Action pur zum Einstieg: Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) sitzt in einem Cafe und beobachtet penibel ein Geschäftshaus gegenüber. Dann verschafft sie sich Zugang zu dem Gebäude, prügelt sich an den Wachmännern vorbei zu einem Raum, betritt diesen, ein Mann steht vor ihr, sie erschießt ihn eiskalt und filmt die Tat. Als der Tote später abtransportiert wird, öffnet Staatsanwalt Mehringer (Herbert Knaup) den Leichensack, darin liegt der Mann – er lebt und sagt: „Ich hoffe, das Theater überzeugt Lasarew“. Alles war nur Show. Der Mann ist der wichtigste Zeuge im Prozess gegen den ukrainischen Waffenschieber Artem Lasarew (Ulrich Matthes). Sarah hat für Mehringer nur eine Attentäterin gespielt. Die Bilder sollen Lasarew zugespielt werden, im Gegenzug soll der skrupellose Gangster die Tochter eines der Personenschützer des Zeugen, die in seinem Auftrag entführt wurde, freilassen. Sarah ist schnell klar, dass Mehringer den in Untersuchungshaft sitzenden Gegner Lasarew grenzenlos unterschätzt: Er wird Lena töten lassen. Die Polizistin macht sich auf die Suche nach dem Mädchen. Dann erfährt sie, warum Mehringer zu so drastischen Mitteln griff und warum ihr höchster Dienstherr, der Hamburger Innensenator Stefan Bader (Devid Striesow), so nervös ist: Es geht nicht nur um die Entführung, Lasarew will eine alte, persönliche Rechnung begleichen und plant einen Bombenanschlag, den sein „Sohn“ Egor (Stipe Erceg) ausführen soll. Denn sein leiblicher Sohn Danylo (Golo Euler) hat sich vor Jahren vom Vater losgesagt. Über den versucht Sarah, an Lasarew ran zu kommen. Dabei ist ihr jedes Mittel recht.
Nicht immer mit legalen Mitteln.
„Sarah Kohr entspricht nicht der Norm. Mit ihrer kaltschnäuzigen, überheblichen Art und ihrem Hang zur Brutalität wäre sie vermutlich nicht die erste Wahl, wenn man einen ‚Freund und Helfer‘ benötigt. Dafür bietet Kohr mehr knallige Action und coole Kampfmoves in einem Fall als die meisten ihrer Kollegen in ihrer gesamten TV-Ermittlerlaufbahn. Die Spannung hält sich bis zum explosiven Showdown…“ (TV-Spielfilm 9/19)
5,68 Millionen sahen vor einigen Jahren das Debüt, damals unter dem Titel „Der letzte Kronzeuge“, jetzt prügelt sich Sarah Kohr durch ihren dritten Fall. Bei dieser Frau, die sich Stefan Kolditz ausgedacht hat, geht es zur Sache. Wie schon im zweiten Film stammt das Drehbuch erneut von Timo Berndt. Der ist ein echter Vielschreiber, hat allein in den letzten Jahren sechs bis sieben Drehbücher pro Jahr geliefert – von „Ein starkes Team“ über „Friesland“ und „Die Toten vom Bodensee“ bis „Marie Brand“. Die Routine ist sicht- und spürbar. „Sarah Kohr – Das verschwundene Mädchen“ ist ein klassischer Action-Thriller, mit einer klaren Erzählstruktur, die auf einen Showdown hinsteuert. Die Story ist zugeschnitten auf die titelgebende Hauptfigur. Christian Theede („Nord bei Nordwest – Gold!“, „Tatort: Mord ex Machina“) hat den Krimi temporeich, mit gut getimten Actionszenen und starken Hamburg-Bildern inszeniert. Hier wird weniger auf Psychologie gesetzt, sondern deutlich auf Physis: Sarah prügelt sich durch die Szenerie, kein böser Bube ist ihr ebenbürtig, wenn sie einstecken muss, dann steht sie kurz darauf auch schon wieder auf: Mund abputzen, weiter kloppen. Lisa Maria Potthoff wirft sich im wahrsten Sinne des Wortes rein in die Rolle der taffen Sarah Kohr. „Ich liebe es, mich auf Rollen und ihre speziellen Herausforderungen vorzubereiten. Hier sind es immer intensives Training und eine Menge Stunt-Proben“, sagt die Schauspielerin, die die Actionszenen selbst spielt. Nur in einer Szene klettert eine Stuntfrau über das Dach, den Rest erledigt sie. Für die wenigen leisen Töne sorgen die Momente mit Lasarows Sohn. Golo Euler spielt diesen wunderbar unschuldig & feinsinnig. Hier kann Sarah ihre andere Seite zeigen. Sie ist einsam, allein mit ihrem Schmerz, das Verhältnis zur Mutter ist stark belastet, doch die Liebesbeziehung mit Danylo ist bei ihr (lange) nur reines Kalkül.
So eine Kommissarin hat man im deutschen Krimi noch nicht gesehen.
„Christian Theede (Regie) und Timo Berndt (Drehbuch) setzen von Beginn an auf die Struktur des Puzzles. Der Zuschauer bekommt stets ein paar Minuten später den Sinn dessen nachgeliefert, was er zuvor gesehen hat. Löblich allerdings, dass man hier auf die inzwischen im Krimiformat so gern genommene Flashback-Masche einmal verzichtet hat.“ (Wilfried Geldner)
Die Körperlichkeit der Hauptfigur ist ein Alleinstellungsmerkmal für die ZDF-Reihe „Sarah Kohr“. Kaum ein männlicher Krimi-Kollege zeigt soviel Einsatz wie diese Ermittlerin. Sie fragt sich nicht lange, wer der Mörder gewesen sein könnte. Sie hat das Heft in der Hand, sie wird in der Geschichte Teil des Problems, Teil der Bedrohung. Das sorgt für Spannung. Diese Sarah ist ein Freigeist, pfeift auf Konventionen, auf Regeln, auf Anweisungen. Eine Frau geht ihren Weg, sie wird dabei zur Superwoman. Bei allem Eigensinn und bei aller Sperrigkeit ist sie aber eine durchweg sympathische Figur, weil sie zwar raufen kann, aber für Gerechtigkeit kämpft und dies mit Scharfsinn tut. Für einen Reihen-Krimi ist die Besetzung superb. Neben dem Stammpersonal Potthoff, Knaup und Corinna Kirchhoff (als Sarahs Mutter) sind mit Golo Euler und Devid Striesow die Hauptdarsteller einer anderen, erst kürzlich gestarteten ZDF-Krimi-Reihe („Schwarz & Schwarz“) dabei, Ulrich Matthes gibt gewohnt diabolisch den Oberbösen, der aus dem Knast heraus die Geschicke lenkt, Stipe Erceg mimt seinen Handlanger, den Mann fürs Grobe. Und dann ist da noch eine, die im ORF „Schnell ermittelt“, hier aber in der zweiten Reihe zeigt, was man aus einer eher kleineren Rolle machen kann: Ursula Strauss. Der vierte Film „Sarah Kohr – Teufelsmoor“ wurde gerade gedreht, die Reihe hat sich einen festen Platz im ZDF-Programm gesichert – und das mittlerweile zu Recht.