Am Hang

Hübchen, Gedeck, Simonischek, Imboden. Kammerspiel-Diskurs über die Liebe

Foto: Arte / SSR / Merker
Foto Volker Bergmeister

„Am Hang“ bietet eine etwas andere Dreiecksgeschichte vor der malerischen Kulisse des Lago Maggiore. Der Betrogene und der Betrüger liefern sich ein genuss- & kunstvolles Wort-Duell über Irrungen und Wirrungen der Liebe, das auch ein Duell der unterschiedlichen Lebenskonzepte ist. Superb: Henry Hübchen und Maximilian Simonischek geben die beiden Philosophierenden über die Liebe, Martina Gedeck die Frau, die zwischen diesen beiden Männern steht. Markus Imboden hat den Bestseller des Schweizer Autors Markus Werner subtil inszeniert. Fürs Kino gedreht, findet das Psycho-Kammerspiel im Fernsehen das wohl geeignete(re) Medium, denn es setzt mehr auf Worte und Stimmungen, weniger auf Bilder. Einziges Manko: die vom Roman abweichende, dramatische Zuspitzung am Ende.

Felix (Hübchen) wird nach 15 Jahren Ehe von Valerie (Gedeck) verlassen, er sieht keinen Sinn mehr im Leben und spielt mit dem Gedanken, sich umzubringen. Doch ein Fremder rettet ihn. Dem begegnet er später wieder im Hotel. Denn um in Erinnerungen zu schwelgen und über das Geschehene zu reflektieren, kehrt Felix an den Ort des endgültigen Bruchs mit Valerie zurück – den Lago Maggiore. In einem Restaurant kommen Felix & Thomas (Simonischek), wie der Fremde heißt, ins Gespräch. Thomas will im Tessin übers Wochenende einen Fachartikel über das Schweizer Scheidungsrecht verfassen und nebenbei noch eine alte Affäre zu einer befreundeten Krankenschwester aufleben lassen. Der junge Mann, überzeugter Junggeselle, erzählt von seiner Ex-Geliebten. Auch die heißt Valerie – wie Felix‘ Ex. Bald stellt sich heraus, dass es sich um ein und dieselbe Frau handelt. Felix erfährt, dass Thomas der Lover seiner Frau war. Der ehemalige Liebhaber besitzt in der Gegend ein Ferienhaus. Er lädt Felix ein. Gemeinsam gehen sie den Hang hoch zu dem Haus. Womöglich diente es als Liebesnest für Thomas & Valerie. Dieser Gedanke beschäftigt Felix unaufhörlich.

Am HangFoto: Arte / SSR / Merker
Felix und Valerie hatten Zeiten, in denen sie sich ganz nah – und glücklich waren. Henry Hübchen & Martina Gedeck: „Am Hang“

2004 setzte der Roman des Schweizer Autors Markus Werner seinen internationalen Siegeszug an. Es folgte eine Bühnenadaption, dann eine Hörspielfassung. Die Verfilmung war die logische Folge. Markus Imboden, vorwiegend Regisseur von superben TV-Filmen (Grimme-Preise für „Ausgerechnet Zoe“ und „Mörder auf Amrum“), inszenierte das Beziehungsdrama fürs Kino. Klaus Richter und Martin Gypkens haben den Roman in ein Drehbuch gegossen, bleiben lange an der Vorlage, setzen aber zum Finale hin auf weit mehr Dramatik als der Roman. Das passt nicht so recht zum Ton der vorherigen Geschichte. Die Umsetzung der Vorlage war kein leichtes Unterfangen. Eine richtige, greifbare Handlung gibt es nicht, eigentlich passiert nichts. Zwei Männer reden über eine Frau. Der Zuschauer weiß durch die Rückblenden schon früh, dass es sich um dieselbe Frau handelt. Die beiden Männer verkörpern zwei Aspekte einer Liebesbeziehung: Thomas ist der Jäger, der Sammler; Felix der Hafen der Geborgenheit, der treue Partner. Der Betrogene spricht mit dem Betrüger. Die Frau, ihr Schicksal, ist den beiden Herren nicht so wichtig, Männeregoismus dominiert. Lange Zeit setzt Imboden auf das faszinierende Rededuell, nutzt die Präzision und Wortverliebtheit der Vorlage („Die Liebe braucht nicht verfochten zu werden, genauso wie die Sonne… die ist da und sie ist nicht da“). Doch zum Ende hin wird aus dem handlungsarmen, aber so dicht-intensiven Kammerspiel ein handlungsgetriebenes Drama. Das hätte es nicht gebraucht.

Wichtigster Kniff der filmischen Adaption ist die Eigenständigkeit der Frauenfigur. Während Valerie im Roman nur in den Erzählungen der Männer vorkommt, wird sie hier zu einer sichtbaren, agierenden Figur. Die Spannung bezieht der Film aber aus dem Duell der beiden männlichen Protagonisten. Beeindruckend mit welcher spürbaren Energie Henry Hübchen diesen Felix spielt, der der Liebe seines Lebens nachläuft und nachtrauert. Er ist gereizt, wütend, aggressiv, will Rache. Aber er unterdrückt seine Aggressionen lange, das treibt die Geschichte an. Max Simonischek gibt mit zurückgenommener Frische den gelassen und mit Bedacht agierenden Thomas, einen Mann, für den die verheiratete Valerie nur eine seiner zahlreichen Affären war. Martina Gedeck steht als anmutende, rätselhafte Schöne ein wenig im Schatten der dominierenden Männerrollen. Aber alle Drei bieten – nicht überraschend – große Schauspielkunst. Und Imboden zeigt, welch glänzender Schauspielführer er ist. Kameramann Rainer Klausmann, der häufig mit Imboden arbeitet (und beispielsweise auch mit Fatih Akin) setzt in „Am Hang“ stark auf Großaufnahmen: die schaffen Nähe zu den Figuren, erzeugen Dichte, die optischen Schauwerte aber treten dadurch leider in den Hintergrund.

„Am Hang“ ist eine Geschichte der Befreiung. Eine Frau, die sich befreit. Und ein Mann, der sich befreit, indem er… Schade dieses Ende, denn die filmische Auflösung dieser Dreiecksgeschichte wirkt dadurch konventionell, weil sie dem intensiven Kammerspiel einen eher erwartbaren Schluss gibt. Den hätte es nicht gebraucht, auch wenn die Produzentinnen Brigitte Hofer und Cornelia Seitler den Reiz der Romanverfilmung darin sahen, „…die filmische Übersetzung zu finden und die Befindlichkeiten und Gesprächsinhalte der Männer auf Handlungsebene abzubilden“. Ein offenes Ende hätte dem Film dennoch gutgetan.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kinofilm

Arte

Mit Henry Hübchen, Martina Gedeck, Maximilian Simonischek, Sophie Hutter, Ernst C. Sigrist, Martin Hug, Regula Imboden

Kamera: Rainer Klausmann

Schnitt: Ueli Christen

Musik: Benedikt Jeger

Produktionsfirma: Maximage

Drehbuch: Martin Gypkens, Klaus Richter, Markus Imboden

Regie: Markus Imboden

EA: 13.06.2014 20:15 Uhr | Arte

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach