Er ist ein großes Kind, ein liebenswerter Prolo, ein einfältiger Macho: Harri Pinter (Juergen Maurer), genannt „die Drecksau“. Den Spitznamen verdankt der Ex-Eishockeyspieler des KAC seinem Einsatz im letzten Spiel der 88/89-Saison, als er mit dem Schläger seinen Gegner niederschlug, so einen Treffer verhinderte und seinem Klub in letzter Sekunde den Erfolg sicherte. Von dieser Szene lebt er noch heute, immer wieder wird sie beim Bierchen im Klublokal erzählt, wenn die Helden von einst in Erinnerung schwelgen. Jetzt steuert Harri langsam auf die 50 zu, das Haar wird lichter, der Bauch stattlicher. Er trainiert die U12 des KAC, lebt mit seiner langjährigen Freundin Ines (Julia Cecig) zusammen und verdient sein Geld als Fahrlehrer. Als er Ines mit einem Universitätsprofessor, dem Watzlawick-Forscher Herwig (Dominik Warta), im Bett erwischt, gerät sein Selbst- und Weltbild ins Wanken, der selbsterklärte Bad Boy ist am Boden zerstört. Im Klublokal fragt er die junge Frau hinter der Theke: „Miri, was hältst Du von mir, so global gesehen?“ Miris (Amrei Baumgartl) Antwort: „A saublöder Hund bist, Harri, a Tschopperle mit einem Horizont von einem Volksschüler, maximal … Mich wundert echt, dass dein Schädel nicht implodiert bei dem ganzen Vakuum.“
Ein Satz, der für die meisten Dialoge in „Harri Pinter, Drecksau“ steht. Hier wird breitester Kärntner Dialekt gesprochen, allen voran von Harri selbst. Das macht den Film lebendig und authentisch. Anders als beispielsweise beim „Tatort“ aus der Schweiz, der für die Ausstrahlung im Ersten nachsynchronisiert wird und damit viel an Atmosphäre verliert, lässt man der Drecksau und seinen Freunden den Dialekt. Arte untertitelt den Film. So ist jede Passage verständlich, aber der Klang, die Melodie, die Direktheit, wie hier gesprochen wird, bleibt erhalten. Eine kluge Entscheidung. „Harri Pinter, Drecksau“ ist der dritte Film in der ORF-Stadtkomödien-Reihe, die mit Marie Kreutzers „Die Notlüge“ begann und mit Sascha Biglers „Herrgott für Anfänger“ fortgesetzt wurde. Schauplatz ist diesmal Klagenfurt.
Juergen Maurer, der lange zum Ensemble des Wiener Burgtheaters gehörte, seit mehr als zehn Jahren in TV-Produktionen von „Tatort“ über „Neben die Spur“ bis „Parfum“ spielt und in der ORF-Serie „Vorstadtweiber“ den Immobilienmakler Schorsch Schneider gibt, kehrt mit der Kärntner Figur des Harri Pinter quasi zu seinen Wurzeln zurück, Maurer stammt aus Klagenfurt. So fühlt er sich im Dialekt zu Hause. Wenn er seinen Harri zu Ines sagen lässt: „Was hast denn, hast deine Gulaschwochen?“, dann klingt das weit geschmeidiger als wenn er – wie im Untertitel zu lesen – sagen würde: „Hast du deine Tage?“ Diese Figur hat sowohl etwas Tragisches als auch etwas Komisches, und Maurer hält die Balance zwischen diesen beiden Polen. Der Schauspieler gibt diesen Loser und zuweilen etwas derben Dödel sehr nuanciert – zwischen biederem Bad Guy, verlassenem Macho und ungelenkem Romantic Lover. Andreas Lust spielt gekonnt den fiesen Gegenspieler, Harri‘s Ex-Teampartner und jetzigen Eishockey-Funktionär Flasch. Und der Kabarettist Hosea Ratschiller darf den schüchternen Dörki Potschevaunig geben und für leise-humoristische Zwischentöne sorgen.
„Harri Pinter, Drecksau“ ist die Geschichte eines Mannes, der nie erwachsen geworden ist, der in der Vergangenheit lebt und erst lernen muss, die Gegenwart zu reflektieren. Harri ist ein Antiheld, einer, der in seiner kleinen (regionalen) Welt lebt. Erst die Trennung von seiner langjährigen Freundin wird für ihn zum Weckruf, zur Hallo-wach-Situation. Lange will er das nicht wahrhaben, wurstelt sich so durch. Doch dann nimmt er (endlich) den Kampf auf. Stefan Hafner und Thomas Weingartner (haben gemeinsam bereits zwei „Landkrimis“ und den superben Wien-“Tatort: Her mit der Marie“ geschrieben) sind die Drehbuch-“Väter“ des Harri Pinter. Das Ende ihrer Komödie ist zwar vorhersehbar, alles ist sehr gerade erzählt, aber es sind die punktgenauen, witzigen Dialoge und die vielen kleinen Momente und Szenen, die den Film rund werden lassen. Etwa wenn Harri seinen Fahrschülern weniger die Verkehrsregeln als die Eishockeyregeln erklärt, sie an seinem emotionalen Desaster teilhaben lässt und während der Fahrstunde mit seinen Problemen zutextet, am Ende bei der Fahrprüfung aber ein großes Herz hat. Oder wenn er dem ewigen Studenten und Pressewart Dörki, der im Verein Anschluss sucht, noch bei seiner Mutter wohnt und nicht den Mut aufbringt, seine Angebetete anzusprechen, auf die Sprünge hilft, ihn mit aufs Eis nimmt und ihn letztlich zu seinem Liebesglück drängt. Wenn er krächzend mit der Gitarre in der Hand seiner Ines ein Ständchen unter dem Balkon gibt und sich danach mit dem Uni-Professor kloppt. Wenn er mit Herzblut seine Eishockey-Kinder zum Erfolg führt, diese ihn trotz (oder wegen) seiner martialischen Ansprachen lieben. Und wenn Harri von seinem ehemaligen Mitspieler und heutigen Vereinsfunktionär mit Führungsambitionen am grünen Tisch für die eigene Karriere geopfert wird. Das sind Szenen und Passagen, die auf den Punkt und mit gutem Timing von Andreas Schmied inszeniert wurden, Der Regisseur (erhielt für „Love Machine“ in diesem Jahr eine Romy für den besten Kinofilm) hat mit „Curling For Eisenstadt“ bereits eine weitere ORF-Stadtkomödie abgedreht. Auch darauf kann man sich schon freuen. Aber erst einmal darf Harri Pinter zeigen, was eine echte Drecksau ist. (Text-Stand: 7.7.2019)