Fünf Freunde feiern im Sommer 1941 Abschied. Zu Weihnachten wollen sie sich wieder treffen. Aus ein paar Monaten werden fast vier Jahre. Die Fünf verlieren ihre Jugend an den Zweiten Weltkrieg – wenn nicht mehr… „Unsere Mütter, unsere Väter“ ist das Porträt einer schuldhaft verstrickten Generation aus verklärten Mitläufern, die zugleich Opfer waren. Autor Kolditz wählt die subjektive Innensicht auf die traumatischen Ereignisse. Das Geschichtsbuch bleibt zugeklappt in Kadelbachs dramaturgisch meisterlichem und filmisch furiosem Dreiteiler. Krieg von unten: Warten, Dreck, Wut, Verrohung. TV-Event ohne die üblichen Verdächtigen. Drastisch die Darstellung der Gewalt, aber auch viele Ruhemomente, Zweier-Szenen, die die Kriegserfahrungen reflektieren. Und die Haltung des Zuschauers? „Schmerzlust“!
Kriegshandlungen statt Friedensmission. „Auslandseinsatz“ in Afghanistan – viele Widersprüche und junge, unerfahrene Soldaten müssen die Situation aushalten. So viel Physis war selten im deutschen Fernsehen. Aber auch das Thema kommt nicht zu kurz in Till Endemanns Film. Die Schauspieler nehmen den Zuschauer an die Hand, führen ihn durch die Fremde, durch das unwegsame Gelände eines im deutschen Fernsehen nicht existenten Genres. Ein ebenso authentisches, packendes wie brutal realistisches Kriegsdrama!
Historischer Agententhriller und Seifenoper am „Zauberberg“: Die Hochglanzserie „Davos 1917“ (SRF, ARD Degeto – Contrast Film, Letterbox Filmproduktion) bietet pralle Unterhaltung in einer Bilderbuch-Winterlandschaft, üppig ausgestattet und toll fotografiert. Die neutrale Schweiz ist ein spannender Schauplatz, denn am Luftkurort Davos bündelt sich die Zeitgeschichte wie unter einem Brennglas. Im Curhaus Cronwald begegnen sich Lungenkranke aus den besseren Kreisen verschiedener Länder, verwundete Soldaten und Spione aller Couleur. Im Mittelpunkt der Handlung steht die jüngere Tochter des verwitweten Curhaus-Besitzers, die nach der Geburt eines unehelichen Kindes in lebensgefährliche Geheimdienst-Abenteuer gerät. Neben Dominique Devenport und David Kross prägt vor allem Jeanette Hain als deutsche Agentin die erste Staffel von „Davos 1917“.
Das Doku-Drama „Eine mörderische Entscheidung“ rekonstruiert und interpretiert die Ereignisse von April bis September 2009 in Kunduz. Es geht in dem ARD-90-Minüter von Raymond Ley, der die Spielszenen ohne jede Wargames-Dramatik inszeniert, um die Befehlshaber oben in der Kommandozentrale und die Zivilisten unten am Flussufer. Es geht um richtige Einschätzungen, falsche Informationen und immer um die Frage, worin „Verhältnismäßigkeiten“ im Krieg eigentlich bestehen können. Und das alles in einer Form und mit einer filmischen Methode, die über alle Zweifel erhaben sind. Stark: Matthias Brandt
Ein Oberleutnant der Bundeswehr wird entführt. Wenig später steht er auf einer Mine. Ein falscher Tritt und er ist tot. Kommissar Papen und Feldjäger Steiger bleibt wenig Zeit. Der Schlüssel zum Fall liegt in Kundus. Herausragender „Polizeiruf“-Einstand in München. Es wird der einzige Film bleiben mit Jörg Hube & Stefanie Stappenbeck. Hube starb im Juni.
Edin Hasanovic gelingt in „Brüder“ das Bravourstück, die Wandlung eines gelangweilten Informatikstudenten aus Deutschland zum IS-Kämpfer glaubhaft zu verkörpern. Wie dieser Schritt für Schritt in die islamistische Szene gerät, sich die Rituale aneignet und schließlich konvertiert, wird im ersten Teil sorgfältig und authentisch erzählt. Zwiespältig sind die in Marokko gedrehten Szenen von der brutalen Herrschaft des Islamischen Staats. Der temporeichere zweite Teil wird zu einem packenden Thriller um einen IS-Rückkehrer. Der Handlungsstrang um Jans Mitbewohner und seine syrische Familie versandet dagegen.
Guy Môquet ist das französische Pendant zu Sophie Scholl. Volker Schlöndorff hat dem mit 17 Jahren hingerichteten Flugblattaktivisten einen bewegenden Film gewidmet: „Das Meer am Morgen“ schildert Kriegsverbrechen in Frankreich anno 1941 aus drei Perspektiven. So entgeht Schlöndorff dem Gut-Böse-Schema. Ein Film, der beklommen macht ob der perfiden Mechanismen der Nazis. Eine nachdenkenswerte Auseinandersetzung mit Ernst Jünger!
„Der Fuchs“ (SWR, Arte, BR, ORF / Geißendörfer Pictures, Lotus Film, Giganten Film, 2010 Entertainment, Film AG) ist ein vielfach preisgekröntes historisches Drama von Adrian Goiginger, der hier die Geschichte seines Urgroßvaters erzählt: Ein junger Österreicher, einst als „Hütekind“ von seiner Familie verstoßen, kümmert sich als Soldat im Zweiten Weltkrieg um einen verwaisten Fuchswelpen und arbeitet so sein eigenes Schicksal auf. Deutscher Filmpreis für den Besten Film und Hauptdarsteller Simon Morzé.
„Einen Film gegen den Krieg und für eine größere Mitmenschlichkeit“, wollte Produzent Nico Hofmann machen, „einen echten Antikriegsfilm.“ Einen Film, der auch denen, die nicht aus eigener Erfahrung wissen, was Krieg und Todesangst bedeuten, etwas zu vermitteln von jenen unvorstellbaren Gräueln. „Dresden“ besticht durch handwerkliche Perfektion und zeigt den Bombenhagel und seine Wirkung: das Chaos, das Leiden, den Tod, das Inferno.
Die Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Klassiker „Im Westen nichts Neues“ (Netflix / Amusement Park) dokumentiert schonungslos das Grauen des Krieges. Wie die Vorlage reiht Edward Berger die aus Sicht eines jungen Soldaten geschilderten Ereignisse während des Ersten Weltkriegs episodisch aneinander; wie der Romanautor bemüht sich auch der Regisseur um einen betont sachlichen Erzählstil. Diese Haltung hat eine gewisse Distanz zur Folge: Wer nicht gerade eine perverse Freude an Gemetzeln hat, wird möglicherweise hoffen, dass es bald vorbei ist. Die Bildgestaltung ist allerdings preiswürdig. Immer wieder zeigen Berger und sein Kameramann James Friend stilllebenartige Aufnahmen vom Tod. Einige Einstellungen sind von bizarrer Schönheit, andere erinnern an düstere Renaissance-Gemälde; viele Momente sind von alptraumhafter Grausigkeit. Die Netflix-Produktion hat eine kleine Kinoauswertung.
Kongo heute, ein deutscher Soldat, der ein einheimisches Kind erschießt? Kann das sein? Eine Feldjägerin muss den Vorfall klären. Sie kommt mit den Maßstäben für Recht und Ordnung in eine Welt unbeschreiblicher Grausamkeit. Ein aussichtsloses Unterfangen, hier „deutsch“ zu verfahren? Alexander Adolph etabliert ein atmosphärisches Spannungsfeld. Die Geschichte ist fiktiv, basiert auf Gesprächen mit Soldaten. Der Film wirbt leise um Verständnis für den Menschen. Er ist packend, psychologisch und filmisch perfekt. Ein Top-5-Film 2010.
„Nacht vor Augen“ ist das dritte Heimkehrerdrama um einen traumatisierten Afghanistan-Soldaten, das in diesem Jahr zu sehen ist. Der bemerkenswerte Debütfilm erzählt leise, ausschnitthaft und nimmt sich Zeit. Umso heftiger wirken die Ausbrüche von Gewalt.
Sprengstoffanschlag im Hochwald. Ein junges Pärchen stirbt. Ein ehemaliger Bundeswehr-Soldat steht unter Anfangsverdacht. Der sonst so mundfaule Kommissar Krüger schlägt im neunten „Spreewaldkrimi“ zwei Fliegen mit einer Klappe – sprich: Er therapiert ansatzweise nicht nur einen jungen Mann mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, sondern sorgt auch für sein eigenes Seelenheil, indem er über sein Lebenstrauma spricht: Sein Vater kam als Wrack aus dem Krieg, bevor er seine Familie zerstörte. „Spiel mit dem Tod“ ist vornehmlich ein psychologisches Drama, das den Krimifall eher nebenbei und unspektakulär löst. Autor Kirchner nutzt wie immer das Genre, um eine tiefe Menschengeschichte zu erzählen, wie sie im Ermittlungskrimi kaum möglich ist. Dass Redls Melancholiker den therapeutischen Wert des Redens entdeckt hat, macht neugierig auf die kommenden ZDF-„Spreewaldkrimis“.
„Fette Hunde“ ist der beste WDR-„Tatort“ der letzten zehn Jahre: Bundeswehrsoldaten kehren aus Afghanistan heim, zwei Drogenkuriere aus Kabul landen zeitgleich in Köln – und das packende Thrillerkrimi-Drama geht erbarmunglos seinen Gang. Der atmosphärestarke Film von Andreas Kleinert nach dem exzellenten Buch von André Georgi erzählt vom Fremdsein, von Beziehungskatastrophen, von Einsamkeit. Ballauf und Schenk müssen nicht moralische Institution sein. Das übernimmt der Plot mit dem engmaschigen Beziehungsgeflecht.
Zwei 17-Jährige, ein Pole und ein Deutscher, begegnen sich 1943 irgendwo im besetzten Ostpolen. Der Krieg scheint weit entfernt, und beide, der polnische Heizer und der deutsche Soldat, haben ein Auge auf die hübsche Franka geworfen. In der deutsch-polnischen Koproduktion „Unser letzter Sommer“ geht es um das Leben hinter den Fronten, um die Sehnsucht der Menschen nach Normalität, auch um die stets lauernde Gefahr. Michal Rogalskis ruhige Inszenierung wartet mit einer kinoreifen Bildsprache auf, die Landschaft und Natur intensiv miteinbezieht. Der stete Wechsel aus Idylle, unbeschwerten Augenblicken und Schrecken schafft eine besondere, beunruhigende Atmosphäre. Am Ende steht eine große Tragödie & die Erkenntnis, dass es Normalität in einem solchen Krieg nicht geben kann.
„Waffenstillstand“ ist ein starker Debütfilm. Lancelot von Naso betätigt sich nicht als Politbotschafter – und doch gibt diese handwerklich großartige Kino-Koproduktion eine Ahnung davon, was es heißt, tagtäglich mit dem Tod konfrontiert zu sein. Außerdem deutet er die Rolle der Medien an in diesem Szenario. Ein für deutsche Verhältnisse ungewöhnlicher Genre-Mix aus Drama, Abenteuer- und Antikriegsfilm, aus Politthriller und Road-Movie.
Wolfgang Petersens Kriegsfilm „Das Boot“ über die Erlebnisse einer U-Boot-Besatzung ist ein in der Filmbranche fast mythisch verehrter Klassiker. Eigentlich gibt es keinen Grund für eine Neuverfilmung; das Werk hat bis heute nichts von seiner Intensität verloren. Andreas Prochaskas Sky-Serie ist allerdings kein Remake, denn die acht Folgen à 60 Minuten erzählen eine andere Geschichte: U 612 ist in geheimer Mission unterwegs und soll Kriegshandlungen vermeiden. Der entscheidende Unterschied ist jedoch eine zweite Handlungsebene mit einer elsässischen Dolmetscherin (Vicky Krieps), die gegen ihren Willen Teil des französischen Widerstands wird. Da sich die Bootsbesatzung an gängigen Klischees orientiert, sind die Szenen an Land im Vergleich zur „Eintönigkeit“ an Bord ungleich abwechslungsreicher. Der Aufwand der gut 25 Mio. Euro teuren Serie ist ähnlich hoch wie bei Petersen, die Hauptdarsteller, allen voran Tom Wlaschiha, Rick Okon und August Wittgenstein, sind sehenswert; den Status eines Mythos’ wird die Serie allerdings nicht erreichen.
„Die Brücke am Ibar“, Michaela Kezeles Kosovo-Kriegsdrama um eine unmögliche Romanze zwischen einer jungen serbischen Witwe und einem verletzten UCK-Soldaten, lief im Kino unter dem Titel „My Beautiful Country“. Die Münchner Filmemacherin mit serbisch-kroatischen Wurzeln setzt sich mit ihrem Debüt zwischen alle Stühle. Der Film wurde dennoch zu recht von der Filmkritik positiv aufgenommen und erhielt zahlreiche Festival-Preise. Eine großartig besetzte, melancholisch-bewegende Anklage gegen den Krieg.
„Die Friedensmission – 10 Stunden Angst“: Der Bundeswehreinsatz in Bosnien ist für das TV-Movie von 1997 allenfalls Hintergrund, auf dem sich ein überzeitliches (Männer-)Drama abspielt, das Drama zweier Elite-Soldaten und eines Militärpfarrers. Man braucht seine Zeit, um hineinzukommen in diese Welt der grünen Tarnanzüge, des Kommisstons, und der verordneten Gleichgeschlechtlichkeit. Doch dann, vorausgesetzt, man lässt sich als Zuschauer darauf ein, gewinnt Jörg Grünlers perfekt inszeniertes und top besetztes Kriegsfilmdrama zunehmend an Spannung, die im Schlussdrittel noch systematisch gesteigert wird.
Die letzten Kriegstage. Die Rote Armee marschiert in Berlin ein und fällt über die Frauen her. Eine sticht heraus, ist klüger als die anderen. Sie sucht sich „einen Wolf, der die Wölfe fernhält“. Und sie schreibt alles in ihr Tagebuch. Doch die Nachkriegsgesellschaft wird diese Frau nicht verstehen. Die dreistündige TV-Fassung von „Eine Frau in Berlin“ überzeugt durch ihre distanzierte Kammerspielhaftigkeit. Gesucht wird der beobachtende Zuschauer.