Reich und einsam, jung und mittellos – lässt sich aus diesen Gegensätzen nicht vielleicht eine Geschäftsidee entwickeln? Tut sich da nicht eine riesige Marktlücke auf? Jakob und Manu sind dabei, die Liebe als Ware neu zu definieren. Sie verkaufen nicht ihre Körper. Sie verkaufen Nähe, sie verkaufen ihre Aufmerksamkeit. Beide sind ein Paar. Oder sind sie nur „Geschäftspartner“, die miteinander leben und schlafen? Sie hausen autark im Wald, mit Zelt und Batteriekocher – das klingt nach Romantik und Selbstbestimmung. Doch da ist ein strenger Ton, ein kalter Blick zwischen den beiden. Das Geld ist knapp. Folglich steht die Arbeit, das Abzocken im Mittelpunkt. Manu leistet einer bettlägerigen Frau Gesellschaft, während Jakob sich an einen Familienvater heranmacht, der den Tod seines Sohnes nicht verkraften kann. Als Jakob in dieser Familie mehr findet als eine warme Dusche und die Scheine fürs Überleben, verkompliziert sich die ohnehin nicht einfache Beziehung zu Manu.
„Zarte Parasiten“ (Trailer) bringt den Tauschhandel-Charakter einer Beziehung illusionslos und moralfrei auf den Punkt. Geselligkeit als Dienstleistung, die wahre Liebe, die immer auch ein Flirt mit der Ware Liebe ist. So radikal diese Aussage, die Christian Becker und Oliver Schwabe weder statementhaft noch wertend dem Zuschauer nahe bringen, so radikal ist oftmals auch die Bildsprache, die die schmerzliche Nähe zu den Figuren sucht. Und da sind sie wieder, die harten, strengen Gesichter, aus denen das Liebevolle zunehmend zu weichen scheint – bevor Robert Stadlobers Jakob dann doch noch einmal kurz lächeln darf. In diesem Lächeln spiegelt sich die eigene Sehnsucht nach „echten“ Gefühlen, die die beiden jugendlichen Helden durch die Professionalisierung ihrer „Nächstenliebe“ verloren haben. Mit der Nähe zu den Figuren, mit der das weitgehende Ausblenden von Raumzeit-Parametern einhergeht, rücken die Schauspieler in den Mittelpunkt. Robert Stadlober, der schon desöfteren allzu manisch obsessiv aus seinen Rollen fiel, hält in „Zarte Parasiten“ wunderbar die Spannung zwischen latenter Aggression und versteckter Zärtlichkeit. Auch Maja Schönes Gesichtsausdruck gibt selten klare Antworten auf klare Gefühle. Damit schließt sich der Kreis zur Geschichte, in der Gefühle zur Ware werden. (Text-Stand: 1.8.2011)