Der achte „Tatort“ mit Ulrich Tukur, „Angriff auf Wache 08“ (ARD / Hessischer Rundfunk), ist ein Remake des Action-Thriller-Klassikers „Assault – Anschlag bei Nacht“ (1976) von John Carpenter. Thomas Stuber legt mit diesem rasanten Asphaltwestern eine breite Referenzspur durch die Filmgeschichte, denn das legendäre B-Picture verstand sich als Reminiszenz an Hawks’ „Rio Bravo“ mit John Wayne, diese kaputte Spätwesternvariante von „Zwölf Uhr mittags“, und an Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“, und zog bereits 2005 ein US-Remake nach sich. Ob man als Zuschauer das Original kennt und von den Bezügen weiß oder nicht – dieser „Tatort“ ist ein faszinierender Genrefilm, der zu recht auf political correctness & Botschaften pfeift und stattdessen lieber mit coolen Kinogesten, ästhetischer Ironie und mit Wehmut an Zeiten erinnert, in denen noch nicht mit Handy und Internet die klassische Spannungsdramaturgie kaputt gemacht wurde. Und „Nummer 5 lebt“!
Historischer Agententhriller und Seifenoper am „Zauberberg“: Die Hochglanzserie „Davos 1917“ (SRF, ARD Degeto – Contrast Film, Letterbox Filmproduktion) bietet pralle Unterhaltung in einer Bilderbuch-Winterlandschaft, üppig ausgestattet und toll fotografiert. Die neutrale Schweiz ist ein spannender Schauplatz, denn am Luftkurort Davos bündelt sich die Zeitgeschichte wie unter einem Brennglas. Im Curhaus Cronwald begegnen sich Lungenkranke aus den besseren Kreisen verschiedener Länder, verwundete Soldaten und Spione aller Couleur. Im Mittelpunkt der Handlung steht die jüngere Tochter des verwitweten Curhaus-Besitzers, die nach der Geburt eines unehelichen Kindes in lebensgefährliche Geheimdienst-Abenteuer gerät. Neben Dominique Devenport und David Kross prägt vor allem Jeanette Hain als deutsche Agentin die erste Staffel von „Davos 1917“.
Planwagen, Viehtrecks, Kavalleristen – die Bewegung durch kaum berührte Landschaften im Pferdetempo gehört zu den zentralen Motiven des Western-Genres. Regisseur Thomas Arslan greift es in seinem Film „Gold“ auf, vergegenwärtigt seinem Publikum aber realitätsnah die Strapazen und Gefahren einer solchen Expedition, die seine Protagonisten, eine Gruppe deutscher Auswanderer, zu den Goldadern am Klondike River führen soll. Das Leben, das sie zurücklassen, ist so erbärmlich, dass sie den Tod in Kauf nehmen. Evident ist die realistisch wirkende Umsetzung, die dennoch die gestaltende Hand des „Autors“ erkennen lässt.
Ein Fremder taucht in einem Dorf auf und alle spielen verrückt: „Heute stirbt hier Kainer“ (HR) ist ein kraftvoller, komischer, sich bis zum bleihaltigen Showdown steigernder Irrsinn im Western-Style. Martin Wuttke als todgeweihter Einzelgänger, der auf dem Land seine letzte Ruhe finden will, ist ein Ereignis. Dazu bevölkern Langfilm-Debütantin Maria-Anna Westholzer (Drehbuch und Regie) und Michael Proehl (Drehbuch) ihre bizarre Geschichte mit herrlich abgedrehten Nebenfiguren. Verzweiflung, Hingabe, Gewalt und Tod vor stimmungsvoll fotografierter Landschaft, einfalls- und wendungsreich, manchmal auch einfach nur gaga, bis hin zum sinnfreien Finale mit simpler Freude am Ballern.
Krimi mit Familienanschluss. Was kalkuliert klingt, wird zum großen Spaß. „Schwarzach 23 und die Hand des Todes“ bedient sich nicht nur vordergründig einiger Hitchcock-Motive, der ZDF-Samstagskrimi von Michael Comtesse, Christian Jeltsch und Matthias Tiefenbacher erinnert vor allem in seiner dramaturgisch stimmigen und filmisch eleganten Mixtur aus Spannung & schwarzem Humor, Krimi & Komödie, Thrill & Beziehungsspielen an die Kunst des Hollywood-Altmeisters. Vorzügliche Schauspielerleistungen bis in die kleinsten Nebenrollen runden diesen Bayernkrimi ohne Bayernklischees (dafür mit Western- & Alexis-Sorbas-Zitaten) ab, der zeigt, wie intelligent Fernsehkrimi-Unterhaltung sein kann!
Wer hätte gedacht, dass der seit Jahrzehnten vor sich hinsiechende Western in einem deutschen Krimi Widerauferstehung feiern würde?! Das Autorenduo Clausen/Pflüger und Jungregisseur Dustin Loose hübschen die Mär vom „Höllischen Heinz“ (MDR / Wiedemann & Berg) erfreulicherweise nicht bloß im Western-Style auf, sondern haben viel von der Zeichensprache des Genres übernommen und auch die Geschichte konsequent mit Western-Motiven erzählt. Dass sie dabei über die Realität hinausschießen, versteht sich von selbst. Die Komödie macht es möglich, dass selbst die deutlich inszenierte Western-Ikonografie nicht aufgesetzt wirkt, sondern als eine ins Narrative verlängerte Ironisierung sogar noch besser funktioniert als der gagreiche Schlagabtausch zwischen dem Ermittlerduo, der in dieser Episode zurückgefahren wird, weil Dorn als sexy-Cowgirl Undercover ermittelt. Ein spielfreudiges Ensemble, eine sehr stimmige Inszenierung, eine perfekte Ausstattung. Ein großes Neujahrsvergnügen!
„Neuland“, der Titel ist Programm. Der stark besetzte Film, bei dem der Hessische Rundfunk mal wieder auf neue Kräfte setzte, betrat ein Feld, das zuletzt nur einmal Schimanski beackerte oder in den 70er Jahren die legendären „Tatorte“ von Wolfgang Petersen. „Neuland“ klingt nach Pioniergeist, nach Western, aber auch nach Einkaufszentrum.
Dieses Projekt ist reizvoll, aber riskant: Bei Millionen von Winnetou-Fans müssen die Filme gegen die Klassiker aus den Sechzigern bestehen. RTL ist es jedoch gelungen, dem Mythos mit einer Mischung aus Romantik & Realismus (die Eingeborenen sprechen Lakota) und ganz ohne Pathos neues Leben einzuhauchen. Die Produktion ist geprägt vom Respekt gegenüber den Romanen Karl Mays wie auch den alten Filmen, deren berühmte Melodien in die Filmmusik eingeflossen sind. Buch und Regie haben „Winnetou“ nicht neu erfunden, erzählen die Geschichten aber auf eine Weise, die der heutigen Zeit angemessen ist. Die Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring, Nik Xhelilaj & Iazua Larios sind vorzüglich.
Hedly, schon der Ortsname klingt nach Western. „13 Uhr mittags“ (NDR / Aspekt Telefilm) ist ein Krimithriller unter deutlicher Zuhilfenahme der Komödie und eben ganz besonders jenes uramerikanischen Genres. Erzählt wird – „High Noon“-like – die Geschichte eines Mannes mit dem Rücken zur Wand, und wie Gary Coopers Held hat auch der kleine Dorfpolizist mit dem sichtlich schlechten Gewissen wenig Verbündete: nur eine BKA-Frau & die Schützenkönigin, ein echtes Flintenweib. Der Mix aus Spannungsplot und Amüsement des Augenblicks wirkt hier etwas gröber und die Western-Anleihen expliziter als in den Landkrimis mit Hinnerk Schönemann. Autor ist hier wie dort Genre-Experte Holger Karsten Schmidt. Weshalb er mal wieder sein Pseudonym Klaus Burck gewählt hat, gibt der Film nicht Preis. Inszenatorische Mängel sind nicht erkennbar, die Besetzung passt, die Länge (80 Minuten) für diese geradlinige Geschichte stimmt, und schön nostalgisch ist teilweise auch die Farbdramaturgie. Und dass es diesem frühsommerlichen Genre-Cocktail deutlich an Subtexten fehlt, ist dafür etwa die (Jung-)Regisseurin Martina Plura verantwortlich zu machen?!
Eine junge Frau erbt ein Restaurant in Amerika. Nur ist Amerika nicht der Kontinent der Hoffnung, sondern ein 80-Seelennest zwischen Leipzig und Chemnitz. „Amerika“ ist eine launige, postmoderne Westernparodie, bei der es sich auszahlte, mit Ronald Eichhorn einen Regisseur ranzulassen, der bisher nur Videoclips gedreht hat. Das erinnert an „Wir können auch anders“ – und Sophie von Kessel spielte sich damit 1996 von ihrem „Schloss-Hohenstein“-Image frei.
Kamen Western-Motive zuletzt immer wieder in Krimis zum Tragen, satteln nun die Cowboys im Dramedy-Genre die Pferde. „Die Büffel sind los“ ist bereits der dritte Degeto-Film, der sich den Codes & der Ikonografie des Männergenres annimmt, in dem es um Land, Grenzen und Besitzstände geht. Autorin Hecht hat den Plot mit zeitgemäßen Subtexten (Ausverkauf der osteuropäischen Länder, Fremdenfeindlichkeit, Flüchtlingskrise) beiläufig unterfüttert, und Tomy Wigand hat alles mit einer ironisch-erotischen Prise Romantik und dem Gespür für filmische Bilder aufgeladen. Ein vortrefflicher Cast mit zwei Hauptdarstellern, Unterberger & Benjamin, von denen man noch viel hören & sehen wird, runden den sehr gelungenen Unterhaltungsfilm ab, der überaus reizvoll mit den Geschlechterrollen zu spielen weiß.
Die von Julia Koschitz gespielte Bankräuberin aus dem ersten „Harter Brocken“-Krimi ist zurück – und zwingt den Harzer Dorfpolizisten Frank Koops zu einem Bankraub. Wenn es nur das wäre… Wartete unlängst „Die Kronzeugin“, die zweite Episode der ARD-Premium-Reihe, mit einem großen Blutbad auf, fällt „Der Bankraub“ (Degeto / H&V Entertainment) vergleichsweise zahm aus, denn die Klingen kreuzen hier zwei psychologische Taktierer. Das heißt auch für den Zuschauer: Die Spannung findet im Kopf statt, bis es im letzten Drittel Schlag auf Schlag geht. Ansonsten gilt: Die Handlung ist überschaubar, das Personal übersichtlich und diese Genre-Geschichte erhebt keinen Anspruch auf Realitätsnähe. Typisch Autor Schmidt. Das Besondere liegt wie immer im Detail. Und Stadelmann/Koschitz sind ein Klasse-Duo!
Ein Blutbad im Harz, fünf Tote, ein beherzter Dorfpolizist mittendrin – und der hat bald auch noch eine Kronzeugin und vier Bad Cops vom LKA an der Backe. Nach dem enormen Erfolg von „Harter Brocken“ hat Aljoscha Stadelmann in „Die Kronzeugin“ (ARD Degeto / H&V) nun seinen zweiten Einsatz als Mann des Gesetzes, der von allen gewaltig unterschätzt wird. Gleiches galt lange Zeit auch für diesen Schauspieler, der neben dem klar und überschaubar gestalteten Drehbuch von Holger Karsten Schmidt Herzstück dieses Premium-Krimis ist. So straff der Plot, so verspielt einige Details. Insgesamt dominieren Spannung & Genre-Brüche. Besonders eindrucksvoll inszeniert: eine akzentuierte Suspense-Szene & das Blutbad.
“Jennerwein” ist ein Film über eine Freundschaft, die in Feindschaft umschlägt, ein Wilderer-Drama über den Lebenskampf in einer Epoche, in der ein Menschenleben nichts wert ist. Die Ästhetik liegt irgendwo zwischen Schlamm, Schnee & schlechtem Wetter.
Dickschädel Matthiesen hat dank seines Schnapskonsums sein Leben gegen die Wand gefahren; auch seine drei schönen Töchter haben offenbar das Loser-Gen geerbt. Nach Jahren der Funkstille müssen sich die Vier zusammenraufen, um ihren heruntergekommenen Hof in Meck-Pomm nicht zu verlieren… Die trockenen Dialoge und die Kino-like Politik der Blicke, der coole Western-Look, die liebevolle Ausstattung und die ausgezeichnete Besetzung unterscheiden „Matthiesens Töchter“ vom Großteil der herkömmlichen Unterhaltungsfilme. Auch und vor allem, weil Drehbuchautor Sathyan Ramesh und Regisseur Titus Selge weniger auf die Handlung und mehr auf die vielschichtigen Charaktere voller Eigensinn setzen.
Eine politisch spitze These stellt Christian Bach in seinem „Polizeiruf 110 – Heimatliebe“ (RBB / Eikon Media) über die kriminellen Unarten der Liebe zur Heimat in den Raum. Ließe sich womöglich das Deutsche Reich in seinen alten Grenzen mit Hilfe des Marktes – sprich: der Kaufkraft der Deutschen – wiederherstellen? Das ist nicht das einzige Befremdliche, das Lenski & Raczek im deutsch-polnischen Grenzgebiet von preußischen „Reichsbürgern“ und ultrarechten polnischen Nationalisten zu hören bekommen. Bachs gut besetztes TV-Debüt ist wie ein Western erzählt und zeichnet sich durch einen für diesen „Polizeiruf“-Ableger so typischen spröden Realismus aus, der Land und Leute, Sprache und Vorurteile stimmig und stimmungsvoll in den Film einbindet. Und im Schlussdrittel wird es richtig spannend.
Western Time im Ersten! „Harter Brocken – Der Goldrausch“ ist der achte Harz-Krimi um den eigenwilligen, stoischen Dorfpolizist Koops, der eine Killerin jagt und einen Goldschatz sucht. Es geht um Gier, unabhängig vom politischen System, hüben wie drüben, damals wie heute. Und wie weit Menschen gehen, diese zu stillen. Markus Sehr hat seinen dritten „Harter Brocken“-Krimi inszeniert. „Der Goldrausch“ bietet ein Katz- und Mausspiel mit cleveren Protagonisten: Aljoscha Stadelmann als Dorfsheriff gegen „Die Füchsin“ Lina Wendel als Ex-Stasi-Offizierin. Humoriger Höhepunkt des Psycho-Duells: Ein Tresen-Zweikampf mit viel Alkohol, K.o.-Tropfen und vertauschten Gläsern, in dem die Killerin dem Cop absolut das Wasser (oder Bier!) reichen kann. Thriller, Abenteuer, Comedy in einem: passt!
Die Mafia ist hinter einer Kunst-Fälscherin her, die sich unter falschem Namen im beschaulichen St. Andreasberg im Harz einquartiert hat. Doch natürlich scheitert das Organisierte Verbrechen auch im fünften Film aus der ARD-Reihe „Harter Brocken“ am stoischen Dorf-Sheriff Frank Koops (Aljoscha Stadelmann) und seinen furchtlosen Getreuen. Die Geschichte von Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt kreist in „Die Fälscherin“ (Degeto / Odeon Fiction) um das Werk des englischen Malers William Turner. Die mit Genre-Zitaten aus dem Italowestern und aus Mafia-Filmen geschmückte Folge ist nicht ganz so rasant und spannend wie frühere Filme aus der Reihe, aber dank der liebenswerten Figuren und der auch von Regisseur Anno Saul gepflegten komischen Leichtigkeit ausgesprochen sympathisch. Hier obsiegen die Underdogs, hier halten die „Hinterwäldler“ zusammen.
Es ist schon ein abenteuerliches Unterfangen, 2013 einen „Indianerfilm“-Western fürs deutsche Fernsehen zu drehen. Trotz ruhmreicher deutsch-deutscher Vergangenheit mit Karl May, Winnetou und Gojko Mitic – ist die Zeit reif? Der Sender versucht, mit den Guinness-Buch-üblichen Produktionsrekorden zu punkten. Wichtiger ist, dass „In einem wilden Land“ mit Emilia Schüle als Frau mit dem Donnerherzen die Herzen der Zuschauer gewinnen kann, dass die ureinwohnerfreundliche Botschaft trotz einiger Klischees Raum gewinnt und Matsutanis Film optisch überzeugen kann. Außerdem machen deutsche Schauspieler heute eine sehr viel bessere Figur in einem solchen Genre als zu Old Shatterhands Zeiten. Ein Film für Fans!
Wo die Liebe hinfällt – die Heldin in dem Zweiteiler „Miss Texas“ verschlägt es ins Land der Bigotterie, der Republikaner und Steak-Fetischisten. Es imponiert, wie die Deutsche den texanischen Machos den Schneid abkauft. Im zweiten Teil dominiert deutlich das Drama über das Melodram. Die Rolle wurde Natalia Wörner „auf den Leib geschrieben“.