Schon lange stand fest, dass Devid Striesow als Kommissar Stellbrink aufhört. Im „Tatort – Der Pakt“ hat er als Ermittler im Saarland seinen letzten Einsatz. Der beginnt mit einem (falschen) Abgang – aber nicht seinem. Stellbrink verabschiedet eher lieblos („so verabschieden wir uns mit einem warmen Händedruck – und tschüss!“) die Polizistin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider). Die nimmt ihre Tasche, geht ab und zieht auf der Toilette sogleich ihre Polizeiuniform aus. Das war‘s. Vorbei. Nein! Kurz darauf taucht sie in Zivil-Kleidung beim Umtrunk im Büro auf und wird von Stellbrink als neue Kommissarin begrüßt. Kein Abschied, eine Beförderung. Ein launiger Einstieg. Danach ist erstmal Schluss mit lustig.
In der Akademie für Pflegekräfte liegt eine junge Frau tot im Zimmer ihrer Kollegin und Freundin Anika (Lucie Hollmann). Sie wurde erdrosselt. Jene Vanessa hatte im Schwestern-Wohnheim mit Kollegen eine Party gefeiert und sich dabei mit dem attraktiven Assistenzarzt Dr. Sharifi (Jaschar Sarabtchian) vergnügt. Anika war nicht auf der Party, sondern für die Initiative „Mediziner für Illegale“, die von der charismatischen Ärztin Dr. Annemarie Bindra (Franziska Schubert) ins Leben gerufen wurde, im Einsatz. Dabei sah sie den jungen koptischen Christen Kamal Atiya (El Mehdi Meskar), der mit seinem kleinen Bruder Raouf aus Ägypten geflohen ist, wie er mit dem Leiter der Abschiebebehörde Lutz Grabe (Thomas Bastkowski) Asylbewerber beobachtete. Kamal bemerkte Anika ebenfalls. Wieder zu Hause entdeckte sie die tote Vanessa in ihrem Zimmer. Wer hat die junge Frau ermordet? Oder wurde sie nur mit Anika, die ihr verblüffend ähnlich sieht, verwechselt und sie war das eigentliche Ziel des Mörders? Während Jens Stellbrink gemeinsam mit Lisa Marx (Elisabeth Brück) und der neuen Kollegin Mia die Ermittlungen aufnimmt, fragt sich die verzweifelte Anika: Ist Kamal nicht nur ein Verräter, der Illegale verrät, sondern auch ein Mörder?
Nach sechs Jahren verabschiedet sich Devid Striesow mit seinem achten Auftritt als Jens Stellbrink im „Tatort – Der Pakt“. Es war eine turbulente Zeit. Der Einstieg mit „Melinda“ und „Eine Handvoll Paradies“ ging völlig daneben, man wollte zuviel, die Figur war zu überdreht, das feste Ensemble drum herum fremdelte und enttäuschte. Dann kam die Zeit der Korrekturen, da probierte man viel aus, hatte aber meist eher schwache Geschichten. Zuletzt bekam die Figur des Stellbrink klarere Konturen, sie wurde geerdeter. Doch da war der Abschied schon eingeleitet. Nun also das Finale. Das bietet einen klassischen Krimi, klar und unaufgeregt erzählt, grundsolide TV-Unterhaltung. Der Kommissar malt ganz altmodisch an der Schiefertafel den Ermittlungsstand auf, hat schon nach wenigen Minuten gleich zwei Tatverdächtige und geht eher konventionell bei seiner Arbeit vor. Der launige Ton bei Emmrichs Beförderung zu Beginn ändert sich schnell, denn das Thema ist ernst und dem will man gerecht werden – ohne Frotzeleien. Einzig eine flirtende Zeugin, die Stellbrink befragt, bringt ein wenig Leichtigkeit in die Geschichte. Michael Vershinin und Zoltan Spirandelli haben Stellbrinks letzten Fall geschrieben. Vershinin ist ein versierter Krimischreiber. Man kennt ihn weit besser unter seinem Namen Michael Illner. Schon in den 1990er-Jahren gewann er für den „Polizeiruf 110 – Totes Gleis“ den Grimme-Preis, zuletzt schrieb er zwei Folgen des „Usedom“-Krimis im Ersten. Zoltan Spirandelli führt bereits zum vierten Mal Regie im Saarbrücken-“Tatort“. Er hat schon „Weihnachtsgeld“, „Totenstille“ und „Söhne und Väter“ in Szene gesetzt. Mit ihm kam deutlich mehr Klarheit in die Reihe. Auch in der Abschlussfolge mit Stellbrink inszeniert Spiranelli schnörkellos und unspektakulär, nimmt sich Zeit für ruhige Momente, und ihm gelingt ein eindrucksvolles Finale, das lange nachwirken dürfte.
Über den letzten Stellbrink-„Tatort“ zu schreiben, ohne auf dessen konkreten Abgang einzugehen, das geht nicht. Wer sich überraschen lassen und die Spannung erhalten will, der sollte an dieser Stelle mit dem Lesen aufhören. Man könnte auch sagen: Achtung, Spoileralarm! Für Stellbrinks Ende beim „Tatort“ gilt: Er kam schräg und schrill, er geht leise und emotional. Ohne Worte, mit Tränen – Tränen der Wut und der Trauer. Nicht über seine Abschied, sondern über die Hilflosigkeit als Ermittler. Kurz zuvor sagt Kamal zu ihm: „Sie können auch nichts retten, sie laufen nur dem Tod hinterher.“ Stellbrinks persönlicher Abgang wird nicht thematisiert, man überlässt dem Zuschauer die Interpretation. Dieses Ende ist bemerkenswert und überlegt: Kein lautes Hinschmeißen, kein Tod, kein Spektakel. Er geht ohne Nachhall, er kommt einfach nicht mehr wieder. Nun, bewertet man alle acht Folgen, dann gilt: Kommissar Stellbrink wird man nicht vermissen. Und Devid Striesow muss man nicht vermissen. Er ist ein außergewöhnlicher Schauspieler, aber einer, der auch eine außergewöhnliche Ermittlerfigur braucht. Stellbrink war es – trotz aller Bemühungen – letztendlich nicht. Doch Striesow hat längst eine neue Figur gefunden, die ihn herausfordert und in der er glänzen kann – in der ZDF-Krimireihe „Schwartz und Schwartz“ an der Seite von Golo Euler. Hier war schon der Einstand sehr vielversprechend. (Text-Stand: 11.1.2019)