Ist es nicht ungerecht? Da lebt einer unauffällig und bescheiden sein Leben, will keinem etwas Böses – und dennoch hat das Schicksal das Todesurteil über diesen Menschen gesprochen. Und da ist ein anderer, der Erfolg und Gesundheit als Erwähltheit über die Schwachen und Dummen dieser Welt wertet – dieses Ekel darf leben. Der Fernsehfilm „Tod eines Keilers“, entstanden nach einem Kriminalroman des Schweizers Felix Mettler, stellt die Frage nach der Gerechtigkeit des Todes. Wie kann es angehen, dass der Lungenkrebs sich ausgerechnet den Nichtraucher als Opfer ausgesucht hat, derweil der kettenrauchende Unmensch den Kollegen seinen Rauch rücksichtslos ins Gesicht bläst und ungestraft davon kommt?
Gottfried Binder ist wirklich nicht zu beneiden. Früh verstarb seine Frau, seit einem Jagdunfall hinkt er, und auch sein Job als Präparator in der Pathologie einer Uni-Klinik ist eintönig und hat so ganz und gar nichts mit der Arbeit der Rechtsmediziner zu tun, wie man sie aus den Krimis kennt. „Wir hier sind der Alltag des Sterbens“, sagt er und legt Hand an an eine Leiche. Wenig später weiß er, dass er wahrscheinlich einer der nächsten ist, der hier über den Tisch gehen wird. Bisher hat der kleine Mann nie mit seinem Schicksal gehadert. Aber jetzt, im Angesicht des Todes, entdeckt er die Ungerechtigkeit des Schicksals – und dann seine kriminelle Energie. Der Unbescholtene greift ein in das Glücksspiel um Leben und Sterben und er scheint keine Gewissenbisse zu kennen. Ausgerechnet mit einem kräftigen Stoß aus seiner kranken Lunge streckt er mit Hilfe von Blasrohr und Pfeilgift den allseits verhassten Oberarzt Götze nieder. Jeder in der Klinik hat ihn in Gedanken schon einmal umgebracht. Binder tut es.
Der Schweizer Regisseur Urs Egger („Opernball“) kannte den Roman „Der Keiler“ schon, da ging er gerade erst in Druck. Das war 1990. Früh bemühte er sich um die Filmrechte. Doch sie waren bereits vergeben. Verfilmt wurde der Stoff allerdings nicht und so wurden die Rechte vor zwei Jahren frei. Nils-Morten Osburg, der für Egger schon aus Mankells „Die Rückkehr des Tanzlehrers“ ein dichtes Drehbuch fertigte, legte Hand an den „Keiler“, das ZDF und das Schweizer Fernsehen waren schnell im Boot und mit Joachim Król, Friedrich von Thun, Hans-Michael Rehberg und Lale Yavas konnte dann nichts mehr schief gehen.
„Tod eines Keilers“ ist ein bemerkenswerter Film geworden, der eine im Fernsehfilm seltene Tonlage trifft. Die Spannbreite der Stimmungen bewegt sich zwischen thrillerhaft spannend, schwarzhumorig grotesk und philosophisch verspielt. Der glänzende von Thun als Klinikleiter mit gelegentlichen Gedächtnislücken ist sogar für Lacher gut und Król gibt der Duldsamkeit, die sich mit ungläubigem Schalk in den Augen in ihr tödliches Gegenteil verkehrt, das ideale Gesicht. Sein Binder scheint selbst noch als Mörder in einer Welt voller Egoisten der Menschlichste zu sein. Doch wird das der ermittelnde Kommissar am Ende auch so sehen?! (Text-Stand: 6.2.2006)