Fünfter Einsatz für Stefan Gubser als Schweizer Kommissar Reto Flückiger in Luzern. Der „Tatort: Geburtstagskind“ ist weniger Krimi denn intensives Familiendrama um einen religiösen Fanatiker, eine zerbrochene Frau und einen ermordeten Teenager. Dicht erzählt, unaufgeregt gefilmt, nur das Besondere an der Geschichte um Familienideologie und übersteigerten Glauben sucht man vergebens. Fazit: Kann man gucken, muss man aber nicht.
Vierzehn Kerzen bläst Amina (Carla Chiara Bär) an ihrem Geburtstag aus, kurz darauf ist sie verschwunden. Tage später wird das Mädchen erschlagen im Wald aufgefunden. Sehr schnell erkennen die Luzerner Ermittler Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer), dass das familiäre Umfeld des getöteten Teenagers mehr als kompliziert war: der leibliche Vater, Kaspar Vogt (Marcus Signer) ist ein Querulant und ehemaliger Drogen-abhängiger. Am Tag vor Aminas Verschwinden ist er trotz Verbot bei der Familie Halter aufgetaucht und hat Ärger gemacht. Der Stiefvater, Beat Halter (Oliver Bürgin), ist der fanatische Vorsteher einer freichristlichen Glaubensgemeinschaft. Und mittendrin Aminas Mutter Ursula (Sarah Spale), die von Halter damals zusammen mit ihren zwei Kindern Amina und Julia von der Straße geholt wurde. Im Zuge ihrer Ermittlungen erfahren die eidgenössischen Kommissare: Amina war im dritten Monat schwanger, offenbar wurde sie missbraucht. Gemäß DNA-Analyse ist die Vaterschaft unbekannt. Die Frage stellt sich: Wie konnte so etwas in dieser strenggläubigen Gemeinde passieren?
Bereits seinen zweiten Schweizer „Tatort“ hat Regisseur Tobias Ineichen nach „Skalpell“ gedreht. In „Geburtstagskind“ spielt er nach dem Buch von Moritz Gerber mit einem schwer zu durchschauenden Beziehungsgeflecht einer freikirchlichen Gemeinschaft. Doch so richtig packen will das Sekten-Thema nicht. Das liegt wohl daran, dass hier die üblichen Muster bedient werden: das spiegelt sich in (Standard-)Sätzen wie „Ich folge dem Glauben Gottes – der ist ewig“. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema findet nicht statt, es ist nicht mehr als Hülle für ein Familiendrama. Und auch der Bezug zu den beiden Ermittlern, die sich am Rande mit ihrer eigenen Vergangenheit und Jugend konfrontiert fühlen, wirkt etwas bemüht.
Klar, der knorrige, mit fein trockenem Humor agierende Reto Flückiger und seine passend unaufgeregt getaktete Kollegin Liz Ritschard sind ein gutes Gespann, weit überzeugender als der Versuch, Kommissar Flückiger in seinem ersten Fall eine US-Ermittlerin (gespielt von Sofia Milos) als Partnerin zur Seite zu stellen. Die beiden passen in den ruhigen Erzählfluss des Eidgenossen-„Tatorts“. Doch das Ensemble um sie herum kann nicht sonderlich überzeugen, das liegt in erster Linie an den schablonenhaften Charakteren und den schwachen Dialogen. Gerade Marcus Signer und Oliver Bürgin agieren mimisch und gestisch an entscheidenden Stellen allzu offensichtlich, da sollen Blicke geheimnisvoll sein und Aufgeregtheit den Verdacht in die falsche Richtung lenken. Okay, das Finale ist bildstark in Zeitlupe inszeniert, aber selbst da werden die besagten Schwächen des „Tatort: Geburtstagskind“ offensichtlich. Diesem Familiendrama fehlt so die besondere Note, solche Geschichten hat man schon (zu) oft gesehen – und eben auch schon deutlich besser.