Die TV-Highlights im Dezember
Gute, solide Krimis, und es weihnachtet sehr....
14.12.2024
20:15
HR
Serie & Mehrteiler
Schlott, Mpetho, Brandmeier, Nay, Koschitz, Zahavi. Befreiung, Liebe & Rassismus
1951, Goldgräberstimmung in der Pfalz. Die Amis bringen nicht nur Swing, Blue Jeans & Coca-Cola in die Provinz, sie sind auch verantwortlich für Bauboom & Strukturwandel. Die Entnazifizierung ist abgeschlossen; Deutschland ist Schutzwall gegen den Kommunismus. Vor diesem weltpolitischen Hintergrund erzählt die sechsteilige Serie „Ein Hauch von Amerika“ (u.a. SWR / FFP New Media) eine Liebeschichte zwischen einer Bauerntochter und einem schwarzen Soldaten. „German Krauts“ treffen auf den American Way of Life. Es ist eine Geschichte, in der Aufbruchstimmung, Emanzipationsbestreben, Rassismus, Antisemitismus und andere nationalsozialistische Sünden miterzählt werden. Noch versucht die Eltern-Generation im Schulterschluss mit der Kirche, am Bestehenden festzuhalten. Die Jugend indes ist fasziniert von der US-Populärkultur und den Möglichkeiten des Konsums. Und die schwarzen GIs sind hin & weg von den unbekannten Freiheiten und den deutschen „Frolleins“. Präsentiert wird das Ganze als nahezu perfekt inszeniertes Melodram. Das Genre hilft, die komplexe Gemengelage zu vereinfachen und herunterzubrechen auf eine emotional funktionierende Erzählung, die Erinnerungen weckt an Fassbinders Nachkriegsmelos.
14.12.2024
21:50
SWR
Reihe
Fischer, Letkowski, Nolting/Scharf, Braak. Heimatkrimikomödie – erfrischend anders
Landkrimis und Leichen mit Augenzwinkern haben Konjunktur. Für „Die Bestatterin – Der Tod zahlt alle Schulden“ (ARD / die film gmbh) hat das Grimme-Preis-gekrönte Autorenduo Arne Nolting & Jan-Martin Scharf („Weinberg“) eine narrativ stimmige Genre-Kombination aus beiden Trends entwickelt. Figuren, Situationen, Dialoge, die Erotik der Interaktion – all das ist erkennbar überhöht und leicht komödiantisch unterfüttert. Da verbinden sich Schwarzhumoriges und regionale Bodenständigkeit, Witz mit Dialekt, Ernst und Emotion ausgewogen miteinander. Ganz vorzüglich zu diesem Tonlagenmix passt Anna Fischer als ermittelnde Bestatterin, der mal wieder alle Sympathien gehören. Der gute Gesamteindruck des Films spiegelt sich in zahlreichen filmischen Details: im liebevollen Szenenbild, in der klaren Bildsprache und der Darstellung der schwäbischen Landschaft (sie ist einfach da).
14.12.2024
22:00
BR
Fernsehfilm
Martina Gedeck & die Schwarzenbergers: Weihnachtlicher Abgesang auf die Familie
„Single Bells” war vor zwei Jahren die große Überraschung zur Weihnachtszeit. Eine bissige Familiensatire, eine Wohltat im rührselig-tränendrüsigen Fernseh-Einheitsbrei. Nun gibt es die Fortsetzung aus der Schwarzenberger-Beziehungskomödien-Werkstatt: „O Palmenbaum“. Der blanke Familienhorror diesmal nicht unter dem heimischen Nadelgewächs, sondern zwischen Cocktail, Hautausschlag und Tauchgang im paradiesischen Mauritius. Vortrefflich!
14.12.2024
23:15
SWR
Reihe
Anna Fischer, Matthiessen, Letkowski, Buresch, Möhrke. Mafia-Methoden auf der Alb?
Vor eineinhalb Jahren spekulierten wir in der Kritik zu „Die Bestatterin – Der Tod zahlt alle Schulden“ über eine mögliche Reihe, für die dieses schwäbische Landkrimi-Szenario mit Augenzwinkern ausgesprochen geeignet schien. Präsentierte die ARD diesen Film noch als ein Samstagabend-Unikat im Frühsommer (mit solider Quote: 3,87 Mio. Zuschauer = 17,2% MA!), platziert der Sender „Die unbekannte Tote“ (SWR / die film gmbh) nun auf dem Donnerstagskrimi-Sendeplatz zur quotenträchtigsten Jahreszeit. Mord mit süddeutscher Aussicht, aber ohne jede Natur- oder Wetterschönfärberei. Das sehr hohe Niveau zum „Auftakt“ kann der zweite Einsatz von Anna Fischer als kriminalisierende Bestatterin, die es in ihre alte Heimat verschlagen hat, trotz ähnlicher Tonlage und guter Inszenierung nicht ganz halten. Weitere Episoden sind trotzdem wünschenswert, da die Heimatkrimi-Farbe bei der Degeto aktuell nur norddeutsch vertreten ist – und der renommierte Autor Alex Buresch das Potenzial von Bestatter-Milieu, Titelfigur & Fischer noch nicht ausgeschöpft hat.
14.12.2024
23:20
3sat
Fernsehfilm
Sophie von Kessel, Charly Hübner, Kehlmann, Geschonneck. „Wo ist die Bombe?“
Ein Raum, zwei Schauspieler, ein Sprachduell in Echtzeit. Matti Geschonnecks Fernsehfilm „Das Verhör in der Nacht“ (ZDF / Network Movie) ist entstanden nach dem Theaterstück „Heilig Abend“ von Daniel Kehlmann. Der Schriftsteller hat auch das Drehbuch verfasst. Der Zuschauer kann sich selbst seine weltanschaulichen Gedanken machen in diesem eleganten Kammerspiel-Kampf mit Worten zwischen Staatsschützer und Philosophie-Professorin. Diskutiert wird von den beiden vor allem das ewige Dilemma zwischen Freiheit und Sicherheit. Wie im Theater setzt auch das TV-Stück auf das Wort, die ausgefeilten, stets gut verständlichen Dialoge, die Charly Hübner und Sophie von Kessel zum Besten geben. „Die Spannung im Film entsteht über die Nahaufnahmen, die Augen und den Gesichtsausdruck“, so von Kessel. Die Charaktere, mehr oder weniger Ideenträger, gewinnen durch die physische Präsenz des Top-Duos, die das Psychologisch-Menschliche betont. Glaubt man einigen Theaterkritikern, könnte der Film dadurch sogar noch besser als das Stück geglückt sein.
14.12.2024
23:30
BR
Fernsehfilm
Atzorn, Ellert, Potthoff und eine nicht ganz so verrückte bayerisch-arabische Hochzeit
„Zimtstern und Halbmond“ erzählt von einer deutsch-palästinensischen Liebe, einer bayerisch-arabischen Familienzusammenführung und einem muslimisch-katholischen Glaubenskrieg. Das daraus entstehende Tohuwabohu endet mit einem weisen Kompromiss des Herzens. So kriegt diese Degeto-Produktion die Kurve zur universalen Versöhnung mit dem Vater als allwissendem Erzähler. Allzu frech wird hier nicht gewitzelt. Erst muss die arabische Kultur erklärt werden, bevor man sich über sie lustig macht. Ein gelungener Weihnachtsfilm!
15.12.2024
00:45
SWR
Reihe
Schönemann, Klinge, Lohse, Holle, Wolfrum. Cooler Spannungs-&-Entspannungs-Flow
Die aktuelle Trilogie von „Nord bei Nordwest“ (NDR, Degeto / Aspekt-Telefilm) reiht sich nahtlos an die bislang beste Staffel 2020. Noch immer wird Lona Vogt betrauert. Alles beginnt im lieb gewonnenen, norddeutsch entspannten Erzählrhythmus dieser etwas anderen Donnerstagskrimi-Reihe. Dann erweist sich ein LKA-Mann als eiskalter Killer, die Ministerpräsidentin gerät in Lebensgefahr und außerdem steht der Held unter Mordverdacht. „Der Anschlag“ ist ein Top-Einstieg in die neue Staffel. Der Film ist ein Musterbeispiel für strukturelles, reduziertes, konzentriertes und filmisch ausgefeiltes und spannendes Erzählen. Auch „Conny & Maik“, eine Asphaltwestern-Krimi-Ballade mit ernsthaften Drama-Momenten, kann sich sehen lassen und besitzt den unwiderstehlichen „NBN“-Flow. In dem Film zeigt sich die neue Polizistin im Ort (markant: Jana Klinge) von einer ominösen Seite, darf aber gleich zwei Mal Hauke Jacobs das Leben retten. Ein bisschen ab fällt dagegen – vor allem dramaturgisch – die dritte Episode „Im Namen des Vaters“. Doch spätestens im Schlussdrittel kollidieren zwei Grundplots killercool-packend miteinander und zuvor kommt auch noch die kalabrische Mafia actionreich und bleihaltig ins Spiel, sodass die verwöhnten Fans der Reihe am Ende wieder versöhnt auf baldigen Nachschub hoffen werden.
15.12.2024
01:05
BR
Fernsehfilm
Benjamin Sadler, Morreis, Douven, Tiefenbacher. Gut & geschmackssicher erzählt
Ein (un)glücklicher Zufall lässt zwei grundverschiedene Menschen einander begegnen: einen Architekten, der unter Zwangsstörungen leidet, und eine alleinerziehende Mutter mit massiven Existenzsorgen. Liebe auf den ersten Blick ist das nicht. Während aber im Leben meist nur der erste Eindruck zählt, bekommen die ungleichen Charaktere in „Pohlmann und die Zeit der Wünsche“ (Degeto / filmpool) mehrere zweite Chancen. Dieser Film braucht nicht die gönnerhafte Nachsicht, mit der man als Kritiker in der Weihnachtszeit gern mal gefühlvollen Fernsehfilmen begegnet. Dafür ist die psychologische Grundierung der Geschichte zu stimmig und die Narration zu geschickt gebaut. Der kitschfreie Film von Matthias Tiefenbacher besitzt einen süffigen Erzählfluss ohne Redundanz, der dem Alltagsrhythmus nachempfunden ist. Damit bekommt die Produktion einen Sonderstatus am ARD-Freitag – was gleichermaßen auch für die vorzügliche Besetzung mit Benjamin Sadler und Marlene Morreis gilt.
15.12.2024
02:15
SWR
Reihe
Fischer, Letkowski, Nolting/Scharf, Braak. Heimatkrimikomödie – erfrischend anders
Landkrimis und Leichen mit Augenzwinkern haben Konjunktur. Für „Die Bestatterin – Der Tod zahlt alle Schulden“ (ARD / die film gmbh) hat das Grimme-Preis-gekrönte Autorenduo Arne Nolting & Jan-Martin Scharf („Weinberg“) eine narrativ stimmige Genre-Kombination aus beiden Trends entwickelt. Figuren, Situationen, Dialoge, die Erotik der Interaktion – all das ist erkennbar überhöht und leicht komödiantisch unterfüttert. Da verbinden sich Schwarzhumoriges und regionale Bodenständigkeit, Witz mit Dialekt, Ernst und Emotion ausgewogen miteinander. Ganz vorzüglich zu diesem Tonlagenmix passt Anna Fischer als ermittelnde Bestatterin, der mal wieder alle Sympathien gehören. Der gute Gesamteindruck des Films spiegelt sich in zahlreichen filmischen Details: im liebevollen Szenenbild, in der klaren Bildsprache und der Darstellung der schwäbischen Landschaft (sie ist einfach da).
15.12.2024
02:25
ARD
Reihe
Heino Ferch, Samuel Finzi, Suter, Rauhaus, Thomas Berger. Ein Gentleman bittet zur Kasse
Johann Friedrich von Allmen hat schon bessere Tage gesehen. Mit seinem großspurigen Lebensstil dürfte es bald für ihn und seinen loyalen Diener und Freund vorbei sein. Immerhin hat er schon mal die Fühler zu einer sehr guten Partie ausgestreckt und ein Kunstraubobjekt könnte ihn fürs erste und eine verwegene Geschäftsidee längerfristig retten… „Allmen und das Geheimnis der Libelle“ spielt heute, doch die Anmutung der dargestellten Welt und der Umgangston, den die Hauptfiguren pflegen, verweisen auf einen Lebensstil vergangener Tage. Dieser Auftakt zu einer neuen Reihe ist vielversprechend, aber nicht völlig gelungen. Der Film ist (gewollt) elegant, launig, ironisch, geistreich und schön anzuschauen, ist aber auch etwas langatmig und etwas zu „literarisch“. Mehr Blake Edwards, weniger Suter wäre schön!
Vergangene Highlights im Dezember
12.12.2024
00:15
ARD
Fernsehfilm
Anna Schudt, Klare, Waschke, Maxeiner, Markus Herling. Im Innern einer (Ehe-)Frau
Ein Abend in einem Insel-Hotel. Plötzlich scheint da nur noch dieser Fremde zu sein. Der Alltag, der geliebte Ehemann, die Familie, alles ist ganz weit weg. Ein amüsantes Rollenspiel ersetzt den Sex. Doch dann bleibt dieser Mann kein Fremder mehr, taucht plötzlich auf im Leben dieser Frau, die bisher immer alles unter Kontrolle hatte… „Zwischen zwei Herzen“ erzählt keine jener klassischen Dreiecksgeschichten, die zeigen, wie unergründlich die Wege der Liebe sein können, sondern der (lebens)kluge Film bleibt sehr viel offener für einen Beziehungsdiskurs, indem er mehr der Liebe in Gedanken Ausdruck verleiht. Die amourösen Möglichkeiten werden in einem präsexuellen Stadium durchgespielt. Die Inselerfahrung der Hauptfigur schleicht sich nicht nur in deren Leben, sondern sie findet auch eine ästhetische Entsprechung, die sich in einem wunderbaren Erzählfluss spiegelt. Realität und Poesie gehen Hand in Hand: Kamera, Montage, Ton, Szenenbild, Kostüm, Musik – alles ist stimmig und gerät äußerst stimmungsvoll. Das gilt auch für die prominente Besetzung mit den „Tatort“-Köpfen Felix Klare, Mark Waschke und der einzigartigen Anna Schudt.
12.12.2024
10:00
Arte-Mediathek
Fernsehfilm
Mediathek-Premiere
Meret Becker, Landau, Lukas, Bading, Deppert, Nana Neul. Großmutter wird wieder Mensch
Mittfünfzigerin Anne (Meret Becker) lebt einsam auf einem brandenburgischen Bauernhof, als eines Tages ihre achtjährige Enkelin (Luise Landau) vor der Tür steht, weil ihre Mutter, Annes Tochter, im Gefängnis sitzt. Rasch ist das Leben der eigenbrötlerischen Frau völlig auf den Kopf gestellt. Zunächst aber ist da die Ankündigung „Familie is nich!“ (ZDF, Arte / Lieblingsfilm), mit der Anne ihre Enkelin gleich mal einzunorden versucht. Der Film ist denn auch weniger ein Familiendrama als das Porträt einer Frau, die sich verändert, von der Vergangenheit löst und sich für andere öffnet, wunderbar verkörpert von Meret Becker. Fazit: eine „kleine“ und unsentimentale Geschichte über drei Generationen eigenwilliger, unkonventioneller, temperamentvoller Frauen. Mit leichten dramaturgischen Holperern.
12.12.2024
13:50
One
Fernsehfilm
Klaus Steinbacher, Sinje Irslinger, Hübner, Wosch, Herzogenrath. Treue Seele trifft flotten Feger
Mit dem Bus von Berlin ins tiefste Oberbayern ist nicht gerade verlockend. In der ARD-Weihnachtsfilm-Liebeskomödie von Tommy Wosch und Felix Herzogenrath unternimmt das Liebespaar in spe diese Fahrt gleich viermal, alle Jahre wieder, am 23. Dezember. Treue Seele trifft auf flotten Feger, Ordnung auf Spontaneität, Familiensinn auf Unabhängigkeits-Liebe – das erinnert zunächst ein bisschen an die frechere RomCom-Variante: die Screwball Comedy. Die Muster sind bekannt, doch die Erzählstruktur, die frischen, sympathischen Charaktere, die lebendigen Situationen, das großartige Ensemble, ein edler Soundtrack und das Glück mit dem Winterwetter wirken Wunder. „Alle Jahre wieder“ (UFA Fiction) variiert so hinreißend das Bewährte, dass dieser wunderbare Film einfach ein Klassiker des Genres werden muss.
12.12.2024
20:15
ARD
Reihe
TV-Premiere
Kohlund, Klink, Jakoby, Bennent, Richter. Wenn sich Lebenswege tragisch kreuzen
Der Zweiteiler aus der Reihe mit Christian Kohlund ist nicht so packend wie sonst, aber die Story ist klasse: Nacheinander werden scheinbar wahllos mehrere Menschen ermordet. Die Polizei steht vor einem Rätsel, zumal selbst eine KI keine Verbindungen findet; Anwalt Borchert ist dank seiner Fähigkeit, um die Ecke zu denken, die letzte Hoffnung. Die Handlung hat durchaus Hochspannungspotenzial; 180 Minuten sind jedoch schlicht zu lang für die Geschichte. Selbst wenn das Drehbuch von Wolf Jakoby manch’ überraschenden Haken schlägt: Mindestens eine Nebenfigur ist komplett überflüssig, einige Szenen hätten sich problemlos sehr viel kürzer erzählen lassen. Roland Suso Richter hat die besten „Zürich-Krimis“ gedreht; ausgerechnet der zwanzigste Film, „Borchert und die Stadt in Angst“ (Degeto / Graf Film, Mia Film), gehört nicht dazu.
12.12.2024
22:15
WDR
Reihe
Schönemann, Klinge, Lohse, Holle/Schmidt. Mal beschaulich, mal absurd, mal spannend
In der neuen Staffel von „Nord bei Nordwest“ (Degeto / Aspekt Telefilm, triple pictures) geht zu Beginn jeder der drei Episoden alles einen besonders entspannten Gang. Jule ist nun Tierärztin, Hauke Jacobs muss nicht mehr um sein Leben bangen und Hannah Wagner scheint in Schwanitz endgültig angekommen zu sein. Doch diese Ruhe ist mal wieder trügerisch… Die Krimiplots sind diesmal etwas softer, tendieren eher zum Komisch-Skurrilen, weniger zur gewalthaltigen Lakonie oder zum Schwarzhumorigen. Eine Killerin, die aussieht wie Mutti von nebenan gibt es dennoch; die auffälligste Figur aber ist „Andy von nebenan“, ein geistig zurückgebliebener, erdrückend herzlicher Koloss. Das gekonnte, fließende Wechselspiel zwischen Krimi & Komödie, Charakterstärke & Plot-Spannung gehört nach wie vor zum dramaturgischen Markenzeichen der Reihe. Das verspielt-verdruckste Umeinander-Kreisen der beiden Veterinäre bereitet in allen Episoden große Freude. Die besondere Stärke der Filme von Nina Wolfrum, Markus Imboden und Christiane Balthasar nach den Büchern von Niels Holle und Holger Karsten Schmidt ist die Genre-Variation & Tonlagenvielfalt. Jeder Film ist ein Unikat, erzählt seinen Krimi anders, das macht Laune und Lust auf den nächsten.
12.12.2024
22:40
rbb
Serie & Mehrteiler
Alicia von Rittberg, Koeberlin, von Dohnányi. Meister der Infektionskrankheiten
„Charité“ ist die erste deutsche historische Krankenhausserie. Die sechs 50-Minüter sind prall gefüllt mit realen Biographien, mit Geschichten aus der medizinischen Forschung und der Krankenpflege, es geht um Gefühle, Liebe, geheime Leidenschaften, um Machtkämpfe, mangelnde Anerkennung, um eine völlig unzureichende Patientenversorgung, um autoritäre Strukturen, strenge Sitten. Die thematisch hoch interessante Serie von Sönke Wortmann nach den Büchern von Dorothee Schön & Sabine Thor-Wiedemannm gibt ein umfassendes Bild vom Leben im Kaiserreich. Dass der Serie der magische Sog fehlt, ist kein Wunder bei der viel zu knapp bemessenen Sendezeit für dieses komplexe Projekt. So müssen die Figuren in ihrem narrativen Korsett verharren und dürfen zu wenig Eigen-Sinn entwickeln. „Charité“ ist ernsthaft, setzt mehr auf historische Fakten als auf Fiction. Format und Machart sind dem Sendeplatz & den Sehgewohnheiten des öffentlich-rechtlichen Publikums geschuldet.
12.12.2024
23:30
NDR
Serie & Mehrteiler
Sascha Gersak, Schmidt-Schaller, Schmidt, Herzog. Zwei Seelenverwandte gegen alle
Zwei Morde an einem Tag, beide Opfer wurden mit einem präzisen Kehlschnitt getötet. Die Schweriner Kommissare Elling und Lona Mendt ahnen zwar, dass hier ein Serienmörder unterwegs sein könnte, haben aber noch keine Vorstellung davon, welche Kreise dieser Fall ziehen wird und in was für einen Schlammassel sie auch persönlich hineingeraten werden. „Die Toten von Marnow“ (NDR, Degeto / Polyphon) beginnt als Krimi, der sich bewusst viel Zeit für seine zwei Hauptcharaktere nimmt, um schließlich als Thriller zu enden, der auf ein dunkles Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte rekurriert. Der Fall schweißt die Ermittler zusammen. Dass sie aus der Geschichte unbeschadet herauskommen, dürfte trotz ihrer moralischen Verfehlungen und trotz des brisanten Themas der größte Wunsch des Zuschauers sein. Das ist auch Sascha Gersak und Petra Schmidt-Schaller zu verdanken. „Die Toten von Marnow“ ist in erster Linie ein sehr gelungener Genrefilm. Holger Karsten Schmidt bedient einmal mehr die Klaviatur von Krimi, Thriller und Drama perfekt. Und auch die Inszenierung von Andreas Herzog mit ihrem klugen Einsatz von Cinemascope, dem hitzigen Sommer-Look & dem grandiosen Score muss den Vergleich mit internationalen Serien nicht scheuen.
12.12.2024
23:40
WDR
Reihe
Schönemann, Klinge, Lohse, Holle/Schmidt. Mal beschaulich, mal absurd, mal spannend
In der neuen Staffel von „Nord bei Nordwest“ (Degeto / Aspekt Telefilm, triple pictures) geht zu Beginn jeder der drei Episoden alles einen besonders entspannten Gang. Jule ist nun Tierärztin, Hauke Jacobs muss nicht mehr um sein Leben bangen und Hannah Wagner scheint in Schwanitz endgültig angekommen zu sein. Doch diese Ruhe ist mal wieder trügerisch… Die Krimiplots sind diesmal etwas softer, tendieren eher zum Komisch-Skurrilen, weniger zur gewalthaltigen Lakonie oder zum Schwarzhumorigen. Eine Killerin, die aussieht wie Mutti von nebenan gibt es dennoch; die auffälligste Figur aber ist „Andy von nebenan“, ein geistig zurückgebliebener, erdrückend herzlicher Koloss. Das gekonnte, fließende Wechselspiel zwischen Krimi & Komödie, Charakterstärke & Plot-Spannung gehört nach wie vor zum dramaturgischen Markenzeichen der Reihe. Das verspielt-verdruckste Umeinander-Kreisen der beiden Veterinäre bereitet in allen Episoden große Freude. Die besondere Stärke der Filme von Nina Wolfrum, Markus Imboden und Christiane Balthasar nach den Büchern von Niels Holle und Holger Karsten Schmidt ist die Genre-Variation & Tonlagenvielfalt. Jeder Film ist ein Unikat, erzählt seinen Krimi anders, das macht Laune und Lust auf den nächsten.
12.12.2024
23:45
ARD
Reihe
Kohlund, Klink, Jakoby, Bennent, Richter. Wenn sich Lebenswege tragisch kreuzen
Der Zweiteiler aus der Reihe mit Christian Kohlund ist nicht so packend wie sonst, aber die Story ist klasse: Nacheinander werden scheinbar wahllos mehrere Menschen ermordet. Die Polizei steht vor einem Rätsel, zumal selbst eine KI keine Verbindungen findet; Anwalt Borchert ist dank seiner Fähigkeit, um die Ecke zu denken, die letzte Hoffnung. Die Handlung hat durchaus Hochspannungspotenzial; 180 Minuten sind jedoch schlicht zu lang für die Geschichte. Selbst wenn das Drehbuch von Wolf Jakoby manch’ überraschenden Haken schlägt: Mindestens eine Nebenfigur ist komplett überflüssig, einige Szenen hätten sich problemlos sehr viel kürzer erzählen lassen. Roland Suso Richter hat die besten „Zürich-Krimis“ gedreht; ausgerechnet der zwanzigste Film, „Borchert und die Stadt in Angst“ (Degeto / Graf Film, Mia Film), gehört nicht dazu.
11.12.2024
00:45
Arte
Fernsehfilm
Martina Gedeck, Tobias Moretti, Dominik Graf. Mehr andeuten als aussprechen
„Deine besten Jahre“ erzählt die Geschichte einer Frau, die ihr unreifes Leben unter der Glasglocke aufgeben muss. Sie muss kämpfen. Aber anders als TV-Heldinnen üblicherweise. Das Erzählte mag vermeintlich arg melodramatisch daherkommen – die ebenso elaborierte wie irritierende Filmsprache & die überragende Martina Gedeck machen aber aus der Story einen ganz anderen Film. Großes Fernsehen, nichts für Leute, die alles erklärt haben wollen.
tittelbach.tv ist mir was wert