Im weißblauen Freistaat wurden 1983 wegen Beleidigungen 2.232 Angeklagte rechtskräftig verurteilt, im Bundesland Hamburg (rund sieben Mal kleiner) waren es dagegen gerade mal 50. Diese Streitbarkeit der Bayern war der Ausgangspunkt für Franz Xaver Bogner („Irgendwie und sowieso“), die Serie „Café Meineid“ zu entwickeln. Damit verbunden war auch der Ansatz, die Menschen und nicht die Fälle in den Mittelpunkt zu rücken. Die Serie brachte es zwischen 1990 und 2002 auf 147 Folgen à 22 Minuten (später wurden sie zu 45-Minütern umgeschnitten). Die Struktur der Folgen und der Handlung hat sich über die Jahre nur wenig verändert. Nicht gewechselt haben auch die Hauptdarsteller. Bekannte Gesichter wie Jutta Speidel, Gustl Bayrhammer, Jürgen Tonkel, Hans Brenner, Sebastian Bezzel, Hansi Kraus, Marianne Sägebrecht, Erni Singerl, Fritz Straßner, Toni Berger oder Jule Ronstedt traten in Nebenrollen auf und sorgen beim Wiedersehen für manch nostalgischen Aha-Effekt. Die BR-Serie endete im Jahre 2002 abrupt mit dem Tod von Erich Hallhuber.
Was beim Wiedersehen der Serie ins Auge sticht:
1. die angenehme Einheit von Raum, Zeit und Handlung
2. die zum Sujet passende, klare, kunstlose Inszenierung, die die lebensechten Charaktere und die Dialoge in den Mittelpunkt rückt; die kraftvollen Dialoge, die neben dem vordergründigen Wortwitz oft “Hinter-Sinn” besitzen
3. die Schadenfreude hält sich in Grenzen; der Autor macht sich nicht gemein mit den Figuren, er verrät sie aber auch nicht an die eigene Moral
4. Bogner nutzt wunderbar die verschiedenen Perspektiven des Gerichts (z.B. die Kommentare der Zuschauer); auf diese Weise wird mehr verhandelt als der Fall
Der Titel „Café Meineid“ bezieht sich auf einen der Hauptschauplätze, die Gerichtskantine des fiktiven Münchner Amtsgerichts. Hier werden die Fälle „vorbereitet“, hier wird den Menschen, den Angestellten des Gerichts, den Klägern und Beklagten, aufs Maul geschaut, hier werden erste Vorkämpfe ausgetragen. Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen findet stets im Verhandlungssaal statt. Dort werden die kleinen Dramen des Alltags verhandelt. Der Kleinbürger und seine Lebensart stehen vor dem Kadi. Die Zivilprozesse besitzen oft skurrile „Tatbestände“, die wortreich und entsprechend humorvoll nacherzählt werden. Die am Prozess Beteiligten zeichnen sich nicht selten durch große Schlitzohrigkeit aus. Die Humor-Tonlage schwankt zwischen bayerisch bodenständig und süffisant ironisch, sie gerät aber anders als der ZDF-Klassiker „Königlich bayerisches Amtsgericht“ nie ins vordergründig Volkstümliche oder albern Klamaukige. Die Süddeutsche Zeitung schrieb sehr passend: „Bogner hält seine Geschichten meisterlich in der Waage zwischen jener sehr physischen bayerischen Art des Streitschlichtens einerseits & heutigen Rechtsstandards andererseits.“