Wenn sich Menschen, die einst gut befreundet waren, längere Zeit nicht gesehen haben, landen sie ziemlich bald in der Vergangenheit; denn nicht die Gegenwart, sondern die Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse verbindet. Gerade Gruppen fallen daher meist umgehend in alte Muster zurück. So geht es auch Lena, Elif, Franzi und Jo, einem Quartett aus Frankfurt, das einst als „Goldstein-Girls“ unzertrennlich war, sich anschließend aber aus den Augen verloren hat. Mittlerweile sind die vier Frauen Anfang dreißig und stehen mitten im Leben, wenn auch nicht alle: Jo (Salka Weber) ist immer noch nicht erwachsen geworden, hat eine ungeklärte Beziehung und eine Menge Schulden. Wie genau Elif (Jasmin Shakeri) ihr Geld verdient, wird nicht recht klar; es hat irgendwas mit Investitions- und Spekulationsgeschäften zu tun, scheint aber derart lukrativ zu sein, dass sie als eine der zwanzig erfolgreichsten deutschen Unternehmerinnen gilt. Sie lebt in London und ist wegen eines Termins in Frankfurt. Als sich ihr Rückflug verschiebt, kommt sie spontan auf die Idee, die alte Clique wiederzusehen. Pharmareferentin Franzi (Llewellyn Reichman), das Nesthäkchen, wohnt in einer Luxusvilla und meist damit beschäftigt, ihre Instagram-Gemeinde auf dem Laufenden zu halten. Vierte im Bunde ist Lena (Sarah Bauerett), die am ehesten den Eindruck macht, im Leben angekommen zu sein: Sie ist Lehrerin und wird demnächst Marek (Markus Winter) heiraten, mit dem sie schon seit der elften Klasse zusammen ist; die beiden haben ein Pflegekind.
Das klingt zunächst nicht besonders aufregend, funktioniert aber wie ein chemisches Experiment, weil Elif als Katalysator wirkt: Ihr Auftauchen löst Prozesse aus, in deren Verlauf die Frauen ihre Lebensentwürfe hinterfragen. Tatsächlich sind die Dinge nur bedingt, wie sie scheinen: Lena bekommt angesichts der bevorstehenden Hochzeit Torschlusspanik. Plötzlich ist sie nicht mehr sicher, ob sie Marek genug liebt, um für immer mit ihm zusammen zu sein, und lässt sich auf ein etwas verstörendes Abenteuer mit dem Hochzeitsfotografen (Marcel Mohab) ein. Franzi hat vor lauter Streben nach dem perfekten Bild für ihre Follower nicht mitbekommen, dass ihr Lebensgefährte sie buchstäblich nicht mehr riechen kann. Selbst bei Powerfrau Elif ist nicht alles im Lot. Bloß das Dasein von Jo, der einst eine Karriere als Sängerin prophezeit wurde und die als Ersatz für ihre unerfüllte Liebe zu Elif ständig ihre Sexpartner wechselt, ist exakt so kaputt, wie es aussieht.
Das ZDF hat den acht dreißigminütigen Folgen das Etikett „Comedy“ verpasst. Das ist zwar nicht ganz falsch, weil es viele komische Situationen und witzige Dialoge gibt, aber „Dramedy“ wäre gerade wegen der Diskrepanzen zwischen Schein und Sein treffender. Außerdem verfolgt das Konzept von Johannes Boss, der die Drehbücher gemeinsam mit Nora Gantenbrink geschrieben hat, einen durchaus dramatischen Ansatz, denn in der Verpackung verbergen sich diverse ernste Themen. Die entsprechende Strategie sorgt mehrfach für Überraschungen: Zunächst wirkt es wie eine spontane Laune, dass Elif zur Stalkerin ihrer ersten großen Liebe wird; bis sich rausstellt, dass sie in jungen Jahren ein bitteres Erlebnis hatte, das sie bis heute prägt. Gleichfalls nur anfangs lustig ist ein Anruf beim ehemaligen Deutschlehrer (Ernst Stötzner), den die Frauen als DJ für Lenas Hochzeit gewinnen wollen; ein sehr berührender Moment, denn der alte Herr ist nicht mehr der, der er mal war.
Dieses Muster zieht sich durch die gesamte Serie: Viele Szenen sind auf den ersten Blick amüsant, aber dann wandelt sich der Tonfall. Dass „Deadlines“ trotzdem vorwiegend heiter ist, liegt in erster Linie an den Dialogen. Elif ist mit ihrer erfrischend unkorrekten und stellenweise boshaften Wortwahl ebenso überzeichnet wie Lena, die selbst in Stressmomenten nicht den Glottisschlag („Einbrecherinnen“) vergisst und doch immer wieder profunde Vorurteile offenbart. Dass sie mindestens genauso oft eine ziemlich nervige Person ist, hat allerdings mit ihren Minderwertigkeitsgefühlen zu tun, die sie regelmäßig zu mitunter absurden Übersprunghandlungen verleiten.
Viele Dialoge und Situationen stellen dank ihrer oft unterschwelligen Komik auch ein intellektuelles Vergnügen dar, andere sind einfach nur witzig, weil Boss, der auch an der originellen RTL-Serie „KBV – Keine besonderen Vorkommnisse“ beteiligt war, seine Figuren in allerlei Fettnäpfchen hüpfen lässt. Umso irritierender ist eine Maßnahme, die die Qualität der Serie fast schon konterkariert: Mitten im Satz müssen sich die vier Schauspielerinnen regelmäßig unterbrechen, um das soeben Gesagte Richtung Kamera zu kommentieren oder richtigzustellen. Das soll das Publikum vermutlich zum Komplizen machen, stört jedoch den Handlungsfluss, sorgt nur selten für echten Erkenntnisgewinn und hätte sich mit ein bisschen Mühe subtiler erzählen und inszenieren lassen (Regie: Barbara Ott, Arabella Bartsch). Unbedingt sehenswert sind dagegen die vier Hauptdarstellerinnen, obwohl sie mit Ausnahme von Sarah Bauerett (sie spielt die Rechtsmedizinerin in den „Kroatien-Krimis“) nur wenig bis gar keine Kameraerfahrung haben. Gerade Jasmin Shakeri ist ein Einschaltgrund. Schon allein Elifs Anruf bei einem Astro-Sender, der damit endet, dass sie die Wahrsagerin wüst beschimpft, ist ein großes Vergnügen. Satirische Miniaturen dieser Art gibt es immer wieder; auf diese Weise kommt auch Barbara Philipp als Jos Mutter zu einem denkwürdigen Auftritt. ZDF neo zeigt dienstags jeweils zwei Folgen hintereinander.