Die Bremse ist schon eingebaut: Der frühere Kriminalbeamte Manfred Mattern (Czypionka), genannt „Mama“, ist einer Herzerkrankung wegen vorzeitig pensioniert worden und wieder bei Mutter Mattern (Vergeen) eingezogen. Diätkost also, nicht anstrengen, nicht aufregen. Schon gar keine wilden Verfolgungsjagden. Es muss nicht immer Action sein. Im Gegenteil. Wahre Meister der filmischen Erzählung kommen auch ohne hochfrequente Bildgewitter aus. Und ein guter Krimiautor vermag selbst einen Fahrraddiebstahl spannend zu schildern.
Es müsste also kein Schaden sein, wenn Headautor Johannes Rotter, der selbst in der Rolle des Willi Surdieck vor die Kamera tritt, in der vorerst achtteiligen Vorabendserie „Matterns Revier“ – zumindest nach Maßgabe der ersten beiden Episoden – nicht mit Gewaltexzessen auftrumpft. Auch das vielstimmig geforderte „deutsche ‚Breaking Bad‘“ bleibt dem Publikum zum Glück erspart – ein entfesselter Chemielehrer, der durch die Weiten Mecklenburg-Vorpommerns oder des Emslands wütet, würde nur lächerlich wirken. Manfred Mattern muss vor allem im Freundeskreis eingreifen. Dort bekommt er es mit kleineren Delikten und Pannen zu tun, die er in gemächlichem Tempo, leicht müde wirkend, zu beheben versucht. Schlitzohr Dennis etwa verscherbelt handgefertigte Gartenzwerge über das Internet. Zu exorbitanten Preisen. Denn im Inneren sind kleine Haschischpakete versteckt. Ein ziemlich dämlicher Coup, der prompt das LKA auf den Plan ruft. Bei solchen Gelegenheiten arbeitet Mattern zuweilen gegen die früheren Kollegen, um seine Kumpels vor Ungemach zu bewahren.
Insbesondere Imbissbesitzer Ecki (Roland Riebeling), der im Vorspann als Ich-Erzähler ins Milieu einführt, hat die Neigung, sich in Schwierigkeiten zu bringen. In Folge 2 stirbt sein Schwager während eines Bordellbesuchs. Kein Verbrechen, sondern ein Schlaganfall, aber um des guten Rufes willen soll die Leiche ins eigene Bett verfrachtet werden. Daraus hätte man etwas machen können. Filme wie „Immer Ärger mit Harry“ und „Immer Ärger mit Bernie“ haben das Muster vorgegeben; es ließe sich durchaus noch variieren. Aber die Geschichte verläuft anders, sie ist eine reine Kopfgeburt: Der Verstorbene wird posthum als Trickbetrüger entlarvt. Er hatte eine Olympiamedaille gestohlen, die der Besitzer dringend zurückhaben möchte. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, entführt er den Dackel von Mutter Mattern. Eine weitere Erpressung geht von der beteiligten Prostituierten aus. Viel Vorlauf, viele umständliche Erklärungen, die Auflösung geschieht dann im Handumdrehen.
Es hapert an vielen Stellen. Über die Logiklücken könnte man hinwegsehen, sofern sich denn daraus absurd-komische Szenen ergäben. Doch die bleiben aus. Die Dramaturgie ist unausgewogen, die beiden vorliegenden Episoden finden keinen funktionierenden Rhythmus. Schwache Sequenzen ziehen sich in die Länge, stärkere Inhalte dagegen werden oft flüchtig abgehandelt, manchmal sogar nur auf Dialogebene. Von fotografischer Finesse keine Spur. Das visuelle Erzählen, der gekonnte Einsatz von Kamerabewegung, Fokus, Zoom, wird schmerzlich vermisst. Aber das gilt auch für viele andere deutsche Serien, insbesondere am Vorabend. Wer jenen Schauspielstil schätzt, der jede wörtliche Aussage durch überdeutliches Mienenspiel verdoppelt, kommt bei „Matterns Revier“ auf seine Kosten. Aber die Darbietungen der meisten Darsteller wirken so gestellt wie das angebliche Ruhrgebiets-Milieu. Man glaubt es einfach nicht. Und erinnert sich mit Wehmut an die RTL-Ruhrpott-Serie „Balko“. Entgegen weit verbreitetem Irrglauben haben deutsche Produzenten in der Vergangenheit sehr wohl gute Serien zustandegebracht. (Text-Stand: 10.10.2015)