Spektakuläre Flucht in Paris. Eine junge Frau entkommt aus der Gefangenschaft von Menschenhändlern. Sie klaut einen USB-Stick mit Daten ihrer Peiniger, auf dem Hof wartet Jerome (Frederick Lau) mit einem Wagen und verhilft ihr zur Flucht. „Wir haben ein Problem“, sagt einer der finsteren Gesellen am Telefon zu seinem Boss. Nächster Schauplatz: Marseille. Der Deutsche Simon Lemberger (Felix Klare), der gerade mitten in einer Scheidung steckt, in Südfrankreich Weihnachtsurlaub macht und enttäuscht ist, dass seine Kinder ihm abgesagt und seine Freundin (Theresa Underberg) nicht zu Besuch kommen will, hilft einer unbekannten jungen Frau, die in eine Ferienwohnanlage eingebrochen ist. Sie hat kein Dach über dem Kopf. Simon nimmt sie mit in sein Ferienhaus. Er ahnt nicht, in welche Gefahr er dadurch gerät. Denn jene Nathalie (Jasna Fritzi Bauer) ist die Freundin von Jerome, der von der Mädchenschleuserbande gejagt wird. Die schreckt vor brutalem Mord nicht zurück, hat Einfluss bis in die höchsten Kreise und einen Spitzel bei der Polizei. Die Pariser Kommissarin Rosarde (Jeanette Hain) und ihr merkwürdiger Kollege stöbern Nathalie und Simon auf und wollen ihnen helfen. Derweilen sucht in Bulgarien ein Paar seine Tochter, die mit falschen Versprechungen nach Paris gelockt wurde und seitdem verschwunden ist.
Ein Mann ist hilfsbereit und plötzlich gerät sein eigenes Leben völlig aus der Bahn. Das ist der Ausgangspunkt dieses zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort-Thrillers, der in Frankreich spielt, aber außer ein paar hübschen Schauplätzen nicht viel mit dem Land zu tun hat und überall in der westlichen Welt spielen könnte. Wer hängt mit wem wie zusammen, wem kann man vertrauen, wem nicht? Charlotte Link beherrscht diese Klaviatur bestens, ihre Romane sind wendungsreich und ihre Figuren funktional und oftmals vielschichtig zugleich. So auch in „Charlotte Link – Die Entscheidung“. Andreas Linke, der in den letzten Jahren als Regisseur einige „Die Toten vom Bodensee“- und „Marie Brand“-Krimis gedreht hat, ist nach der Regie für „Charlotte Link – Die Betrogene“ nun als Autor erstmals für das Drehbuch eines Link-Romans verantwortlich. Regie führt Sven Fehrensen, der als Regieassistent bei Produktionen wie „Bornholmer Straße“, „Die Spiegel-Affäre“ oder „NSU – Die Opfer“ begann und danach bisher Serien wie „SOKO Hamburg“, „SOKO Leipzig“ und „Sankt Maik“ (RTL) gedreht hat.
Die ARD-Reihe setzt also auf einen neuen Autor und einen neuen Regisseur. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die beiden Neuen haben einen kurzweiligen Krimi abgeliefert. Bei der Besetzung vertraut man erfahrenen und bekannten Gesichtern. Felix Klare, der zuletzt häufiger gegen sein „Tatort“-Kommissar-Image anspielte, steht im Mittelpunkt, gemeinsam mit einer, die zuletzt in starken Rollen in „About a Girl“ oder „Rampensau“ von sich reden machte und demnächst – wie Klare – auch als Ermittlerin in der „Tatort“-Reihe zu sehen sein wird: Jasna Fritzi Bauer. Die beiden geben als unfreiwillig Gejagte eine gute Figur ab, nimmt man Frederick Lau als Retter gepeinigter Mädchen und Jeanette Hain als überlegte, einfühlsam, aber nachdrücklich agierende Kommissarin hinzu, so bildet ein stimmiges Ensemble das Herzstück dieses Thrillers um einen Helden wider Willen. Regisseur Fehrensen inszeniert mit gut dosiertem Tempo, setzt weniger auf Actionszenen als auf jede Menge Thrill bei eher leisen Verfolgungen, spart die Taten aus, erst beim Finale fließt richtig viel Blut.
Die Spirale, in die Simon gerät, wird in typischer Plot-Driven-Link-Manier kontinuierlich weitergedreht. Daraus ergibt sich ein packender Krimi, der zwar filmisch nicht sonderlich überrascht, aber einfach eine gut gebaute Geschichte und starke Charaktere vorzuweisen hat. Hier die junge, impulsive, unnahbare, hilfesuchende Natalie, da der geregelt lebende, aber durch die Ereignisse plötzlich instinkiv und spontan handelnde Simon – aus diesem Gegensatz der beiden Hauptfiguren bezieht der Film seinen Reiz. Umso gesichtsloser agieren hier die Bösen: ein paar breitschultrige, schwarzgekleidete, grimmig drein blickende Typen und zwei verschlagene Frauen – das war‘s! Dadurch fällt „Die Entscheidung“ doch etwas hinter den letzten Link-Krimi „Das Tal der Füchse“ mit seinen ambivalenteren Figuren zurück.