Um die Kollegin zu retten, macht Koops bei einem Bankraub mit
Man trifft sich immer zweimal im Leben. Simone Schmidt (Julia Koschitz) ist in den Harz zurückgekehrt, denn die Bankräuberin hat noch eine Rechnung offen mit Frank Koops (Aljoscha Stadelmann), der sie vor vier Jahren in den Knast brachte. Zwar ist sie gerade wegen guter Führung vorzeitig entlassen worden, aber gemacht für ein Leben in Armut ist diese ebenso attraktive wie unberechenbare Person nicht. Weil Björn (Jan Krauter), ihr Späher in St. Andreasberg, fälschlicherweise annimmt, dass Mette (Anna Fischer), die Revierleiterin des Nachbarorts, mit Frank liiert ist, hat er sie in seine Gewalt gebracht. Und sie kommt erst wieder frei, wenn der Polizist Simone und ihrem Brutalo-Lover Hagen (Michael Rotschopf) hilft, erfolgreich eine Bank zu überfallen. Frank weiß, dass mit dieser Frau nicht zu spaßen ist – und hat gleich einen vielversprechenden Plan: Zwar sieht die Harzbank nicht gerade nach dem großen Coup aus, doch diese Bank ist auch Treffpunkt zweier Geldtransporter, der erste sammelt die Barbestände aller Firmen im Harz und der zweite bringt die kostbare Fracht nach Hannover. Bei der Übergabe sind allerdings fünf bewaffnete Sicherheitsbeamte zugegen. Man müsste also das Geld in der Bank zwischenlagern – sprich: den zweiten Transporter aufhalten. Der Plan überzeugt und besänftigt die Gangster. Jetzt muss es Frank nur noch gelingen, seinem Freund Heiner (Moritz Führmann) eine Nachricht zukommen zu lassen. Polizist spielen ist dessen Jugendtraum – und Mette ist der aktuelle Traum seiner schlaflosen Nächte.
Krimi im Kopf: Die Klingen kreuzen zwei psychologische Taktierer
Wartete im November „Die Kronzeugin“, der zweite Krimi aus der ARD-Premium-Reihe „Harter Brocken“, mit einem großen Blutbad auf, fällt der neue Fall des Harzer Dorfpolizisten Frank Koops vergleichsweise zahm aus. Lange Zeit sieht es in „Der Bankraub“ danach aus, als ob es gar keine Toten geben würde. Bei der hohen Gewaltbereitschaft der Gangster kann sich das allerdings jederzeit ändern. Außerdem verspricht die Tatsache, dass die raffinierte Antagonistin erst vor einem Tag aus dem Knast entlassen wurde und sie und ihr Kompagnon selbst keinen Plan für einen Raub haben, dass ihnen die Beute aus einem Banküberfall gelegen käme, aber nicht der eigentliche Zweck der Rückkehr nach St. Andreasberg ist. In diese Richtung weist zu Beginn des Films auch der verbale Liebesbeweis ihres Lovers („Ich kann ihn für sich töten“). Im Harz sind diesmal also nicht die Killer los, die ohne Umschweife ihrem Job nachgehen, sondern die Klingen kreuzen zwei psychologische Taktierer. Die „Action“ findet im Film von Andreas Senn, wie immer nach dem Buch von Holger Karsten Schmidt, vornehmlich unter der Oberfläche statt, also in der ersten Stunde vornehmlich in den Köpfen von Protagonist und Antagonisten. Die Charaktere sind anfangs schwer zu durchschauen, Koops Rettungsplan zeichnet sich als erstes ab. Die psychologische Spannung ist hoch, sie resultiert aus den Optionen, die die Story anbietet. Auch für den Zuschauer bleibt dieser Krimi im Gegensatz zum permanenten Nervenkitzel in „Der Kronzeugin“ eine Kopf-Geschichte, die sich eine längere Anlaufzeit nimmt, bevor womöglich ein Spiel auf Leben und Tod beginnt.
Das Besondere liegt im Detail und im Spannungsverhältnis der Akteure
Lustvoll verkürzt wird das Warten auf den Banküberfall und das, was danach kommt, durch die Beziehungsebene, das spannungsvolle Mit- und Gegeneinander von Frank, Simone und Hagen. „Keine Spielchen“, sagt die kühle Schöne – und bittet den Bullen zum Sex, um ihrem jähzornigen Macker wenig später strahlend zu verkünden: „Wir haben uns geliebt, als sei’s das letzte Mal.“ Bei diesem Trio brodelt es sichtlich. Und wenn die Maske von Michael Rotschopf, Stoppelfrisur samt fieser Ausstrahlung, bildlich wörtlich zu nehmen ist, dann sieht es schlecht aus für den beherzten Dorfpolizisten, den Aljoscha Stadelmann allerdings nicht so spielt, als sei’s das letzte Mal. Koops hat die Ruhe weg, weil er in sich ruht, weil er sich seiner Stärken durchaus bewusst ist und weil er sich in andere Menschen hineinversetzen kann. All das geht dem zweiten schweren Jungen, den Jan Krauter sehr unterhaltsam verkörpert, völlig ab. Er ist das Würstchen des Trios, winzig sein Ego, groß seine Komplexe und das Pech klebt an seiner Nase. Dabei kann er eigentlich nichts dafür, dass er die Polizistin im falschen Ferienhaus gefangen hält. Dieser Umstand führt schließlich doch zum ersten Mord. Dass der nicht gezeigt wird, gehört zu den klugen Entscheidungen des versierten Genre-Erzählers Schmidt: Die Tötung einer Figur mit einem Sekunden-Auftritt im On wäre nichts weiter als die pure Darstellung von Gewalt ohne einen Mehrwert für die Dramaturgie und die Phantasie des Zuschauers. So aber rätselt man über den Verbleib jener Frau Müller – bis sie dann doch irgendwann auftaucht. Kurzweilig sind auch die Szenen, in denen Anna Fischers Mette ihre Power einsetzt, um zu versuchen, ihrem nicht allzu hellen Aufpasser zu entkommen. Auch ohne Axt wähnt man sich einmal in der legendären „Shining“-Badszene.
Der Mehrwert gegenüber einem Ermittlungskrimi: nah an der Hauptfigur
Diese Parallelhandlung zeigt vor allem, was eine fehlende Schraube so alles anrichten kann. Die Tötung von Frau Müller, die Spannung, die retardierende Heldentat des Postboten und Wyatt-Earp-Fans Heiner – das alles resultiert daraus, dass aus der Hausnummer 6 eine 9 geworden ist. Aus dem Kleinen erwächst das Große: Hitchcock sagte einmal, dass einige seiner besten Filme aus Zeitungsmeldungen hervorgegangen seien. Das klingt übertrieben, aber für die „Harte-Brocken“-Krimis gilt auf jeden Fall: Die Handlungen sind überschaubar, das Personal übersichtlich und die Geschichten erheben nicht den Anspruch auf Realitätsnähe. Aus einer vermeintlich simplen Ausgangssituation wird das Größtmögliche an Spannung und Plot-Dichte herausgeholt. Der Zuschauer ist im Bilde und weitgehend mit den Charakteren auf Augenhöhe. Das hat einige Vorteile gegenüber den üblichen Ermittlungskrimis, bei denen die ungeordnete Informationsfülle (allein die Namen) ja häufig dazu führt, dass man als Zuschauer zwischendurch immer mal wieder abschaltet. Ganz besonders bei „Der Bankraub“ ist das anders. Da geht man mit dem Protagonisten mit und ist gespannt, wie er sich aus der bedrohlichen Situation befreien wird. Selbstredend lässt sich ein herkömmlicher „Tatort“ auf diese Weise kaum erzählen (die Folge: das beliebte ARD-Format öffnet sich immer stärker dem Thriller), und auch politische oder gesellschaftskritische Geschichten sind schwerer mit dieser subjektiven Ermittler-Perspektive zu fassen – das nimmt man zumindest an, das muss aber keineswegs so sein. Was Schmidt in der ersten Szene an Banken-Kritik liefert, ist nicht nur im Rahmen eines Genrefilms große Klasse, sondern vielleicht sogar wirkungsvoller als so mancher 90minütige gut gemeinte Themen-Krimi. Koops erbittet einen Privatkredit bei jener später ins Krimispiel kommenden Harzbank. Und was bekommt er als Antwort? „Zu dem Zeitpunkt, zu dem Ihre statistische Lebenserwartung endet, stünden noch etwa 8000 Euro aus. Bei allem Wohlwollen, Herr Koops, das geht nicht.“ (Text-Stand: 25.11.2017)