Der Choleriker Faber wird immer sympathischer, aber Oberkommissarin Dalay erlebt einen Rückfall: Das sind die wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf das Ermittlerquartett. Dafür ist der Lokalkolorit für diesen 13. „Tatort“ aus Dortmund umso interessanter: „Zorn“ (WDR / Bavaria Fiction) spielt vor dem Hintergrund der Zechenschließungen. In einer Siedlung stürzen die Häuser ein, weil unten drunter Schächte verlaufen. Als der Wortführer der ehemaligen Bergarbeiter ermordet wird, kocht die Volksseele. Die Handlung ist komplex, die Schauspieler wirken authentisch, was bei Milieugeschichten besonders wichtig ist, und die Bildgestaltung versieht die Stadt mit einem Grauschleier, als würden immer noch die Schlote qualmen. Aus dem sehenswerten Rahmen fällt allein Aylin Tezel, die die junge Ermittlerin ausgerechnet in wichtigen Szenen wie einen hormonell überforderten Teenie verkörpert.
Der ZDF-Fernsehfilm „Was im Leben zählt“ führt dem Zuschauer eine soziale Utopie und private Sehnsucht vor Augen. Wie viel lebenswerter könnte das Leben doch sein, wenn alle ein bisschen mehr aufeinander achtgeben würden. Diese naiv klinge Botschaft erprobt Autorin Astrid Ruppert zum zweiten Mal nach „Obendrüber da schneit es“ an einer Münchner Hausgemeinschaft. Mit Hilfe einer alltagsdramatischen Leichtigkeit, einer in dieser Tonlage erfahrenen Regisseurin und eines Top-Ensembles mit zwei glaubwürdigen „Stars“ zum Gernhaben gelingt ein liebenswertes Sozialmärchen, in dem einem die vielen Gutmenschen nicht auf die Nerven gehen. Die Gründe dafür sind wohl in der dezenten Ironie, der spezifischen Dramaturgie und der hohen Professionalität aller Beteiligten zu suchen.
Reich und einsam, jung und mittellos – dazwischen tut sich eine Marktlücke auf. Jakob und Manu verkaufen Nähe. „Zarte Parasiten“ bringt den Tauschhandel-Charakter einer Beziehung illusionslos auf den Punkt. Geselligkeit als Dienstleistung, die wahre Liebe, die immer auch ein Flirt mit der Ware Liebe ist. So radikal diese Aussage, die Christian Becker und Oliver Schwabe weder statementhaft noch wertend dem Zuschauer nahe bringen, so radikal ist oftmals auch die Bildsprache, die die schmerzliche Nähe zu den Figuren sucht.
Jan Fedder ist zum zweiten Mal als unorthodoxer Kiez-Pastor im Einsatz. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit hilft dieser unverbesserliche Sozialromantiker, wo es nur geht. Sein Sorgenkind ist eine 16-Jährige mit Baby, für die er eine Privatbürgschaft übernimmt… „Der Hafenpastor und das graue Kind“ setzt das gute Konzept des Auftaktfilms fort, verläuft sich allerdings in den Konventionen einer völlig abgedichteten Dramaturgie, in der kein Platz für gebrochene Charaktere und offene Fragen bleibt. So steht die Machart nicht nur dem Alltagseindruck entgegen, sondern verrät im Grunde auch die Themen des Films. Mit Fedder, Broich & einer moderneren Gangart hat diese ARD-Reihe aber andere Möglichkeiten.
Für einen Sonntagsfilm im ZDF erzählt „Kleiner Junge, großer Freund“ eine ungewöhnliche Geschichte. Es gibt zwar die obligate Romanze, doch im Zentrum steht die Freundschaft zwischen einem erfolgreichen Architekten, der in Kapstadt den Bau eines Einkaufszentrums leitet, und einem kleinen Südafrikaner aus armen Verhältnissen, dessen Elternhaus der Shopping Mall weichen soll. Sehenswert ist das Sozialdrama vor allem wegen der von Stephan Luca und dem kleinen Likho Mango sehr glaubwürdig gespielten Freundschafts-Szenen. Für den „love interest“ sorgt Tanja Wedhorn als Anwältin der kleinen Leute.
Ein Drama um die Volksdroge Nr. 1. – in der Jugend-Variante: „Komasaufen“. So auch der Titel des TV-Films von Bernd Böhlich (Buch) und Bodo Fürneisen (Regie). Im Mittelpunkt steht ein Teenager, der den Problemen des Alltags und des Erwachsenwerdens hilflos gegenübersteht und geradewegs in die Trunksucht steuert. Zweifelsohne ein wichtiges Thema, filmisch ansprechend umgesetzt. Auf Moralisierung wird weitgehend verzichtet, aber in Bezug auf „typischen“ Werdegang und soziales Umfeld des Protagonisten ist die Mischung aus Themenfilm und Coming-of-Age-Drama dann doch zu didaktisch geraten.
„Dschungelbrüder“ von Lars Becker will Spannung mit Anspruch verbinden: Angeklagt werden die illegale Beschäftigung von Asylbewerbern, die an Menschenhandel grenzt, und die Lebensumstände von Schwarzafrikanern in Deutschland. Seinen Reiz verdankt der „Tatort“ in erster Linie den Dialogen von Ritter und Stark, der genauen Milieu-Zeichnung und dem unnachahmlichen Armin Rohde, dessen Putzteufel jede Menge Dreck am Stecken hat.
Die Voraussetzungen für den „Tatort – Fünf Minuten Himmel“ sind vielversprechend: Heike Makatsch als Kommissarin und die eigenwillige Arthaus-Regisseurin Katrin Gebbe („Tore tanzt“). Beide erfüllen die Erwartungen: Die verschlossene, differenziert gespielte Heldin spiegelt sich in einer spröden Inszenierung ohne Gefälligkeitsästhetik. Dafür ist die Geschichte ein Mischmasch aus Whodunit, wilden Kunstfilm-Metaphern und wüstem Sozialdrama. Viel Handlung, viel zu viele Figuren, um Verwirrung zu stiften und so das Mörderratespiel nicht zu gefährden. Angenehm anti-psychologisch, aber eben auch dramaturgisch diffus. Und im Detail viele SWR-typische Fremdschämsituationen, die an die Striesow-„Tatorte“ erinnern.
Ein Obdachloser ist offenbar mit Frostschutzmittel vergiftet worden. Nach einem zweiten Mord an einem Berber ist zu befürchten, dass ein Serienmörder umgeht. Schematisch ist nicht nur die Krimistory, sondern auch der politisch korrekte Schenk-Ballauf-Dialog.
Zwei Mädchen mit unterschiedlichen Träumen teilen sich ein Kind. „Was am Ende zählt“ ist ein Solo für die Hauptdarstellerinnen Paula Kalenberg & Marie Luise Schramm. Aber nicht alles ist gut in in diesem Diplomfilm: beispielsweise die Dramaturgie mit ihren stereotypen „Höhepunkten“ oder die typischen Sozialdrama-Motive Drogenabhängigkeit, Diebstahl.
„Genug ist nicht genug“ will aufklären und sensibilisieren für ein Thema, von dem selbst dem Regisseur Thomas Stiller vor diesem Projekt „nicht die geringste Ahnung“ hatte. Stiller möchte mit dem Film „ein großes Publikum auf die wertvolle Arbeit der Freiwilligen aufmerksam machen“. Der etws zu didaktische Film ergreift Partei für die „kleinen Leute“, sucht keine billigen Lösungen und setzt auf eine gute Mischung altbewährter und neuer Gesichter.
„Wir wollten das erzählen, was im ersten Film nicht so sichtbar wurde“, so Autorin Charlott Grunert. Die Familiensituation rückt in „Natalie – Die Hölle nach dem Babystrich“ zunächst in den Mittelpunkt. Doch das Harmoniebedürfnis kann die Kommunikation nicht ersetzen – und so reißt die Heldin wieder aus… Anne Sophie Briest, Nina Hoger und Udo Schenk bekommen in „Natalie II“ mehr zu spielen; dagegen fallen die weiteren (Jung-)Darsteller deutlich ab.
Ein bisschen Degeto-Schmonzette, ein bisschen weihnachtliches Rühstück. Handwerklich ist an „Wenn du mich brauchst“ von Bodo Fürneisen indes nichts auszusetzen, und wenn man den Film als Plädoyer für mehr Menschlichkeit betrachtet, passt er perfekt in die Jahreszeit. So harmonisch wie im Film ging es hinter den Kulissen der Produktion nicht zu.
Der Niergang eines Teenagers – Sat 1 versuchte das TV-Movie „Natalie – Endstation Babystrich“ durch die soziale „Relevanz“ des Themas aus der Schmuddelecke herauszuholen. Kinderprostitution gibt es in Deutschland, aber so schablonenhaft, wie die Problematik erzählt wird, nimmt das dem viel zu sauberen Film jegliche Wahrhaftigkeit. Natalie gibt die süße Lolita, von der „Wir-Kinder-vom-Bahnhof-Zoo“-Realität ist das „Miljöh“ weit entfernt.