Der 15-jährige Lukas (Markus Quentin) reibt sich am Freund seiner Mutter Beate (Aglaia Szyszkowitz), dem ehrgeizigen Karsten (Oliver Mommsen). Bei Lukas sind Erfolge selten. Wäre es möglich, würde er lieber bei seinem leiblichen Vater Jochen (Kai Scheve) wohnen, einem Automechaniker, statt mit Karsten und Beate ins neue Haus zu ziehen. Zumal Lukas auch keinen Zugang zur angesagten Clique in seiner Schule findet, zu der er gerne gehören möchte. Dort ist Hochprozentiges eine Selbstverständlichkeit und für Lukas wird alles einfacher, als er beginnt, mitzutrinken. Er kommt sogar Sylvia (Anna-Lena Klenke) ein bisschen näher und ist dabei, als die verhasste Mathe-Lehrerin gedemütigt wird. Lukas genießt seine neue Entspanntheit. Doch er übersieht, welche Folgen der exzessive Alkoholkonsum für ihn und die anderen, allen voran Sylvia hat. Gestresst von ihrer Position zwischen Freund und Sohn merkt Mutter Beate lange nicht, dass Lukas mit seiner Trinkerei Hilferufe aussendet.
Mehr als 25000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 & 20 Jahren wurden im Jahr 2011 nach einem Trinkgelage im Krankenhaus behandelt. Tendenz steigend. Vor allem die Zahl der Fälle bei den 10- bis 15-Jährigen nimmt rasant zu. Mechthild Dyckmans, Drogen-Bundesbeauftragte, warnt: „Diese Zahlen zeigen, dass wir nicht nachlassen dürfen, Kinder und Jugendliche über die Gefahren des Rauschtrinkens aufzuklären. Früher Alkohol-Konsum kann zu langfristigen Gesundheitsschäden führen und erhöht die Gefahr, später abhängig zu werden.“
Bernd Böhlich, zweifacher Grimme-Preisträger, hat sich dieses Themas durchaus im Sinne der Drogenbeauftragten angenommen. In „Komasaufen“ schildert er, wie ein Teenager Flucht, Anerkennung, aber auch Spaß im Alkohol sucht. Der Autor erzählt chronologisch und verdichtet dabei mögliche Ursachen in eine intensiv-emotionale Coming-of-Age-Geschichte. Da sind die familiären Probleme (Trennungskind, Leiden unter dem dominanten Stiefvater, Sehnsucht nach Geborgenheit), pubertäre Entwicklungen (Außenseiterrolle, Unsicherheit im Umgang mit Mädchen), Prozesse gruppendynamischen Verhaltens und die gesellschaftliche Akzeptanz der Volksdroge Alkohol. Das alles packt Böhlich in sein Drama und versucht konsequent und drastisch, Folgen des Komasaufens in ihrem Gefahrenpotential für junge Menschen aufzuzeigen. Eine Moralisierung vermeidet er weitgehend, aber das familiäre und soziale Umfeld des Protagonisten wirkt ausgestellt & die Geschichte um Jugendliche und den exzessiven Umgang mit Alkohol, sprich „Komasaufen“, ist dem Autor zu didaktisch geraten.
Regisseur Bodo Fürneisen hat das aufrüttelnde Drama ansprechend inszeniert, nicht gerade überraschend in den Bildern, die die inneren Seelenzustände der Beteiligten spiegeln sollen. Aber äußerst behutsam in den Szenen der Alkoholexzesse und emotionalen Ausbrüche. Und sehr feinfühlig im Umgang mit den jungen, teilweise noch kameraunerfahrenen Schauspielern, die gut und klug ausgewählt sind und dem Film vor allem in den Sequenzen, in denen die Teenager untereinander agieren, Authentizität verleiht. Markus Quentin, ein junges, unverbrauchtes Gesicht mit Perspektive, nutzt seine Chance, spielt den Teenager zwischen Selbstzweifel und Anerkennungsstreben rollenangemessen eher zurückgenommen.
Anna-Lena Klenke hat als Sylvia den tragischen Part, erst wild und fordernd, dann der jähe Absturz. Die Erwachsenen-Rollen sind mit Aglaia Szyszkowitz, Kai Scheve und Oliver Mommsen gut besetzt und routiniert gespielt, nur bleibt den Figuren wenig Raum für Tiefe, seelische Entwicklungen werden mehr über Handlungen und Dialoge erklärt denn gespielt. „Komasaufen“ ist ein durchaus wichtiger, weil auch aufrüttelnder Film, der – nicht nur wegen der Mitwirkung der Iserlohner Band „Luxuslärm“ – bei jungen Zuschauern durchaus auf Interesse stoßen könnte. Doch dürften auch die mit der etwas lehrhaften Art und der zu deutlichen Botschaft des Films so ihre Probleme haben. Das doppelte Ende passt zur Erzählweise dieses Dramas – tragisch zum einen, perspektivisch zum anderen. Mehr soll hier nicht verraten werden, auch wenn es erkennbar darauf zusteuert. (Text-Stand: 1.10.2013)