Spätabends ist Betrieb im „Lu17“, einem Späti-Laden im Herzen Ludwigshafens. Ein Typ mit Kopfhörern lungert vor dem Weinregal herum, ein anderer sucht nach Bier, eine ältere Frau greift zum Schnäpschen. Als sie bei Ladenbesitzer zahlen will, entdeckt sie ihn am Boden hinter der Kasse. Er wurde wohl zu Tode geprügelt, die Kasse ausgeschüttet. Raubmord? Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist schnell am Tatort, sie war an diesem Sommerabend in ihrem Kiez unterwegs, nicht weit vom Kiosk entfernt. Die Kommissarin staunt über die Todes-Ursache: Jemand hat in die Luftröhre des Opfers Münzen im Wert von 73 Cent gestopft, der Mann ist daran erstickt. Die Aufzeichnungen der Überwachungskamera nahm der Mörder mit.
Odenthal und Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) haben bald zwei Verdächtige im Visier: den charmanten Anton Maler (Christopher Schärf), der sich rührend um seine kranke Ex-Freundin (Lana Cooper) kümmert, sowie Jannik Berg (Pit Bukowski), der mit der möglichen Tatwaffe, einem Baseballschläger, am Abend in einem Lokal gesehen wurde. Letzterer ist drogensüchtig und fackelt nicht lange, greift Odenthal bei einer Vernehmung sogar tätlich an. Die Stern widmet sich Maler, der einer der drei späten Kunden im Laden war. Der will nicht Anton, sondern Antoine genannt werden, erzählt ihr, was für ein toller Hecht er ist, dass er studiert habe und Webseiten gestalte. Zudem beginnt er während der Befragung, mit ihr zu flirten. Die Ermittlerin geht auf Abstand und analysiert bei der Aufzeichnung der Vernehmung seine Mikroexpressionen. Sie stellt fest, dass Maler sie zu manipulieren versucht. Bald schon taucht er bei ihr zu Hause auf und es wird immer deutlicher, dass es sich hier um eine narzisstische Persönlichkeit handelt. Die Stern fühlt sich bedroht, Maler lügt nach Strich und Faden.
Mit Lügen kennt sich Autor und Regisseur Martin Eigler aus. Natürlich im Film. Vor einigen Jahren schrieb und drehte er bereits den „Tatort – Der Mann, der lügt“ mit Manuel Rubey als Schwindler, der nicht mehr wusste, wem er selbst vertrauen konnte. Und nun geht es erneut um einen Lügner. Der Ludwigshafener „Tatort – Der böse König“ ist bereits Eiglers zehnter „Tatort, zudem schrieb und entwickelte er gemeinsam mit Sven S. Poser die Krimireihen „Solo für Schwarz“ und „Stralsund“ (dafür inszenierte er sieben Folgen selbst) und führte bei der preisgekrönten Mini-Serie „Morgen hör ich auf“ Regie und schrieb am Buch mit. Für den neuen Fall der Ludwigshafener Dauer-Kommissarin Lena Odenthal hat Eigler viel gelesen und recherchiert, um sich dem Persönlichkeitstyp seiner zentralen Figur im „Tatort – Der böse Konig“ anzunähern. Vielleicht zu viel, denn die Story ist ein wenig zu verkopft und konstruiert geraten. Das Wechselspiel zwischen Ermittlern und Verdächtigem funktioniert nicht sonderlich gut. Die konventionell agierenden Kommissarinnen sind keine Figuren auf Augenhöhe mit dem „bösen König“. Und dessen Sprunghaftigkeit trägt nicht zum Erzählfluss bei. Klar, für einen Krimi ist es von Vorteil, wenn sich das Verhalten des vermeintlichen Täters nicht gleich erschließt, das schafft Spannung. Und das Netz der Lügen, das Antoine ausbreitet, treibt die Geschichte ja durchaus voran. Aber das Umfeld des Kiez, die Figuren rund um den Kiosk – das alles will nicht so recht zu diesem Psychospiel passen.
Dieser Antoine ist eine narzisstisch gestörte Person, die Lügen und Halbwahrheiten hemmungslos einsetzt, sich, wenn er sich nicht anerkannt fühlt, sofort als Opfer einer „Hexenjagd“ sieht. Trump lässt grüßen. Doch Eigler dreht die Schraube noch weiter: Antoine hat ein tief sitzendes Minderwertigkeitsgefühl, das er ständig kompensieren und überspielen muss. So wird er unberechenbar und irrational in seinem Handeln. Der vermeintliche Edelmann, hilfsbereit und charmant, entpuppt sich mehr und mehr als „böser König“. Daraus macht der Autor nicht lange einen Hehl, alles läuft auf ihn als Täter raus. Die Fährte des verhuschten, drogenabhängigen Jannik Berg verläuft sich schnell, die Ermittler nutzen ihn als Lockvogel – mit Folgen. Ein narzisstischer, psychisch gestörter Mann als Hauptfigur, das steht und fällt auch mit dem Schauspieler, der diesen Menschen verkörpert, der so vehement auf Kränkungen reagiert und ständig Entschuldigungen einfordert, weil er so sein gegenüber unterwerfen kann. Der Österreicher Christopher Schärf (2016 Österreichischer Filmpreis für „Einer von uns“), abonniert auf Strizzis („Tatort – Her mit der Marie!“), gibt den Antoine im Spannungsfeld von Schein und Sein zu Beginn wohltuend verhalten, versucht der Figur eine dynamische Entwicklung zu geben, spielt den Dämon beim Showdown auch nicht voll aus.
Interessant ist das Farbkonzept, das Martin Eigler für seinen Krimi gewählt hat: Ungewöhnlich starke Farben hat er für die Sommeratmosphäre gewählt, die vielen Rot- und Gelbtöne, selbst im Präsidium lebhaftes Türkis statt kaltem Krimiblau, prägen die Atmosphäre. Die Farben stehen aber auch, so Eigler, „für die Geschichte einer Figur mit zwei Gesichtern, zwei Seiten. Die eine Seite dieser Figur will sich zeigen und in ‚gutem Licht‘ erscheinen und versteckt so die darunter liegende dunkle, destruktive Seite. Durch Licht und leuchtende Farben wollen wir die verborgene Seite betonen.“ Wird Antoine König böse, dann wird es dunkel. Dieses Farbspiel ist das überzeugendste am „Tatort – Der böse König“, der – das hat man gerade erst im Wiener „Tatort: Die Amme“ gesehen – Ermittler in die Abgründe der Psyche ihres Verdächtigen führt, dessen Instabilität bis zum Mord führen kann.