Mit 15 wurden sie ein Paar. Mit Ende 20 stellen sie sich Fragen. Haben wir was verpasst? Wollen wir Sex mit anderen? Könnte das unsere Beziehung bereichern? Gefragt, getan. 30 Tage lang werden Freddy und Zeno getrennt leben, als Singles durch den Stuttgarter Kneipen-Kiez ziehen, unbekannte Lüste ausleben und Frust mit sich allein ausmachen. „30 Tage Lust“ (Trimafilm, SWR) lädt ein, ein Experiment zu begleiten. Intime Szenen freuen den Voyeur in uns. Aber es geht um mehr. Die Serie porträtiert junge Menschen, die zwischen postulierter Coolness und dräuender Spießigkeit balancieren. Dass die beiden Protagonisten noch nie enttäuscht und abgestürzt sind, macht den Reiz aus. Der Zuschauer kann sich in Sicherheit wiegen. Wir können nicht fallen, wir schauen nur zu. Ohne die vierte Wand je zu durchbrechen, übermittelt „30 Tage Lust“ eine Botschaft sehr deutlich: Wir alle sind ein bisschen feige.
Dominik Graf erzählt in “Hotte im Paradies” vom Glanz und vom Elend des Rotlichtmilieus, vom Aufstieg und Fall eines kleinen Zuhälters. Das Drehbuch von Rolf Basedow basiert auf ausführlichen Recherchen im Milieu. “Es ist harte Arbeit, ein leichtes Leben zu führen” lautet der zentrale Satz des Films. Das Leben auf der vermeintlichen Überholspur, zwischen Kokain-Partys, Table-Strip und den coolen Geschäften im Vorbeigehen, hat seine eigenen Gesetze. Alles sieht locker aus, doch Fehler darf sich keiner leisten. Physisch, intensiv, packend.
„Ich gehöre ihm“ – drei Worte, die die Geschichte einer 15-Jährigen und ihrer ersten großen Liebe gnadenlos auf den Punkt bringen. Der Junge dem das naive Mädchen verfällt, ist ein Loverboy. Er schleicht sich in ihr Leben, um sie später zur Prostitution zu zwingen. Ein schwerer Stoff, ein harter Film, der auf wahren Begebenheiten beruht. Gezeigt wird, wie das Mädchen „aus gutem Haus“ von seiner Familie & seinem sozialen Umfeld systematisch entfremdet wird. Der Film verdeutlicht die Mechanismen dieses Prozesses, der mit völliger Selbstaufgabe endet. Diese weitgehend aus der Opfer-Perspektive karg erzählte Tragödie ist trotz (oder vielleicht gerade wegen) des Verzichts auf jeglichen Voyeurismus oder Lolita-Touch mitunter schwer auszuhalten. Buch & Bildsprache arbeiten kongenial zusammen.
„Ausgerechnet Sex“ ist eine nicht unoriginelle „Sex-sells“-Komödie, die Pornografie (als Thema) und erotisches Ambiente mit der Kritik an sozialen Vorurteilen und kleinbürgerlicher Doppelmoral versetzt und zu einem leicht goutierbaren TV-Spaß aufschäumt. Der Film erhebt nicht den Anspruch, zu zeigen, wie es in der Pornobranche zugeht. Die Wir-sind-eine-große-Familie-Romantik kommt in Filmen immer gut, aber die Set-Realität bleibt bloßes Dekor für die „Wandlung“ der Heldin. Valerie Niehaus spielt mit Grace-Kelly-likem Reinheitsgebot und mit großem komödiantischen Gespür. Fortsetzung möglich!
Ein Student gerät in den Bann seiner verführerischen Nachbarin. „Die Frau hinter der Wand“ ist der dritte Psychothriller aus der Reihe „Stunde des Bösen“, ein vielversprechender Abschlussfilm von Grzegorz Muskala an der dffb. Das ebenso faszinierende wie schreckliche Haus symbolisiert die unergründliche Großstadt und die Gefahren bei der Mannwerdung. Farben, Formen, Geräusche werden zu (erotischen) Symbolen verdichtet. Der Zuschauer wird hineingezogen in diesen Mikrokosmos aus Thriller-Mustern, Ängsten und psychoanalytischen Archetypen. Top gespielt, spannend, mit Splatter-Showdown!
Er wollte den Muff aus den Elternschlafzimmern vertreiben, vor allem Frauen wollte er Mut und Lust machen. Doch mit seinen Idealen von der “freien Liebe” geriet Oswalt Kolle in den 60er Jahren zwischen alle Stühle. Die Konservativen drohten mit Zuchthaus, die FSK setzte seine Filme nicht nur einmal auf den Index, und von der studentischen Linken wurde der “Liebeslehrer der Nation” nur verlacht. Stoff genug für ein Biopic. Doch Eva und Volker A. Zahn entschieden sich, das soziale Phänomen “Kolle” vor allem am Privaten festzumachen. Ein bisschen Ironie ist auch dabei, aber noch mehr Flower-Power-Pop-Nostalgie.
Ein Frotteur, eine unbefriedigte Asperger-Autistin, Paare, die mehr Frust als Lust im Bett verspüren – es gibt viel Arbeit für die junge Sexualtherapeutin in der ironisch-amüsanten ZDF-Sitcom „Komm schon!“. Anderen will sie helfen, ihre eigene Beziehung allerdings, insbesondere ihr Sexleben, entgleitet ihr zusehends und dann nervt auch noch die dominante Mutter. Die Serie punktet mit ihren Dramedy-Charakteren, mit (beiläufigem) Interaktionswitz und vor allem mit ihrem innerszenischen Timing. Für eine Sitcom sind die vier Folgen, alle von Lena Krumkamp geschrieben, ungewöhnlich langsam. Diese Entschleunigung entspricht dem Thema und ist ein gefundenes Fressen für die außerordentlich guten Schauspieler.
Ein Kommissar, der dem Tod seiner Geliebten, Typ Lulu, mit der Ex-Geliebten nachgeht und bald selbst unter Verdacht gerät – das ist Ausgangspunkt einer gelungenen Dorfkrimi-Variation. Der ZDF-Fernsehfilm „Mord in Ludwigslust“ ist ein klassisch klug und doch abwechslungsreich erzählter, bisweilen leicht schräger Krimi-Thriller, reich an Wendungen, versehen mit Rückblenden, nicht zu verschachtelt, nicht zu konstruiert. Die Besetzung ausgezeichnet. Am Ende dann doch mehr Krimi als deutsch-deutsches Drama?
Aus einem Bordell-Besuch wird ein Gang nach Canossa. Wall (Hanns Zischler) plagen Gewissensbisse. Der honorige Jura-Professor vermutet, dass seine begabteste Studentin wegen ihm an der Uni das Handtuch geschmissen hat und nun eine „Karriere“ als Prostituierte anstrebt. Auch wenn der Umgangston kultiviert bleibt, so geht es in dem ARD-Kammerspiel „Prof. Wall im Bordell“ (Degeto / Wolfgang Film) im Verlauf der 83 Minuten mehr und mehr zur Sache. Das Gespräch entwickelt sich von einem ironischen Geplänkel hin zu einem juristischen Diskurs mit provokanten Einwürfen, bis es schließlich die Form einer Gerichts-Verhandlung annimmt. Genüsslich führen das Grimme-gekrönte Duo Nocke & Krohmer vor, wie diesem akademischen Pfau die Flügel gestutzt werden. Ein amüsantes, gut gespieltes Kammmerspiel zum genau Hinhören, das auf der Zielgeraden auch richtig Laune macht.
Frauen gehört die Welt – in der Münchner Maxvorstadt ganz besonders. Hier setzen drei Blondinen und ein brünettes Kücken ganz auf den Domina-Effekt, machen aus Männern Mimosen, und haben allerlei (Geschäfts-)Ideen. Klaus Lemke war wieder auf der Straße. Um wie jedes Jahr einen neuen Film zu drehen. 2017 hieß er „Bad Girl Avenue“, vorfinanziert mit eigenem Geld und mit Gesichtern, die kaum einer kennt. Komplexer Plot, dichte Dramaturgie, Spannung, überzeugende Schauspieler oder einen Beitrag zur moralischen Erbauung – all das sucht man auch in seinem 49. Film (laut Wikipedia) vergebens. So holprig die Narration auch bei dieser Beziehungsfarce ist, so süffig sind die Bilder und die vielen absurden Situationen, so erfrischend ist das Lemkesche Nicht-Spiel und so wunderbar swingt die Musik. Ein guter Geschichtenerzähler aber wird der Münchner auf seine alten Tage wohl nicht mehr.
Mit „Berlin für Helden“ hat sich der Autorenfilmer der ersten Stunde Klaus Lemke erstmals nach Berlin gewagt. Es ist ein munteres Bäumchen-wechsel-dich-Spiel, bei dem wenig gesprochen, dafür viel geflucht und gevögelt wird, wie man in Lemkes großer Zeit, den Siebzigern, zu sagen pflegte. Dieser „Straßenfilm“ entwickelt ein Kraftfeld aus physischen Protagonisten, absurden Dialogen, bizarren Situationen, magischen Momenten. Das Erzählte ist hochgradig banal, die Erzählweise naiv und doch muss man diesen Film mögen!
Tom Schilling spielt einen jungen DDR-Agenten, der 1974 in West-Berlin als Romeo eingesetzt wird, der also weibliche Geheimnisträgerinnen verführen und als Spione anwerben soll. Dass sich die Altherren-Theorien über weibliche Sexualität hier als durchweg erfolgreich erweisen, ist trotz des smarten Hauptdarstellers ein Problem. „Der gleiche Himmel“ ist aber mehr als ein erotischer Agententhriller, zugleich ein Familiendrama und ein historisches Zeitbild vor allem des Lebens in der DDR. Aufwändig inszeniert und ausgestattet, aber auch unübersichtlich und weniger packend als ähnliche Event-Stoffe („Deutschland 83“, „Ku’damm 56“, „Weißensee“). Das abrupte, unvollständige Ende erfordert eigentlich eine Serien-Fortsetzung.
Was als Erotik-Phantasie beginnt, entpuppt sich als Besuch eines Todesengels. Ist diese Frau von der Straße ein verhuschtes Mädchen oder eine fordernde Frau, die gewalttätige Phantasien ausleben will? „Devot“ ist der erste Kinofilm von Igor Zaritzki. Ein visuell ausgeklügelter filmischer Alptraum, ein Spiel mit Wahn und Wirklichkeit, Schein und Sein, Traum und Realität. Getragen von einem Top-Duo. Bei seiner Kinopremiere umstritten.
„Die Nacht, in der ganz ehrlich überhaupt niemand Sex hatte“ ist eine fast surreal märchenhafte Zeitgeist-Komödie um die Gier nach Sex, die das Spiel um eine Seitensprung-Alibi-Agentur gottlob nicht romantisch vergeigt. In einem Hotel öffnen sich Türen und Herzen im Minutentakt. Wer landet wohl mit wem im Bett? Ein lustvolles Ratespiel. Mit wem der Zuschauer in seiner Fantasie ins Bett geht, mit Florian Fitz oder Max Herbrechter, mit Julia Richter, Antje Schmidt oder Sandra Leonhardt, das darf er selbst entscheiden.
An der Küste Istriens verbringt ein verliebtes Paar zwischen Pool, Sonnenliege und Schlafzimmer unbeschwerte Tage – bis ein 17-jähriges Mädchen auftaucht. Dieser (angenehm) handlungsarme TV-Thriller unter südländischer Sonne lebt ganz von seiner Wirkung. Es sind vor allem die Schauwerte, zwischen Erotik und Genre-Trash, die über die fehlende Logik des Gesamt-Plots & kleine dramaturgische Wackler hinwegsehen lassen.
Und es kommt doch auf die Länge an! Der 40-minütige Erotikfilm „Hotel Desire“, das mit Crowfunding finanzierte Regiedebüt des Jungschauspielers Sergej Moya, ist handwerklich überzeugend, für einen Film, der am gesellschaftlichen & filmischen Diskurs Sexualität aktiv teilhaben will, bleibt er allerdings harmlos und ästhetisch naiv. Moyas Idee, mehr sexuell oder erotisch motiviertes Handeln (im Gegensatz zu „Mord und Totschlag“ in der medialen Endlosschleife) stimmig in Filme zu integrieren, ist ein guter Gedanke & das größte Verdienst des kleinen Films, der zeigt, was im Mainstream-Film unter der Bettdecke bleibt.
RTL hatte in den letzten Jahren nicht viel Glück mit seinen Comedy-Serien; Produktionen wie „Doc meets Dorf“ oder „Schmidt – Chaos auf Rezept“ hatten zwar gute Kritiken, aber viel zu wenig Zuschauer. Umso respektabler, dass der Sender nun mit „Magda macht das schon“ einen neuen Anlauf nimmt. Die Serie über eine ebenso hinreißende wie attraktive polnische Altenpflegerin mit großer Klappe macht neben den witzigen Dialogduellen vor allem wegen Hauptdarstellerin Verena Altenberger großen Spaß. Sie verkörpert die Hauptfigur als reizvolle Mischung: Magda kleidet sich wie eine Hure, hat aber das Herz einer Heiligen.
Lalo, PoC, Deutscher, Mitte 20, geht es beschissen. Vor kurzem ist sein Vater gestorben, sein Partner macht mit ihm Schluss und auch andere Freunde, sogar seine beste Freundin Karla, gehen auf Distanz zu ihm. Trauer hin oder her, sie ist aber auch extrem antrengend, diese männliche Hauptfigur der ARD-Serie „Schwarze Früchte“ (Jünglinge Film, Studio Zentral). Und wer glaubt, Fremdschämen ist ein Privileg von Comedys, der wird in diesen acht Mal 30 Minuten eines Besseren belehrt. Lalos Verhalten als Narzissmus zu brandmarken, in ihm neben dem nach (s)einer Identität Suchenden auch die Drama-Queen zu sehen, ist keine Frage von homo- oder heterosexuell. Sein Darsteller Lamin Leroy Gibba ist neben Melodie Simina nicht nur eines der beiden Gesichter dieser für die Mediathek produzierten Drama-Serie, sondern er hatte auch die Idee, ist Showrunner und Headautor. Auch wenn er den Fokus auf die Lebensrealität schwarzer, queerer Figuren legt, erzählt die Serie ebenso individuelle wie universale Geschichten. Und die Charaktere geben den Ton an.
Mit Internet-Zugang, Schäferhund und dem Mut der Verzweiflung macht sich in „Verführt – Eine gefährliche Affäre“ eine junge Frau auf die Suche nach ihrer Schwester. Bald erliegt sie selbst den Lockungen des Netzes und den Lustbarkeiten eines Internet-Swingers von Welt. Der Sat-1-Thriller war durch die gute Besetzung, ein klar strukturiertes, spannendes Drehbuch und eine zeit- und themengemäße Inszenierung 1999 ein Privat-TV-Highlight.
In der Ankündigung von Sat 1 klingt „Verführt – In den Armen eines Anderen“ wie ein Sexfilm. Tatsächlich ist die Geschichte ein Beziehungsdrama: Die Ehe von Karrierefrau Nina und ihrem ähnlich erfolgreichen Mann ist in die Jahre gekommen, das Feuer von einst ist dahin. Als ein mysteriöser Fremder in Ninas Leben tritt, lässt sie sich nach anfänglichem Zögern auf eine Affäre ein. Regisseur Herling verzichtet auf plakative Sexszenen und sorgt dennoch für knisternde Erotik – und Isabell Gerschke ist in jeder Hinsicht sehenswert.