Der eine schaufelt ein neues Grab aus, der andere zeigt, dass er den Umgang mit dem runden Leder noch nicht verlernt hat. Danach ist Männerabend unter freiem Himmel: Die besten Freunde Max Broll (Laurence Rupp) und Kai Baroni (Jürgen Vogel) gucken abends auf dem Friedhof auf einer Großleinwand einen Zombie-Klassiker, dazu gibts ein Bierchen. Doch der wahre Horror spielt sich im Haus nebenan ab. Tilda Broll (Bettina Redlich), Stiefmutter von Max und von Beruf Polizeikommandantin, wird gekidnappt. Die beiden Männer bekommen nichts davon mit. Erst als Broll später ein altmodisches Handy im Haus entdeckt und eine eingespeicherte Nummer wählt, meldet sich Tilda. Sie ist in einer Holzkiste gefangen, und sie hat keine Ahnung, wo. Ihr Handy ist die einzige Verbindung zur Außenwelt. Sie weiß nicht mehr viel, aber sie kennt den Mann, der sie überwältigt hat: Leopold Wagner (Martin Wuttke), der „Kindermacher“, den sie vor 18 Jahren ins Gefängnis gebracht hat. Der war Spezialist für künstliche Befruchtung und hatte stets sein eigenes Sperma benutzt. Nachdem Wagners Frau dahinter gekommen war, hatte er sie gegen einen Baum gefahren. Tilda hat ihn überführt, er wurde verurteilt. Dumm nur, dass Wagner ein Alibi hat: Er sitzt nach wie vor hinter Gittern. Als die beiden ihn in seinem Hochsicherheitstrakt aufsuchen, schweigt er selbst unter Folter beharrlich. Das gesetzlose Vorgehen hat für Broll und seine Freundin schlimme Folgen.
„Broll + Baroni“ sind das wohl außergewöhnlichste Ermittler-Duo im deutschsprachigen Fernsehen. Ein Totengräber, Sohn einer Polizistin, und ein Ex-Fußball-Profi mit hohem Bekanntheitsgrad – diese Kombination schickt der Tiroler Romanautor Bernhard Aichner in seiner Max-Broll-Krimireihe auf Verbrecherjagd. Noch bevor seine „Totenfrau“-Trilogie die Bestsellerlisten eroberte (sie wurde verfilmt und läuft jetzt auf Netflix), hat er diese Krimis mit Kultfaktor geschrieben. „Broll + Baroni – Für immer tot“ ist der Zweite der Reihe. Autor-Regisseur Harald Sicheritz (eine handvoll ORF-„Tatort“-Krimis, „Vorstadtweiber“) ist ein kongenialer sehr unterhaltsamer Krimi mit kantigen Typen und schrägen Momenten gelungen. Es ist ein Film aus einem Guss, dem der dramaturgische Kniff, zwei Protagonisten, die nicht von Berufs wegen Verbrecher jagen, gut tut. Beide merken, dass etwas falsch läuft bei den Ermittlungen. Besonders für Broll ist das Ganze ein emotionaler Höllenritt. Dass sie nicht bei der Polizei sind, das gibt der Geschichte besondere Möglichkeiten: Sie müssen sich nicht an den polizeilichen Kodex halten, haben mehr Freiheiten, was Sicheritz nicht allein zur Steigerung der Spannung nutzt; auch mehr Humor kann dadurch in die Geschichte einfließen.
Bestens gelingt Sicheritz auch die die Charakterzeichnung. Max Broll bedient keine Totengräber-Vorurteile: Er ist ein Typ mit Herz und Leidenschaft, emotional, draufgängerisch und auch verwegen. Und Baroni ist alles andere als ein typischer Balltreter, der nur in seiner Kickerwelt lebt. Dieser Mann ist clever, offen, hat ein gesundes Rechtsempfinden und viel Empathie für seinen Freund in Not. Zudem hat er Witz und eine gehörige Portion Nonkonformismus. Laurence Rupp (Landkrimi „Vier“, „Die Barbaren“ auf Netflix, „Souls“ auf Sky) und Jürgen Vogel, zuletzt zu sehen in der erfolgreichen ZDF-Krimiserie „Jenseits der Spree“, harmonieren als Duo bestens. Diese Kombi hat das Zeug zum Kult. Aber auch die Neben- und Randfiguren sind fein gezeichnet: der korrekt-steife Gefängnisdirektor, der windige Wärter, die Partnerinnen von Broll und Baroni. Und dann ist da ja noch Martin Wuttke als Superbösewicht mit kahlem Schädel und beängstigender Ausstrahlung, der den Freunden alles abverlangt. Sie alle fügt Sicheritz zu einem stimmigen Ensemble zusammen, erzählt bei aller Spannung auch mit viel Charme und fein dosiertem Witz, nutzt die Möglichkeiten der perspektivischen Draufsicht durch den Einsatz von Kameradrohnen. Ein Krimi über Freundschaft und Rache, über Menschen in psychischen und physischen Ausnahmesituationen, und ein Film über die Frage, wie weit man notfalls bereit ist zu gehen, wenn es um die Rettung eines Menschenlebens geht? (Text-Stand: 11.11.2022)