Hölzern aufgesagte Dialoge, hüftsteife Darsteller: Der vorletzte Auftritt von Ann-Kathrin Kramer als Kommissarin Lizzy Krüger beginnt wie eine Reminiszenz an den Krimiklassiker „Der Kommissar“ (ZDF). Das überrascht, schließlich hat Urs Egger die Regie geführt. Der setzt nach seinem entfesselten „Opernball“ (1998) zwar lieber auf Atmosphäre als auf Action, aber das auf regelmäßig höchstem Niveau; neben der Mankell-Verfilmung „Die Rückkehr des Tanzlehrers“ (2003) profitierte zuletzt vor allem das ZDF von Eggers Gespür für Stimmungen („Der Mörder meines Vaters“, „Der Tod eines Keilers“). Tatsächlich zeigt auch „Unter Strom“, der zehnte Fall des Damendoppels aus Lübeck, alsbald ein anderes Gesicht.
Dabei wirkt die Geschichte zunächst wie vom Reißbrett: Ein Werftbesitzer stirbt an einem Stromschlag; offenbar ist ein Hauptschalter manipuliert worden. Die Verdächtigen drängen sich geradezu auf: ein Obdachloser, den der Mann kürzlich recht rüde vom Werftgelände entfernt hat; sein Bruder, dem er die Frau weggenommen hat; und ein windiger Immobilienspekulant, der scharf auf das Grundstück ist, weil es als letztes fehlendes Teilchen ein großangelegtes Hafenprojekt komplettiert. Dann stellt sich auch noch heraus, dass die Freundin des Toten nicht nur von der jüngst abgeschlossenen Versicherung eine Viertelmillion profitiert, sondern auch Alleinerbin ist. Und während man noch gemeinsam mit Lizzy Krüger (Kramer) und Marion Ahrens (Charlotte Schwab) nach belastenden Hinweisen sucht, wird dem Duo die Arbeit erleichtert: erst stirbt der Obdachlose, später muss auch der Spekulant seinen Hut nehmen. Spätestens jetzt beweist Ralf Löhnhardts Handlungsidee ihre Qualität: Hinter jedem Todesfall steckt ein anderer Täter. Die alte Faustregel, dass der namhafte Gastdarsteller wohl auch der Mörder ist, stimmt ohnehin nicht: Den Bruder spielt Richy Müller, seine Ex-Frau Eva Herzig, und als „Napoleon von Lübeck“ (Lebensmotto: „Glück im Spiel, Geld für die Liebe“) stöckelt Axel Prahl auf gefährlich hohen Absätzen durch den Film.
Clever hat Löhnhardt auch die unvermeidlichen Ausflüge ins Privatleben mit dem Fall verknüpft: Spurensicherer Viktor Ahrens (Peter Prager) benimmt sich, als leide er unter den Wechseljahren, erleidet einen Rückfall in die alte Spielsucht und zockt zur Tatzeit mit gleich zwei Verdächtigen um richtig hohe Summen. Auf diese Weise haben die beiden zwar das denkbar beste Alibi; dafür ist es nun an Viktor, ein Geständnis abzulegen. Etwas irritierend ist allein die gelegentliche Vorweihnachtsstimmung; andererseits kann Krüger auf diese Weise den Weihnachtsmann abschleppen. (Text-Stand: 6.5.2006)