Sprengstoffanschlag in einer Schule. Im Büro von Direktorin Bärbel Strasser (Kirchhoff) explodiert eine Rohrbombe. Die Schulleiterin bleibt unverletzt, aber die junge Referendarin Josephine Mayfeld war zur Zeit der Detonation im Raum. Sie wird schwer verletzt. Bei ihren Ermittlungen erfahren Lenski und Krause, dass die Abschlussprüfungen der zehnten Klassen kurz bevorstehen. Sind Schüler die Täter? Schnell fällt der Verdacht auf Tobias Lubkoll (Ludwig Simon) und Ben Wieland (Anselm Bresgott) aus der 10B. Für beide könnte es eng werden mit dem Abschluss. Die zwei liefern sich gegenseitig ein Alibi. Doch Kommissarin Lenski ist sicher: sie lügen. Auch Chemielehrer Rainer Zerbe (Sellien) und Hausmeister Daniel Radke (Rogowski) geraten unter Verdacht. Bei den Ermittlungen wird für Lenski & Krause zunehmend deutlicher, dass das Kollegium mit der herrischen Art und den pädagogischen Ansichten der Direktorin Probleme hat. Dann nimmt der Fall eine neue Wendung. Es stellt sich heraus, dass die Rohrbombe mit einem Zeitzünder verbunden war und eigentlich erst um 17 Uhr explodieren sollte. Geht es hier tatsächlich um einen Mordversuch?
Tatort Schule. Da ist Platz für aktuelle Probleme an einem Gymnasium – Leistungsdruck, überforderte Lehrer, renitente Schüler. Klar, dass da auch der griechische Philosoph Sokrates zitiert wird: „Die Jugend von heute hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Kristin Derfler hat all das in eine Krimigeschichte gegossen und – das ist selten in diesem Genre – auf eine Leiche verzichtet. Das Opfer wird nur schwer verletzt. Bei der Tätersuche legt sie geschickt falsche Fährten, lässt ihre Figuren quasi der Reihe nach unter Verdacht kommen und zaubert ein durchaus überraschendes, sich erst spät abzeichnendes Ende aus dem Hut. Regisseurin Angelina Maccarone, die bereits zwei Furtwängler und einen Milberg-“Tatort“ in Szene gesetzt hat, nutzt den eingegrenzten Schauplatz Schule. Lange Kamera-Fahrten durch die Schulflure oder verschwommene Bilder, wenn es um Erinnerungen geht, sind keine Seltenheit. Maccarone und ihr Kameramann Foest setzen auf leise Spannung.
Schade nur, dass die Szenerie so wenig Überraschendes zu bieten hat. Es sind die bekannten Bilder von pöbelnden Schülern, gedrehten Videos im Unterricht. Und es sind die bekannten Töne: „I don‘t like Mondays“… Und viele Figuren bieten Erwartbares: die überforderte Referendarin, der ausgebrannte Altlehrer, der kumpelhafte Pädagoge, der seinen Schülern auch in seiner Freizeit auf die Prüfungen vorbereitet. Die Charaktere bleiben blass. Stark gezeichnet ist hingegen die Figur der Schulleiterin: Diese Bärbel Strasser, der der Anschlag galt, ist eine dienstbeflissene Direktorin. Sie haut Sätze raus wie „Ich finde, nicht jeder muss hier Abitur machen“ oder „Wenn man glaubt, man kann nicht mehr, hat man noch 40 Prozent.“ Der Lehrkörper leidet unter ihrer Leistungsorientierung. Corinna Kirchhoff spielt diese Frau, die nichts an sich heranlässt, fein nuanciert und mit einem Mischung aus Härte, Kühle und Unnahbarkeit. Für eine kleine, heitere Note sorgt die Schulsekretärin: Hildegard Schroedter verleiht ihr eine resolute Herzlichkeit. Wie sie mit einem trockenen „Und, Käffchen?“ zum Wiedersehen ihren Schulfreund Krause ins Sekretariat lockt, hat Witz.
Ja, Horst Krause – übrigens der einzige TV-Ermittler, der unter seinem wahren Namen böse Buben jagt. Der „Polizeiruf 110 – Hexenjagd“ ist einer seiner letzten Fälle. Nur noch 2015 ist der Dicke im Einsatz, dann ist Schluss für den Polizisten mit der zu kleinen Uniform, dessen Markenzeichen sein Motorrad mit Beiwagen und sein Schäferhundmischling sind. Seit 1996 ist er als Dorfbulle im „Polizeiruf 110“ in Brandenburg unterwegs. Maria Simon als Kommissarin Olga Lenski muss also bald ohne ihn auskommen. Schade, denn dieses ungleiche Duo harmoniert gut miteinander, spielt sich geschickt die Bälle zu und bietet stets auch eine Prise trockenen Humor. Etwa wenn Krause auf den bereits erwähnten Satz der Rektorin, „Wenn man glaubt, man kann nicht mehr, hat man noch 40 Prozent“, verschmitzt antwortet: „40 Prozent – das ist ja nicht mal die Hälfte“.