methode“ rund um ein Mädchen-Elite-Internat – und weil die verzogenen Gören mauern, muss Schaller die titelgebende, sehr riskante Methode anwenden, eine Transvision, bei der er das Bewusstsein verliert. Auch die beiden anderen Kommissare sind physisch angeschlagen. Während der Krimi lange als unaufgeregt inszenierter Whodunit ohne außergewöhnliche Vorkommnisse daherkommt und erst im Schlussdrittel mit besagter Methode aufdreht, sind es einmal mehr die Zwischentöne in der Kommunikation, die über 90 Minuten erfreuen. Diesmal lugt überall das Frauen-Männer-Thema um die Ecke, da geht es um Kraft, um Macht, um Helferinstinkte oder um das gendertypische Spiel von Geld und Liebe – und immer wieder um den Brass auf das andere Geschlecht. „Scheiß-Männer“ findet auch der eifersüchtige Neuhauser, weil Mannsbilder sein Gspusi umschwirren. Marcus Mittermeier hat das Drehbuch zu dieser – neunzehnten – Episode der Reihe geschrieben, sein erstes überhaupt.
14.12.2024
20:15
SWR
Reihe
Schönemann, Klinge, Lohse, Holle, Wolfrum. Cooler Spannungs-&-Entspannungs-Flow
Die aktuelle Trilogie von „Nord bei Nordwest“ (NDR, Degeto / Aspekt-Telefilm) reiht sich nahtlos an die bislang beste Staffel 2020. Noch immer wird Lona Vogt betrauert. Alles beginnt im lieb gewonnenen, norddeutsch entspannten Erzählrhythmus dieser etwas anderen Donnerstagskrimi-Reihe. Dann erweist sich ein LKA-Mann als eiskalter Killer, die Ministerpräsidentin gerät in Lebensgefahr und außerdem steht der Held unter Mordverdacht. „Der Anschlag“ ist ein Top-Einstieg in die neue Staffel. Der Film ist ein Musterbeispiel für strukturelles, reduziertes, konzentriertes und filmisch ausgefeiltes und spannendes Erzählen. Auch „Conny & Maik“, eine Asphaltwestern-Krimi-Ballade mit ernsthaften Drama-Momenten, kann sich sehen lassen und besitzt den unwiderstehlichen „NBN“-Flow. In dem Film zeigt sich die neue Polizistin im Ort (markant: Jana Klinge) von einer ominösen Seite, darf aber gleich zwei Mal Hauke Jacobs das Leben retten. Ein bisschen ab fällt dagegen – vor allem dramaturgisch – die dritte Episode „Im Namen des Vaters“. Doch spätestens im Schlussdrittel kollidieren zwei Grundplots killercool-packend miteinander und zuvor kommt auch noch die kalabrische Mafia actionreich und bleihaltig ins Spiel, sodass die verwöhnten Fans der Reihe am Ende wieder versöhnt auf baldigen Nachschub hoffen werden.
14.12.2024
20:15
BR
Fernsehfilm
TV-Satire: Martina Gedeck, Erwin Steinhauer & der ganz normale Festtagswahnsinn
Weihnachten im Kreise der Familie. „Ich werd’ alles so machen, wie es früher bei uns war“, sagt die Oma. „Konsumterror“, schnaubt der Sohn. Das Töchterchen verträgt den Eierlikör nicht, und die entnervte Hausfrau greift zur Pulle. Da verliert selbst Papa seinen Hundeblick. Wo lässt sich die Psyche einer Familie besser studieren als am Fest der Feste? Die Autorin Ulli Schwarzenberger hat ebenso liebe- wie lustvoll reingepiekst in das Geschwülst der falschen Sentimentalität. Ein TV-Klassiker zur Weihnachtszeit! Typisch Schwarzenberger.
Foto: ZDF / Nik Konietzny
Foto: Prime Video / Dennis Dirksen
Foto: Degeto / Ricardo Gstrein
Foto: WDR / Taimas Ahangari
Foto: ZDF / Jürgen Olczyk
Vergangene Highlights im Dezember
13.12.2024
00:45
ZDF
Serie & Mehrteiler
Havana Joy Josefine Braun, Hardung, Okon, Seng, Prochaska, Becker. Direkt ins Herz
Vampire in Mainhattan. Sie gehören zur Oberschicht, die sich am wertvollsten Kapital einer prekären Mehrheit labt: ihrem Blut. Als sich ein Blutsauger-Beau und eine arme Schausteller-Boxerin ineinander verlieben, schweben beide bald in Lebensgefahr. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das ZDF das altehrwürdige B-Movie-Genre in zeitgemäßem Dämmerlicht erstrahlen lassen würde. Anders als im klassischen Vampirfilm hat in „Love sucks“ (Studio Zentral, U5 Filmproduktion) jede Figur ihr Geheimnis, und es gelingt ein wohl dosiertes, ernsthaftes(!) Miteinander aus (Melo-)Drama-Momenten und filmischer Atmosphäre. In den Schreckensszenen halten sich Schock-Ästhetik und rasende Spannung die Waage. Emotional funktioniert das Ganze so gut, weil man mit den Liebenden mitfiebert, und weil selbst die „Bösen“ für Überraschungen gut sind. Erleuchtung ist kein Privileg der Guten. Alle Gewerke arbeiten aufs höchstem Niveau, und die Besetzung ist bis in die Nebenrollen superb. Eine High-End-Serie für die ZDF-Nische, nach der sich Netflix die Finger lecken dürfte.
13.12.2024
01:20
ARD
Reihe
Stadelmann, Koschitz, Bach, Schudt, Schmidt, Wagner. Im Belauerungszustand
Im Schießen eine Null, aber im Kopf wider Erwarten helle ist Dorfpolizist Frank Koops. Sein Revier ist der Harz. Den kennt er, den liebt er und den verteidigt er gegen jede Art krimineller Energie. „Harter Brocken“ von den Grimme-Preisträgern Holger Karsten Schmidt und Stephan Wagner ist ein Katz- und Mausspiel mit cleveren Parteien, ein konzentriertes Sechs-Personen-Stück unter freiem Himmel. Eigenwillig der Held, top der Cast, bleihaltig der Showdown. Und der Zuschauer ist bestens informiert; das steigert Spannung & Lust.
13.12.2024
10:00
ZDF-Mediathek
Fernsehfilm
Mediathek-Premiere
Rainer Bock, Margarita Broich, Böhmermann, Hauck, Wolff, Schierhorn. Gute alte Handarbeit
„Hallo Spencer – der Film“ ist wider Erwarten kein Kinderprogramm, selbst wenn die Puppen aus dem Klassiker des Westfernsehens mitwirken: In dem von Jan Böhmermann initiierten Drama lebt der verwitwete Spencer-Schöpfer (Rainer Bock) allein mit seinen Puppen in einer verfallenen Disco, die samt allen Erinnerungsstücken einem Altenheim weichen soll; es sei denn, er treibt zehn Millionen Euro auf. Also beschließt er, aus „Hallo Spencer“ einen Kinofilm zu machen. Im Verlauf seiner Suche nach Geldgebern wandelt sich die Geschichte zunehmend zur Mediensatire.
13.12.2024
10:00
ARD-Mediathek
Fernsehfilm
Mediathek-Premiere
Devid Striesow, Verena Altenberger, Schnalke, Baxmeyer. Produktiv in jeder Beziehung
Musikalischer Genuss, familiäres Drama und stattliche Perücken: Der Fernsehfilm „Bach – Ein Weihnachtswunder“ (Degeto, MDR, BR, ORF – Eikon Media) erzählt die Entstehungsgeschichte des „Weihnachtsoratoriums“ vor knapp 300 Jahren in einem unterhaltsamen Kostümfilm, der bestens in die Adventszeit passt. Devid Striesow spielt den Johann Sebastian Bach als ehrgeiziges, aufbrausendes Genie, das sich von Politikern nichts sagen lassen will, aber ohne Frau und Kinder aufgeschmissen wäre. Denn das Komponieren ist hier eine leidenschaftliche Familienangelegenheit im Wettlauf mit der Zeit. Drehbuch (Christian Schnalke) und Regie (Florian Baxmeyer) würdigen insbesondere die Bedeutung von Anna Magdalena Bach (herausragend: Verena Altenberger), die in ihrer Zeit eine berühmte Sängerin war und 13 Kinder zur Welt brachte, von denen sieben bereits früh verstarben. Auch ein Vater-Sohn-Konflikt sowie das Ringen mit dem Leipziger Rat um die Aufführung des Oratoriums sorgen für Spannung und emotionale Höhepunkte. Am Ende rockt der Barock-Klassiker nicht nur die voll besetzte Kirche im Film.
13.12.2024
14:30
rbb
Reihe
Aglaia Szyszkowitz, Friedrich von Thun, Ralf Huettner. Der Feind sitzt woanders
Nach den fast fünf Millionen Zuschauern, die 2018 „Zimmer mit Stall“ (ARD / Roxy Film) einschalteten, war der ohnehin als Reihe angedachte Grundkonflikt doppelt reif für eine Fortsetzung. Und so raubt dieses Jahr der Misanthrop auf Abruf der temperamentvollen Hofbesitzerin gleich zweimal ihren letzten Nerv. Steht „Tierisch gute Ferien“ dramaturgisch noch vorwiegend im Zeichen der freitagsfilmüblichen Dickschädeligkeit, macht „Berge versetzen“ mehr Laune, weil sich die beiden Streithähne notgedrungen verbünden müssen. Außerdem ist der zweite Film 2019 narrativ vielfältiger, entsprechend dichter und schneller erzählt, wodurch die Versöhnung, verpackt in eine wunderbare Metapher, nicht wie eine Filmkonvention wirkt. Den Freitag in der ARD beleben aber beide Episoden. Dazu trägt neben dem Top-Duo Szyszkowitz & von Thun wesentlich die große Komödien-Erfahrung von Grimme-Preisträger Huettner bei. Weil die Details stimmen, macht das Ganze Laune.
13.12.2024
20:15
3sat
Fernsehfilm
Heyer, Ehrich, Breinersdorfer, Balthasar, Hubach. Endlich Zeit für schöne Dinge
Weil Frauen im 19. Jahrhundert in Thüringen kein Glas blasen durften, droht der Familien-Tradition der Steinmanns das Ende. Doch nach einigen Umwegen durch die grobschlächtige Männerwelt haben sich die beiden Heldinnen im ZDF-Fernsehfilm „Die Glasbläserin“ ihren emanzipatorischen Aufbruch redlich verdient. Die historische Filmerzählung nach dem gleichnamigen Roman von Petra Durst-Benning taugt mit seinem Wohlfühlende auch als (vor)weihnachtlicher Pulswärmer. Schließlich werden am Ende Christbaumkugeln geblasen. Dramaturgisch setzt die Geschichte auf Wohlbekanntes, dafür besticht das TV-Drama von Christiane Balthasar durch eine exzellente realistische Bildsprache und ist vorzüglich besetzt: die beiden Hauptdarstellerinnen Luise Heyer und Maria Ehrich reißen den Film an sich.
13.12.2024
20:15
ARD
Fernsehfilm
TV-Premiere
Anna Unterberger, Reza Brojerdi, Speidel, Krapoth, Heberlein. Wohlfühl-Realismus
Ein Trennungspaar will noch einmal „als Familie“ mit seinen Kindern Weihnachten feiern. Der Jüngste tut sich schwer damit, dass Papa nach den Feiertagen auszieht. Die „Hilfe“ der Großeltern macht die Situation nicht einfacher. Wer annimmt, „Die schönste Bescherung“ (Bantry Bay) sei eine dieser mit reichlich Zuckerguss überzogenen Weihnachts-Dramoletts unseliger ARD-Degeto-Zeiten, der sieht sich angenehm enttäuscht. Ehrlich zueinander sein und miteinander reden, um die Bedürfnisse aller Beteiligten zu verstehen, das bietet Autorin Sophia Krapoth als Rezept an. Vermittelt wird das nicht als Wohlfühlfilm-Gemeinplatz, sondern mit einer Geschichte, die sich ganz aus dem Alltag entwickelt. Das Konzept dieses final versöhnlichen Weihnachtsfamiliendramas ist ein angenehm realistisches: Das beginnt beim Spiel der sympathischen Hauptdarsteller und der Art, wie und worüber das Ex-Paar miteinander redet. Auch spielt die Arbeit der beiden für die Geschichte und die Psychologie eine entscheidende Rolle. Mit der Idee einer Weihnachtsmarkt-Verkäuferin als Hauptfigur verlässt der Film die typische Konsumenten-Perspektive des Fests der Feste (und seiner Filme). Konsequenterweise sorgt auch die Filmsprache für weitere Realismus-Effekte.
13.12.2024
20:15
Arte
Fernsehfilm
TV-Premiere
Meret Becker, Landau, Lukas, Bading, Deppert, Nana Neul. Großmutter wird wieder Mensch
Mittfünfzigerin Anne (Meret Becker) lebt einsam auf einem brandenburgischen Bauernhof, als eines Tages ihre achtjährige Enkelin (Luise Landau) vor der Tür steht, weil ihre Mutter, Annes Tochter, im Gefängnis sitzt. Rasch ist das Leben der eigenbrötlerischen Frau völlig auf den Kopf gestellt. Zunächst aber ist da die Ankündigung „Familie is nich!“ (ZDF, Arte / Lieblingsfilm), mit der Anne ihre Enkelin gleich mal einzunorden versucht. Der Film ist denn auch weniger ein Familiendrama als das Porträt einer Frau, die sich verändert, von der Vergangenheit löst und sich für andere öffnet, wunderbar verkörpert von Meret Becker. Fazit: eine „kleine“ und unsentimentale Geschichte über drei Generationen eigenwilliger, unkonventioneller, temperamentvoller Frauen. Mit leichten dramaturgischen Holperern.
13.12.2024
22:20
ARD
Reihe
Löbau, Wagner, Hagmeister, Lange, Franziska Schlotterer. Was die Leute so reden
„Was die Leute so reden“ wäre im Grunde der treffendere Titel für den neunten Schwarzwald-„Tatort“ (SWR) mit Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner: weil praktisch niemand ein freundliches Wort über die weibliche Hauptfigur verliert. Bernd Lange hat bereits das Debüt des Freiburger Duos geschrieben. Ähnlich wie „Goldbach“ (2017) ist auch „Die Blicke der Anderen“ in einer Art Biotop angesiedelt, in dem man nie dazu gehören wird, wenn man von außerhalb stammt. Deshalb steht für alle Beteiligten außer Frage, dass Sandra Vogt (Lisa Hagmeister) nicht nur ihren Mann, sondern auch den kleinen Sohn umgebracht hat. Franziska Schlatterers distanzierte Inszenierung hat allerdings zur Folge, dass inklusive der verdächtigen Hauptfigur niemand wirklich Anteilnahme weckt. Die unauffällige Bildgestaltung und die Dialoglastigkeit geben dem Film einen realitätsnahen Anstrich, aber fesselnd ist er nicht.
13.12.2024
23:00
One
Serie & Mehrteiler
Blümchen, Steinhorst, Blomberg, Saleh, Grudziecki. Sexperimente vor der Ü-30-Party
Mit 15 wurden sie ein Paar. Mit Ende 20 stellen sie sich Fragen. Haben wir was verpasst? Wollen wir Sex mit anderen? Könnte das unsere Beziehung bereichern? Gefragt, getan. 30 Tage lang werden Freddy und Zeno getrennt leben, als Singles durch den Stuttgarter Kneipen-Kiez ziehen, unbekannte Lüste ausleben und Frust mit sich allein ausmachen. „30 Tage Lust“ (Trimafilm, SWR) lädt ein, ein Experiment zu begleiten. Intime Szenen freuen den Voyeur in uns. Aber es geht um mehr. Die Serie porträtiert junge Menschen, die zwischen postulierter Coolness und dräuender Spießigkeit balancieren. Dass die beiden Protagonisten noch nie enttäuscht und abgestürzt sind, macht den Reiz aus. Der Zuschauer kann sich in Sicherheit wiegen. Wir können nicht fallen, wir schauen nur zu. Ohne die vierte Wand je zu durchbrechen, übermittelt „30 Tage Lust“ eine Botschaft sehr deutlich: Wir alle sind ein bisschen feige.
tittelbach.tv ist mir was wert