„Für mich ist früher gestern, für dich sind es 20 Jahre.“ Mick Brisgau braucht fürs Emotionale immer etwas länger. Doch nach 20 Jahren Koma und einer Serien-Staffel scheint der Essener Macho im neuen Leben angekommen zu sein. Mit seiner Lisa, das wird nichts mehr, aber auch der Nebenbuhler kriegt sie nicht. Nicht umsonst ist Micks Ex-Frau in Folge 13 vom Traualtar weggerannt. Und sie ward (vorerst) nimmer gesehen. Kein Manko für die Serie. Groß genug ist der Redebedarf zwischen Polizeipsychologin und melancholischem Raubein – und was die erotische Anziehung angeht, wird die nächsten Folgen zu überprüfen sein, ob der Kuss am Ende der ersten Staffel mehr als eine „Übersprungshandlung“ war.
Soundtrack: u.a. Iggy Pop („Real wild child“), MC Hammer („U can’t touch this“), U2 („With or without you“), Vanilla Ice („Ice Ice Baby“), Aloe Blacc („I need a dollar“), Scorpions („Rock you like a hurricane“), Edwyn Collins („A girl like you“), Ennio Morricone („Once upon a time in the west Theme“), Queen („I want to break free“); Aretha Franklin („Think“), Kool and the Gang („Ladies Night“), Bruce Springsteen („Dancing in the dark“), Bill Conti („Rocky: Gonna fly now“), Marillion („Kayleigh“), Bobby McFerrin („Don’t worry be happy“)
Mick Brisgau entfernt sich ein klein wenig von seinen Macho-Klischees von wegen „Ein kleiner Klaps auf den Hintern hat noch keiner geschadet“. So langsam richtet er sich ein im Jahr 2011. DNA-Analyse ja, Schulung in digitalen Ermittlungsmethoden, ein bisschen, heimlich, denn nach außen will der letzte Bulle der letzte (authentische) Bulle bleiben, so wie Tanja Haffner nach außen die emanzipierte Frau bleiben möchte. Diese Spielchen sind leicht zu durchschauen, so wie es in allen Beziehungen etwas an Raffinesse fehlt – was ein bisschen auch der Hauptfigur geschuldet ist. Der Karriere-Jungspund Kringge und der analoge Ermittler Brisgau wachsen weiter zum frotzelnden Buddy-Pärchen zusammen. Auch der Liebe zu seiner Tochter wegen verschließt sich der Mann von gestern nicht gänzlich dem Heute.
Doch einer wie Mick Brisgau verpflichtet – zu einer Haltung: Bodenständigkeit und gesundes Bauchempfinden bleiben seine Primärtugenden. Der Nachteil: so ein Typ besitzt kaum Entwicklungsmöglichkeiten. Und so macht Sat 1 das, was Sat 1 tun muss: lässt ihn weiter seinen Weg gehen – als einer, der die Verdächtigen lieber mal etwas härter angeht und es mit den Paragraphen nicht so genau nimmt, der Gefühle haben mit wehmütig sentimentalem Abhängen verwechselt und der nach wie vor süffisant lächeln kann über die Tragik der späten Geburt. Und irgendwie ist er doch auch ziemlich cool, dieser MB, der von Henning Baum, dem Bruce Springsteen der deutschen Fiction-Unterhaltung, ebenso cool gespielt wird.
„Der letzte Bulle“ sollte nicht zum Retter der deutschen TV-Unterhaltung hoch gejazzt werden, aber die Serie ist und bleibt gutes, eigen produziertes Gebrauchsfernsehen und sie ist ein gelungener Versuch in Sachen Populärkultur. „Der letzte Bulle“ ist Pop und das nicht, weil jede 45-Minuten-Folge gedankenlos mit vornehmlich alten Hits zugekleistert wird, sondern weil die Serie mit bekannten Versatzstücken arbeitet, beispielsweise die Männer-Mythen-Zitate aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ (Folge 1) oder „Rocky“ (Folge 2), weil sie die immergleichen Muster lustvoll variiert, weil die Summe der launigen Details wichtiger ist als der Krimiplot und weil das serielle Prinzip in der zweiten noch besser als in der ersten Staffel funktioniert, die zwar auf einer guten Idee basierte, aber die eben immer eine Idee blieb. Jetzt erst läuft die Serie rund – und ist im besten Pop-Sinne unterhaltsam. (Text-Stand: 14.3.2011)