„Groß und mächtig, schicksalsträchtig…“, so besang Wolfgang Ambros in seinem kultigen Rustikal „Der Watzmann ruft“ das dominante Bergmassiv der Berchtesgadener Alpen und das Wahrzeichen des Berchtesgadener Landes. 2.713 Meter ist er hoch, und – auch wenn ihn Bergsteiger den schönsten Berg der Welt nennen – an diesem idyllischen Ort ist nun auch das Verbrechen zuhause. Zumindest fiktional. Denn in der ARD heißt es jetzt für acht Folgen „Watzmann ermittelt“. Als Ganovenjäger schickt man ein ungleiches Duo an den Fuß des Berges: Kommissar Benedikt Beissl (Andreas Giebel), bodenständig, grantig, hier aufgewachsen und beheimatet; und Jerry Paulsen (Peter Marton), jung, offen, neugierig, Sohn einer Deutschen und eines GI, aus Hamburg nach Bayern versetzt. Damit nicht genug: Der ist auch noch mit Beissls Tochter Johanna (Ines Lutz) liiert, also Schwiegersohn in spe des brummigen Bayern-Cops. Beste Voraussetzungen also für ein privat-berufliches Verhältnis, bei dem es knistert und kracht, knattert und knarzt, denn zu trennen sind die beiden Bereiche nur schwer. Dritter im Bunde auf der beschaulichen Dienststelle ist Polizeimeister Max Puffer, gespielt von Nepomuk, dem jüngsten Sproß der bayerischen Schauspielerfamilie Fitz (Walter, Veronika, Lisa, Florian David und Michael). Eine zentrale Rolle spielt auch die Familie Beissl, neben Papa Benedikt und Johanna, die seit ihrer Rückkehr aus dem Norden als Journalistin arbeitet, Mama Elisabeth (Barbara Weinzierl) sowie die ebenfalls erwachsene Tochter Maria (Kathrin von Steinburg) und Nesthäkchen und Teenager Eva (Leonie Brill).
In der Vorabendserie geht es zum Auftakt um einen unter Demenz leidenden, betagten Bauern, der in eine Schlucht gestürzt werden sollte („Der Alte vom Berg“), weiter um eine tot im Wasser liegende Friseurin, die nebenher als Escort-Dame arbeitete („Almsünde“), den erschlagenen Mannschaftsarzt des Bobteams vom SV Königssee, eine tote Politikerin („Kalkül oder Liebe“), einen erstochenen Sesselliftbetreiber („Fluch am Eckstein“), den Mord an einem Hotelier („Inkognito“), einem Geschichtsstudenten („Familienbande“) und einem Berufsfischer („Der Fischer vom Königssee“). So sind thematisch und auch optisch alle Sehenswürdigkeiten und Berufsgruppen, wofür die Gegend um den Watzmann steht, in Mord(s)geschichten verarbeitet. Als Autoren setzt man beim Bayerischen Rundfunk auf Leute, die bereits mehr oder weniger erfolgreich für den Sender gearbeitet haben, die bekanntesten Namen sind Karin Michalke (schrieb die Rosenmüller-Filme „Beste Zeit“, „Beste Gegend“), Stefan Betz (Eberhofer-Krimis) und Stefan Hering (einige „Dahoam is dahoam“-Folgen).
„Watzmann ermittelt“ reiht sich ein in die harmlos-heiteren Voralpen-Krimis, die seit Jahren in ARD und ZDF für gute Quoten sorgen – von den „Rosenheim-Cops“ bis „Hubert und Staller“. Eine Hauptrolle spielt dabei stets die Landschaft, die auch hier malerisch nur von ihrer besten Seite gezeigt wird: Sattes Grün der Wiesen, der Himmel stets schön blau, und fast immer scheint die Sonne. Idylle pur. Als Kontrast zu den Verbrechen. Doch selbst die sind alles andere als furchteinflößend. Wie die Leichen da im Wasser oder zu Lande hindrapiert wurden, sind sie meist noch schön anzusehen, fehlt nur noch, dass sie ein Lächeln auf den Lippen tragen. Das Prinzip „jeder kennt jeden“ fließt in die Geschichten ein, und der Beissl weiß entsprechend immer etwas über die Leiche, die Verdächtigen, die Täter, und er begegnet im Lauf der Ermittlungen alten Schulfreunden und Weggefährten, hat auch, wenn er bei der Bank Auskünfte über fremde Konten oder der Baubehörde persönliche Daten über Vorgänge benötigt, kein Problem damit. Alles geht auf dem kurzen Dienstweg im Amigoland. Aber das gehört ja zum Gebot sogenannter Wohlfühlkrimis. Spannung hat keinen Platz am Vorabend, sehr leichte Unterhaltung ist das Gebot auf diesen Sendeplätzen. Und wer böse ist, der guckt hier auch so, da gibt es nichts, was den Zuschauer in die Irre führen könnte. Gewürzt ist das alles mit nettem, eher bravem Humor und kleinen Witzchen. Es menschelt an jeder Ecke, und wenn zwischendurch mal besonders wenig geht, dann schwenkt die Kamera einfach mal wieder über die Landschaft, dann zeigt sich der Watzmann groß und mächtig. Und am Ende jeder Folge, die stets unaufgeregt und undramatisch gelöst wird, soll der Zuschauer offensichtlich einen einzigen Wunsch haben: hier Urlaub zu machen, weil‘s so gemütlich ist.
Bei den Hauptfiguren arbeitet man – auch das nichts Neues – mit starken Kontrasten. Hier Vater Beissl, Familienoberhaupt nach altbekanntem Rollenbild, setzt sich an den gedeckten Frühstückstisch, der aus einem Katalog einer Ferienpension stammen könnte. Die Töchter stehen für die neue Zeit – die Erste liebt einen Dunkelhäutigen, der Beissls Bekannte schon mal zu der Frage anregt: „Habt’s ihr jetzt auch einen Flüchtling aufgenommen?“, die Zweite ist alleinerziehend, und die Dritte schleppt – zumindest in einer Folge – einen deutlich älteren Typen an. Alles abgedeckt. Doch wie es auch kommt, Papa wird es schon richten. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Schwiegersohn in spe klappt schnell besser, auch wenn Beissl noch ein bisschen granteln darf über Laptops und die Plexiglaswand, die Jerry Marton bei den Ermittlungen helfen und Beissl Akten ersetzen sollen. Andreas Giebel, bayerischer Kabarettist und Schauspieler, Polizisten-erprobt durch die Bogner-Serie „München 7“ und die „Rosenheim-Cops“, gibt den Watzmann-Ermittler in bekannter Manier: ruhig, pointiert, bajuwarisch. Es ist ein Vergnügen, ihm dabei zuzusehen. Peter Marton darf als Jerry den Platzhirsch Beissl aufscheuchen, ihn in cool-lässiger Art und mit viel Charme und Sympathie aus der Reserve locken, auch wenn der klar macht: „Wir bleiben beim Sie, Herr Paulsen!“ Ein Duo, das zeigt, dass der Spruch des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber von „Laptop und Lederhose“ jetzt auch in einer Vorabendserie Anwendung findet. Dass diese Serie sehr stark „Hubert und Staller“ ähnelt, ist eine vertane Chance. Warum probiert man nicht mal die schmucke Voralpenkulisse für Geschichten und Figuren zu nutzen, die frecher und frischer sind? Mehr Mut wäre angebracht. Schickt doch einfach den Franz Xaver Bogner mal raus aus München Richtung Berge, der würde da weit mehr rausholen. Oder die schräge Crew von „Hindafing“. (Text-Stand: 20.4.2019)