Tolja (Jonas Hämmerle), der Sohn von Kommissarin Nina Rubin (Meret Becker), will Polizist werden und begleitet als Praktikant eine Streife auf den Straßen des nächtlichen Berlin. Per Funk werden sie zu einer Wohnung gerufen. Ruhestörung, ein alltäglicher Einsatz, der jedoch völlig aus dem Ruder läuft. Das Ergebnis: Die junge Polizistin Sandra Ehlers (Anna Herrmann) wird ebenso getötet wie ein libanesisches Clan-Mitglied, das gerade mit einer Menge Drogen am Küchentisch hantiert. Der erfahrene Polizeihauptmeister Harald Stracke (Peter Trabner) erleidet einen Beinschuss, und am Ende wird auch Tolja mit zwei Schüssen niedergestreckt – zum Glück trägt er als Praktikant eine Schussweste. Die Schüsse auf die drei Polizisten hat Yakut Yavas (Rauand Taleb) abgegeben. Die blitzschnelle Eskalation kommt unerwartet, und wer genau hinsieht und hinhört, wundert sich über manches Detail. Wie dann Karow (Mark Waschke) später gemeinsam mit Tolja am Tatort den Ablauf seziert und einige Ungereimtheiten zutage fördert, ist als klassische Ermittlungsarbeit schon mal unterhaltsam.
Im neunten Fall wird es also sehr persönlich für Nina Rubin, die in höchster Sorge um ihren Sohn ist. Der Mutter-Sohn-Konflikt wird spannend in den Fall eingebaut: Tolja hat einiges zu verbergen und lässt sie erst mal ins Leere laufen, nimmt Telefongespräche nicht an und geht ihr aus dem Weg. In seiner ersten Befragung hat er gelogen, und am nächsten Tag wendet er sich nicht an seine Mutter, sondern an Karow, um einzuräumen, dass er den flüchtigen Täter doch wiedererkennen würde. Es stellt sich heraus, dass Tolja den Drogendealer Yakut kennt, sein Kunde und vielleicht sogar mit ihm befreundet war. Bei den Kollegen der Drogen-Fahndung erfährt Karow außerdem, dass Yakut als V-Mann arbeitete. Seltsamer Weise gibt Streifenpolizist Stracke an, dass Yakut nicht der Täter gewesen sei. Und was war das für eine ungewöhnliche Beziehung zu seiner getöteten Kollegin? Strackes Frau Verena (Nina Vorbrodt) wirft private Fotos, auf denen sie selbst, ihr Mann Harald und Sandra wie eine Familie wirken, in die Mülltonne. Immer mehr Verbindungen zwischen den Beteiligten am Schusswechsel kommen heraus. Stracke kannte Yakut ebenfalls, denn er hatte sich eine Weile überaus eifrig in die Arbeit der Drogenfahnder eingemischt und war in dieser Zeit insbesondere hinter Yakut her. Die komplizierte Angelegenheit wird leicht bizarr, als sich herausstellt, dass die Strackes einen drogenabhängigen Sohn hatten, der vor einem Jahr bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam: Durch einen in Notwehr abgegebenen Schuss von Sandra.
Zu diesem Zeitpunkt ist man geneigt, den Fall als überaus konstruiert und unglaubwürdig abzuhaken. Wieso erfahren die Ermittler erst so spät von Strackes persönlicher Tragödie? Und wie kann es sein, dass die Kollegin, die seinen Sohn – wenn auch ohne Absicht – getötet hat, weiter mit ihm zusammenarbeiten durfte? „Wär ja auch kein Kollege mehr mit ihr gefahren“, lautet Dienststellenleiter Petrofskis (Rainer Reiners) dürftige Erklärung. Wirklich schlüssig wird zumindest dieses Detail nicht mehr. Davon abgesehen überzeugt das Drehbuch (Christoph Darnstädt) mit zahlreichen überraschenden und spannenden Wendungen in einem verschachtelten Beziehungsgeflecht. Geschickt legt Darnstädt verschiedene Fährten, ohne dass von vornherein absehbar wäre, wohin die Reise geht. Drogen- und Clan-Kriminalität bildet hier nur den Rahmen, „Der gute Weg“ thematisiert mit einem klassischen Krimistoff und einer starken Hauptfigur den zermürbenden Polizei-Alltag – ein typisches Sujet im Berliner „Tatort“. Harald „Harry“ Stracke ist der brave Beamte, der nach jahrzehntelangem Dienst auf der Straße eine persönliche Tragödie erlebt, der nur das Beste will und sich heillos verstrickt. Er habe immer geglaubt, „dass es für alle einen guten Weg gibt“, sagt seine Frau Verena, die der jungen Polizeikollegin allerdings nicht vergeben kann. Sandra, in einem Heim aufgewachsen, habe den Platz ihres Sohnes in der Familie einnehmen wollen, behauptet sie.
Berlin steuert als Schauplatz wieder einige atmosphärische Bilder bei (Kamera: Björn Knechtel), wobei sich der „Kotti“, der häufig abgefilmte Brennpunkt am Kottbusser Tor, langsam abzunutzen beginnt. Der „Paradies“-Rap von Flerl & Jalil ist jedenfalls eine passende musikalische Einführung. Und Klaus Wowereits „Arm, aber sexy“-Spruch wird mit einer bitter komischen Szene kommentiert, in der sich Hauptkommissar Petrofski als Installateur versucht. Für den rauen (Großstadt-)Ton ist ansonsten wieder Karow zuständig, den Waschke sehr überzeugend als unberechenbaren Widerling gibt. Diesmal setzen Drehbuch und Regie allerdings ein starkes Zeichen gegen Karows breitbeinigen Zynismus: Von Rubin fängt er sich eine Ohrfeige, und Gerichtsmedizinerin Nasrin Reza (Maryam Zaree), die sich erst auf eine Affäre mit ihm einlässt, rechnet nach einem dummen Karow-Spruch („Müsst ihr für einen simplen Blutabgleich erst mal nach Mekka beten, oder was?“) wortgewaltig mit dem Kommissar ab. Ein emotionaler Befreiungsschlag. Dass sie anschließend spontan kündigt, wird hoffentlich nicht ihr letztes Wort in der Reihe gewesen sein. Denn sonst wäre die Szene ein Signal weiblicher Kapitulation. (Text-Stand: 20.4.2019)